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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1728.
Mein JEsu! wer zum Vater will,
Der muß durch dich den Eingang finden:
Jn dir ist alle GOttes-Füll;
Du machest selig von den Sünden.
Hier lieg ich armer matter Wurm,
Und winde mich um deine Wiege:
Jch fühle Seelen-Noth und Sturm,
Doch merck ich auch noch Liebes-Züge[:]
Jch seh' durch einen Ritz
Den freyen Gnaden-Sitz,
Die Thür ist noch ein wenig offen.
Wenn du mein Hertz ergrifst,
Und diesen Felß zerschlifst,
So könt ich auf ein neu Hertz hoffen.
Der Gnaden-Seiger schiebet wohl
Den Augenblick am letzten Korne,
Und, da ich kaum noch Othen hohl,
Such ich die Seligkeit von vorne.
Zur Stunde, da ein Kämpfer lacht,
Ein Simeon den Abschied fodert,
Da liegt mein Jnneres verschmacht,
Jndem das Aeussere vermodert.
Jch zöge gerne noch
Ein Jahr an Christi Joch,
Jch komme langsam; Mag ich kommen?
Der Eingang zeiget sich,
Ein Blick versichert mich,
Komm. Jmmig, du wirst eingenommen.
LXIII. Auf des Baron Kittlitz Heyrath mit
der Gräfin Henriette Henckeln.
WAs Unterschiedne thun, kan unterschieden seyn.
Die Alten freyten dort, und liessen sich auch freyn:
Die Engel freyen nicht, die Kinder GOttes freyen;
Und ist Gefahr dabey, so kan es auch gedeyhen.
Wer nicht recht theilen kan, dem klingt es furchterlich,
So bald das Wort erschallt: Der, die verehlicht sich.
Wenn
1728.
Mein JEſu! wer zum Vater will,
Der muß durch dich den Eingang finden:
Jn dir iſt alle GOttes-Fuͤll;
Du macheſt ſelig von den Suͤnden.
Hier lieg ich armer matter Wurm,
Und winde mich um deine Wiege:
Jch fuͤhle Seelen-Noth und Sturm,
Doch merck ich auch noch Liebes-Zuͤge[:]
Jch ſeh’ durch einen Ritz
Den freyen Gnaden-Sitz,
Die Thuͤr iſt noch ein wenig offen.
Wenn du mein Hertz ergrifſt,
Und dieſen Felß zerſchlifſt,
So koͤnt ich auf ein neu Hertz hoffen.
Der Gnaden-Seiger ſchiebet wohl
Den Augenblick am letzten Korne,
Und, da ich kaum noch Othen hohl,
Such ich die Seligkeit von vorne.
Zur Stunde, da ein Kaͤmpfer lacht,
Ein Simeon den Abſchied fodert,
Da liegt mein Jnneres verſchmacht,
Jndem das Aeuſſere vermodert.
Jch zoͤge gerne noch
Ein Jahr an Chriſti Joch,
Jch komme langſam; Mag ich kommen?
Der Eingang zeiget ſich,
Ein Blick verſichert mich,
Komm. Jmmig, du wirſt eingenommen.
LXIII. Auf des Baron Kittlitz Heyrath mit
der Graͤfin Henriette Henckeln.
WAs Unterſchiedne thun, kan unterſchieden ſeyn.
Die Alten freyten dort, und lieſſen ſich auch freyn:
Die Engel freyen nicht, die Kinder GOttes freyen;
Und iſt Gefahr dabey, ſo kan es auch gedeyhen.
Wer nicht recht theilen kan, dem klingt es furchterlich,
So bald das Wort erſchallt: Der, die verehlicht ſich.
Wenn
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[146/0156] 1728. Mein JEſu! wer zum Vater will, Der muß durch dich den Eingang finden: Jn dir iſt alle GOttes-Fuͤll; Du macheſt ſelig von den Suͤnden. Hier lieg ich armer matter Wurm, Und winde mich um deine Wiege: Jch fuͤhle Seelen-Noth und Sturm, Doch merck ich auch noch Liebes-Zuͤge: Jch ſeh’ durch einen Ritz Den freyen Gnaden-Sitz, Die Thuͤr iſt noch ein wenig offen. Wenn du mein Hertz ergrifſt, Und dieſen Felß zerſchlifſt, So koͤnt ich auf ein neu Hertz hoffen. Der Gnaden-Seiger ſchiebet wohl Den Augenblick am letzten Korne, Und, da ich kaum noch Othen hohl, Such ich die Seligkeit von vorne. Zur Stunde, da ein Kaͤmpfer lacht, Ein Simeon den Abſchied fodert, Da liegt mein Jnneres verſchmacht, Jndem das Aeuſſere vermodert. Jch zoͤge gerne noch Ein Jahr an Chriſti Joch, Jch komme langſam; Mag ich kommen? Der Eingang zeiget ſich, Ein Blick verſichert mich, Komm. Jmmig, du wirſt eingenommen. LXIII. Auf des Baron Kittlitz Heyrath mit der Graͤfin Henriette Henckeln. WAs Unterſchiedne thun, kan unterſchieden ſeyn. Die Alten freyten dort, und lieſſen ſich auch freyn: Die Engel freyen nicht, die Kinder GOttes freyen; Und iſt Gefahr dabey, ſo kan es auch gedeyhen. Wer nicht recht theilen kan, dem klingt es furchterlich, So bald das Wort erſchallt: Der, die verehlicht ſich. Wenn

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/156>, abgerufen am 29.04.2024.