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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1728.
Wer ihre Führung recht erweget, wie lieb ihr der Herr Vater
war,

Wie sie der Mutter so gepfleget; dem stellet sie ein Mu-
ster dar

Von Seelen, die die Tieffe gründen, und doch den Anstoß
nicht berührn,

Den mehrentheils die andern finden, so gern ein heilig Leben
führn.
Nun, liebe Schwester! was begehrst du, was sollen wir dir
itzo thun?

Die Treue JEsu, die erfährst du; Vor unsern Reden wirst
du ruhn.

Wir ruffen dir nicht deinetwegen, allein um andrer willen nach:
Geh hin in JEsu Christi Segen, der dir die Bahn des
Glaubens brach.
Du mühtest dich, bevor du ruhtest, drum thut dir nun der
Schlaf so gut.

Was Wunder! daß du itzt nicht blutest, du kämpftest ehmals
biß aufs Blut.Ebr. 12, 4.

Petroni, Seneca, (*) ihr streitet, wer sich den Tod am leicht-
sten macht;
Louyse hat den Preiß erbeutet, sie schläft, indem sie ausge-
wacht.
Doch mag ein ungedrungner Treiber auch dasmal nach Ge-
wohnheit thun;

Der letzten Reden JEsu Schreiber kan in so schönem Gleis
nicht ruhn.

Jhr Jungfern, die ihr gleiche Fahne mit seliger Louysen ehrt,
Hört, Caroline, Bibiane, (**) und lernt, was sich vor euch ge-
hört.
Jhr
(*) Das waren zwey Männer zu Rom, einer war Neronis Zuchtmei-
ster, der andere hieß: Arbiter Elegantiarum. Sie liessen
sich beyde die Adern öfnen, da sie sterben musten. Seneca
moralisirte, und Petronius tändelte, biß ihm die Seele aus-
gieng.
(**) Es waren die letzten Reden des HErrn JEsu, welche 1725. her-
aus kamen, der itzt verstorbenen und denen Comtessen, Caroli-
ne zu Castell und Gr. Bibianen Reußin, zu Ebersdorf, mit ei-
ner weitläuftigen Anrede zugeschrieben.
M
1728.
Wer ihre Fuͤhrung recht erweget, wie lieb ihr der Herr Vater
war,

Wie ſie der Mutter ſo gepfleget; dem ſtellet ſie ein Mu-
ſter dar

Von Seelen, die die Tieffe gruͤnden, und doch den Anſtoß
nicht beruͤhrn,

Den mehrentheils die andern finden, ſo gern ein heilig Leben
fuͤhrn.
Nun, liebe Schweſter! was begehrſt du, was ſollen wir dir
itzo thun?

Die Treue JEſu, die erfaͤhrſt du; Vor unſern Reden wirſt
du ruhn.

Wir ruffen dir nicht deinetwegen, allein um andrer willen nach:
Geh hin in JEſu Chriſti Segen, der dir die Bahn des
Glaubens brach.
Du muͤhteſt dich, bevor du ruhteſt, drum thut dir nun der
Schlaf ſo gut.

Was Wunder! daß du itzt nicht bluteſt, du kaͤmpfteſt ehmals
biß aufs Blut.Ebr. 12, 4.

Petroni, Seneca, (*) ihr ſtreitet, wer ſich den Tod am leicht-
ſten macht;
Louyſe hat den Preiß erbeutet, ſie ſchlaͤft, indem ſie ausge-
wacht.
Doch mag ein ungedrungner Treiber auch dasmal nach Ge-
wohnheit thun;

Der letzten Reden JEſu Schreiber kan in ſo ſchoͤnem Gleis
nicht ruhn.

Jhr Jungfern, die ihr gleiche Fahne mit ſeliger Louyſen ehrt,
Hoͤrt, Caroline, Bibiane, (**) und lernt, was ſich vor euch ge-
hoͤrt.
Jhr
(*) Das waren zwey Maͤnner zu Rom, einer war Neronis Zuchtmei-
ſter, der andere hieß: Arbiter Elegantiarum. Sie lieſſen
ſich beyde die Adern oͤfnen, da ſie ſterben muſten. Seneca
moraliſirte, und Petronius taͤndelte, biß ihm die Seele aus-
gieng.
(**) Es waren die letzten Reden des HErrn JEſu, welche 1725. her-
aus kamen, der itzt verſtorbenen und denen Comteſſen, Caroli-
ne zu Caſtell und Gr. Bibianen Reußin, zu Ebersdorf, mit ei-
ner weitlaͤuftigen Anrede zugeſchrieben.
M
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[177/0187] 1728. Wer ihre Fuͤhrung recht erweget, wie lieb ihr der Herr Vater war, Wie ſie der Mutter ſo gepfleget; dem ſtellet ſie ein Mu- ſter dar Von Seelen, die die Tieffe gruͤnden, und doch den Anſtoß nicht beruͤhrn, Den mehrentheils die andern finden, ſo gern ein heilig Leben fuͤhrn. Nun, liebe Schweſter! was begehrſt du, was ſollen wir dir itzo thun? Die Treue JEſu, die erfaͤhrſt du; Vor unſern Reden wirſt du ruhn. Wir ruffen dir nicht deinetwegen, allein um andrer willen nach: Geh hin in JEſu Chriſti Segen, der dir die Bahn des Glaubens brach. Du muͤhteſt dich, bevor du ruhteſt, drum thut dir nun der Schlaf ſo gut. Was Wunder! daß du itzt nicht bluteſt, du kaͤmpfteſt ehmals biß aufs Blut. Petroni, Seneca, (*) ihr ſtreitet, wer ſich den Tod am leicht- ſten macht; Louyſe hat den Preiß erbeutet, ſie ſchlaͤft, indem ſie ausge- wacht. Doch mag ein ungedrungner Treiber auch dasmal nach Ge- wohnheit thun; Der letzten Reden JEſu Schreiber kan in ſo ſchoͤnem Gleis nicht ruhn. Jhr Jungfern, die ihr gleiche Fahne mit ſeliger Louyſen ehrt, Hoͤrt, Caroline, Bibiane, (**) und lernt, was ſich vor euch ge- hoͤrt. Jhr (*) Das waren zwey Maͤnner zu Rom, einer war Neronis Zuchtmei- ſter, der andere hieß: Arbiter Elegantiarum. Sie lieſſen ſich beyde die Adern oͤfnen, da ſie ſterben muſten. Seneca moraliſirte, und Petronius taͤndelte, biß ihm die Seele aus- gieng. (**) Es waren die letzten Reden des HErrn JEſu, welche 1725. her- aus kamen, der itzt verſtorbenen und denen Comteſſen, Caroli- ne zu Caſtell und Gr. Bibianen Reußin, zu Ebersdorf, mit ei- ner weitlaͤuftigen Anrede zugeſchrieben. M

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/187>, abgerufen am 28.04.2024.