Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.1729. Des Creutzes Stamm ist von dem Fluch gerissen, Er ist den Seelen nun ein ein Segens-Holtz: Allein der Creatur verwegner Stoltz Greift nach der Lust, und tritt das Creutz mit Füssen, Der Heyland hatte einen andern Sinn: Er nahm die Angst vor alle Freude hin. HErr! der du dich noch niemals satt geliebet, Sieh mit Barmhertzigkeit die Alten an, Die Alten, die nicht viel in GOtt gethan, Obschon sie sich im Aeussern viel geübet: Die Wolcke deiner Zeugen um sie her, Die sähe gern, daß ihnen besser wär. Uns aber alle, die wir dich errungen, Zu denen man nicht sagt: Erkennt den HErrn, Seit dem wir dich erblickt, du Morgenstern, Uns, welchen du so liebreich zugesprungen, Uns schmücke auf den grossen Hochzeit-Tag, Den niemand ohne Schmuck besuchen mag. LXXX. Auf seinen innig-geliebten Bruder, Melchior Nitschmann, Aeltesten zu Herrn- hut, als er seinen 24jährigen Lauf im Gefängniß geendet. WO giengt ihr hin, wo kamt ihr her, Jhr grünende Gebeine? Dir nach, du Ober Aeltester Der heiligen Gemeine; Sie kamen aus der Friedens-Stadt, Von Seelen-Hunger müd und matt. Gelobet sey dein muntrer Gang, Und deiner Füsse Rauschen: Du wilst die Freyheit gegen Zwang, Vor Unruh, Ruhe tauschen. Es ist der Welt die höchste Noth: Geh hin, du bist ein guter Both. Du
1729. Des Creutzes Stamm iſt von dem Fluch geriſſen, Er iſt den Seelen nun ein ein Segens-Holtz: Allein der Creatur verwegner Stoltz Greift nach der Luſt, und tritt das Creutz mit Fuͤſſen, Der Heyland hatte einen andern Sinn: Er nahm die Angſt vor alle Freude hin. HErr! der du dich noch niemals ſatt geliebet, Sieh mit Barmhertzigkeit die Alten an, Die Alten, die nicht viel in GOtt gethan, Obſchon ſie ſich im Aeuſſern viel geuͤbet: Die Wolcke deiner Zeugen um ſie her, Die ſaͤhe gern, daß ihnen beſſer waͤr. Uns aber alle, die wir dich errungen, Zu denen man nicht ſagt: Erkennt den HErrn, Seit dem wir dich erblickt, du Morgenſtern, Uns, welchen du ſo liebreich zugeſprungen, Uns ſchmuͤcke auf den groſſen Hochzeit-Tag, Den niemand ohne Schmuck beſuchen mag. LXXX. Auf ſeinen innig-geliebten Bruder, Melchior Nitſchmann, Aelteſten zu Herrn- hut, als er ſeinen 24jaͤhrigen Lauf im Gefaͤngniß geendet. WO giengt ihr hin, wo kamt ihr her, Jhr gruͤnende Gebeine? Dir nach, du Ober Aelteſter Der heiligen Gemeine; Sie kamen aus der Friedens-Stadt, Von Seelen-Hunger muͤd und matt. Gelobet ſey dein muntrer Gang, Und deiner Fuͤſſe Rauſchen: Du wilſt die Freyheit gegen Zwang, Vor Unruh, Ruhe tauſchen. Es iſt der Welt die hoͤchſte Noth: Geh hin, du biſt ein guter Both. Du
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1729.
Des Creutzes Stamm iſt von dem Fluch geriſſen,
Er iſt den Seelen nun ein ein Segens-Holtz:
Allein der Creatur verwegner Stoltz
Greift nach der Luſt, und tritt das Creutz mit Fuͤſſen,
Der Heyland hatte einen andern Sinn:
Er nahm die Angſt vor alle Freude hin.
HErr! der du dich noch niemals ſatt geliebet,
Sieh mit Barmhertzigkeit die Alten an,
Die Alten, die nicht viel in GOtt gethan,
Obſchon ſie ſich im Aeuſſern viel geuͤbet:
Die Wolcke deiner Zeugen um ſie her,
Die ſaͤhe gern, daß ihnen beſſer waͤr.
Uns aber alle, die wir dich errungen,
Zu denen man nicht ſagt: Erkennt den HErrn,
Seit dem wir dich erblickt, du Morgenſtern,
Uns, welchen du ſo liebreich zugeſprungen,
Uns ſchmuͤcke auf den groſſen Hochzeit-Tag,
Den niemand ohne Schmuck beſuchen mag.
LXXX. Auf ſeinen innig-geliebten Bruder,
Melchior Nitſchmann, Aelteſten zu Herrn-
hut, als er ſeinen 24jaͤhrigen Lauf im
Gefaͤngniß geendet.
WO giengt ihr hin, wo kamt ihr her,
Jhr gruͤnende Gebeine?
Dir nach, du Ober Aelteſter
Der heiligen Gemeine;
Sie kamen aus der Friedens-Stadt,
Von Seelen-Hunger muͤd und matt.
Gelobet ſey dein muntrer Gang,
Und deiner Fuͤſſe Rauſchen:
Du wilſt die Freyheit gegen Zwang,
Vor Unruh, Ruhe tauſchen.
Es iſt der Welt die hoͤchſte Noth:
Geh hin, du biſt ein guter Both.
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