Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.1729. Du weist, wohin der Eifer reicht Der blinden Pharisäer. Wo man um Land und Wasser zeucht, Und treibt das Werck nicht höher, Als daß ein Thor den andern macht, Ein Träumer bey dem andern wacht. Die Pharisäer wurden alt Bey ihren Lasten binden: Der Heyland sagte nicht so bald: Kommt Menschen! Ruh zu finden, So war die gantze Hölle auf, Und hemmete des Lehrers Lauf. Mein Bruder! kennst du deinen Weg, Er geht ins Todes Rachen, Das ist der allgemeine Steg Vor die, so Friede machen: Bleib da; Du kanst nicht; Ey so geh! Durchs Todes-Thal zur Lebens Höh. Nur fliehe die Gelegenheit, Die deine Ehre schändet: Der Feind bemüht sich allezeit, Damit ers also wendet, Daß, wers mit Christo treulich meynt, Um Ubelthat zu leiden scheint. Wie wir gedacht, so ists geschehn. Du bist dahin gegangen: Der Feind hat sich die Zeit ersehn, Und hat dich aufgefangen, Noch eh' du das Gebiet erreicht, Wohin dich Trieb und Zug geneigt. Was hat die Schlange für Gewinn, Die alte Thörin lachte: Sie wuste nicht, daß ohne hin Die morsche Hütte krachte, Und daß der Geist ihr Ehren-Bett Mit diesem Lauf bestellet hätt. Dein
1729. Du weiſt, wohin der Eifer reicht Der blinden Phariſaͤer. Wo man um Land und Waſſer zeucht, Und treibt das Werck nicht hoͤher, Als daß ein Thor den andern macht, Ein Traͤumer bey dem andern wacht. Die Phariſaͤer wurden alt Bey ihren Laſten binden: Der Heyland ſagte nicht ſo bald: Kommt Menſchen! Ruh zu finden, So war die gantze Hoͤlle auf, Und hemmete des Lehrers Lauf. Mein Bruder! kennſt du deinen Weg, Er geht ins Todes Rachen, Das iſt der allgemeine Steg Vor die, ſo Friede machen: Bleib da; Du kanſt nicht; Ey ſo geh! Durchs Todes-Thal zur Lebens Hoͤh. Nur fliehe die Gelegenheit, Die deine Ehre ſchaͤndet: Der Feind bemuͤht ſich allezeit, Damit ers alſo wendet, Daß, wers mit Chriſto treulich meynt, Um Ubelthat zu leiden ſcheint. Wie wir gedacht, ſo iſts geſchehn. Du biſt dahin gegangen: Der Feind hat ſich die Zeit erſehn, Und hat dich aufgefangen, Noch eh’ du das Gebiet erreicht, Wohin dich Trieb und Zug geneigt. Was hat die Schlange fuͤr Gewinn, Die alte Thoͤrin lachte: Sie wuſte nicht, daß ohne hin Die morſche Huͤtte krachte, Und daß der Geiſt ihr Ehren-Bett Mit dieſem Lauf beſtellet haͤtt. Dein
<TEI> <text> <body> <div> <lg type="poem"> <pb facs="#f0198" n="188"/> <fw place="top" type="header">1729.</fw><lb/> <lg n="92"> <l>Du weiſt, wohin der Eifer reicht<lb/><hi rendition="#fr">Der blinden Phariſaͤer.</hi></l><lb/> <l>Wo man um Land und Waſſer zeucht,</l><lb/> <l>Und treibt das Werck nicht hoͤher,</l><lb/> <l>Als daß ein Thor den andern macht,</l><lb/> <l>Ein <hi rendition="#fr">Traͤumer</hi> bey dem andern wacht.</l> </lg><lb/> <lg n="93"> <l>Die Phariſaͤer wurden alt</l><lb/> <l>Bey ihren Laſten binden:</l><lb/> <l>Der Heyland ſagte nicht ſo bald:</l><lb/> <l>Kommt Menſchen! Ruh zu finden,</l><lb/> <l>So war die gantze Hoͤlle auf,</l><lb/> <l>Und hemmete des Lehrers Lauf.</l> </lg><lb/> <lg n="94"> <l><hi rendition="#fr">Mein Bruder!</hi> kennſt du deinen Weg,</l><lb/> <l>Er geht ins Todes Rachen,</l><lb/> <l>Das iſt der allgemeine Steg</l><lb/> <l>Vor die, ſo Friede machen:</l><lb/> <l>Bleib da; Du kanſt nicht; Ey ſo geh!</l><lb/> <l>Durchs Todes-Thal zur Lebens Hoͤh.</l> </lg><lb/> <lg n="95"> <l>Nur fliehe die Gelegenheit,</l><lb/> <l>Die deine Ehre ſchaͤndet:</l><lb/> <l>Der Feind bemuͤht ſich allezeit,</l><lb/> <l>Damit ers alſo wendet,</l><lb/> <l>Daß, wers mit Chriſto treulich meynt,</l><lb/> <l>Um Ubelthat zu leiden ſcheint.</l> </lg><lb/> <lg n="96"> <l>Wie wir gedacht, ſo iſts geſchehn.</l><lb/> <l>Du biſt dahin gegangen:</l><lb/> <l>Der Feind hat ſich die Zeit erſehn,</l><lb/> <l>Und hat dich aufgefangen,</l><lb/> <l>Noch eh’ du das Gebiet erreicht,</l><lb/> <l>Wohin dich Trieb und Zug geneigt.</l> </lg><lb/> <lg n="97"> <l>Was hat die Schlange fuͤr Gewinn,</l><lb/> <l>Die alte Thoͤrin lachte:</l><lb/> <l>Sie wuſte nicht, daß ohne hin</l><lb/> <l>Die morſche Huͤtte krachte,</l><lb/> <l>Und daß der Geiſt ihr Ehren-Bett</l><lb/> <l>Mit dieſem Lauf beſtellet haͤtt.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Dein</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [188/0198]
1729.
Du weiſt, wohin der Eifer reicht
Der blinden Phariſaͤer.
Wo man um Land und Waſſer zeucht,
Und treibt das Werck nicht hoͤher,
Als daß ein Thor den andern macht,
Ein Traͤumer bey dem andern wacht.
Die Phariſaͤer wurden alt
Bey ihren Laſten binden:
Der Heyland ſagte nicht ſo bald:
Kommt Menſchen! Ruh zu finden,
So war die gantze Hoͤlle auf,
Und hemmete des Lehrers Lauf.
Mein Bruder! kennſt du deinen Weg,
Er geht ins Todes Rachen,
Das iſt der allgemeine Steg
Vor die, ſo Friede machen:
Bleib da; Du kanſt nicht; Ey ſo geh!
Durchs Todes-Thal zur Lebens Hoͤh.
Nur fliehe die Gelegenheit,
Die deine Ehre ſchaͤndet:
Der Feind bemuͤht ſich allezeit,
Damit ers alſo wendet,
Daß, wers mit Chriſto treulich meynt,
Um Ubelthat zu leiden ſcheint.
Wie wir gedacht, ſo iſts geſchehn.
Du biſt dahin gegangen:
Der Feind hat ſich die Zeit erſehn,
Und hat dich aufgefangen,
Noch eh’ du das Gebiet erreicht,
Wohin dich Trieb und Zug geneigt.
Was hat die Schlange fuͤr Gewinn,
Die alte Thoͤrin lachte:
Sie wuſte nicht, daß ohne hin
Die morſche Huͤtte krachte,
Und daß der Geiſt ihr Ehren-Bett
Mit dieſem Lauf beſtellet haͤtt.
Dein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |