Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite

1729.

Jhr, die ihr Babel schleiffen könt und solt,
Wann ihr nur Hirten-Knaben werden wolt!

Hat nicht der Mann, den euer Seufzen nennt,
An einem Ort ein doppelt Gut vereinet,
Das dieser Zeit kaum zu verbinden scheinet,
Die so gar wenig Guts bey sammen kennt;
Den Ruhm der orthodoxen Reinigkeit,
Das Zeugniß, daß die Kirch um Beßrung schreyt.
Das eben ists, was mich mit ihm verband,
Der ich gantz kein Geheimniß daraus mache,
Daß eine Kirch-Verwandlung keine Sache,
Denn ohne Glieder hat sie nicht Bestand;
Daß aber auch in ieglicher Gemein
Ein Muster von der Kirche solte seyn.
Wenn ein Student den Kopf mit Bildern füllt,
Wie eine Kirchen-Republic zu tichten,
Und will dereinst sein Kirchspiel darnach richten,
Jsts eben wie mit Doctor Luthers Bild: (*)
Doch wehe dem, der davon nichts versteht,
Was mitten im Verderben gleichwol geht.
Wer Luthern nennt, der hat den Rücken frey.
Nun hat uns Doctor Luther hinterlassen,
Und zwar im Büchlein, das die Kinder fassen,
Daß dieses erst die rechte Kirche sey:
Wo man das Wort der Wahrheit lauter lehrt,

Und wo sich auch das Volck dadurch bekehrt.
Die Lehre halt ich über Hof und Hauß.
Zwar wagts die Welt mit unsers Meisters Lehren,
Sie ihn und her zu wenden und zu kehren;
Wo aber die verkehrt wird, so ists aus:
Und bleibet sie, (wie billig,) ewig wahr,
Was fehlt uns noch am Attischen Altar?
Der selge Mann wars völlig überzeugt.
Er hofte zwar, es solte sich noch geben,
Es würde sich die Hütte GOttes heben,
Zu der er sein Geschenck mit dargereicht.
Doch
(*) Der einen Pfarr mahlen ließ, wie ihn die Leute haben wolten.
N 3

1729.

Jhr, die ihr Babel ſchleiffen koͤnt und ſolt,
Wann ihr nur Hirten-Knaben werden wolt!

Hat nicht der Mann, den euer Seufzen nennt,
An einem Ort ein doppelt Gut vereinet,
Das dieſer Zeit kaum zu verbinden ſcheinet,
Die ſo gar wenig Guts bey ſammen kennt;
Den Ruhm der orthodoxen Reinigkeit,
Das Zeugniß, daß die Kirch um Beßrung ſchreyt.
Das eben iſts, was mich mit ihm verband,
Der ich gantz kein Geheimniß daraus mache,
Daß eine Kirch-Verwandlung keine Sache,
Denn ohne Glieder hat ſie nicht Beſtand;
Daß aber auch in ieglicher Gemein
Ein Muſter von der Kirche ſolte ſeyn.
Wenn ein Student den Kopf mit Bildern fuͤllt,
Wie eine Kirchen-Republic zu tichten,
Und will dereinſt ſein Kirchſpiel darnach richten,
Jſts eben wie mit Doctor Luthers Bild: (*)
Doch wehe dem, der davon nichts verſteht,
Was mitten im Verderben gleichwol geht.
Wer Luthern nennt, der hat den Ruͤcken frey.
Nun hat uns Doctor Luther hinterlaſſen,
Und zwar im Buͤchlein, das die Kinder faſſen,
Daß dieſes erſt die rechte Kirche ſey:
Wo man das Wort der Wahrheit lauter lehrt,

Und wo ſich auch das Volck dadurch bekehrt.
Die Lehre halt ich uͤber Hof und Hauß.
Zwar wagts die Welt mit unſers Meiſters Lehren,
Sie ihn und her zu wenden und zu kehren;
Wo aber die verkehrt wird, ſo iſts aus:
Und bleibet ſie, (wie billig,) ewig wahr,
Was fehlt uns noch am Attiſchen Altar?
Der ſelge Mann wars voͤllig uͤberzeugt.
Er hofte zwar, es ſolte ſich noch geben,
Es wuͤrde ſich die Huͤtte GOttes heben,
Zu der er ſein Geſchenck mit dargereicht.
Doch
(*) Der einen Pfarr mahlen ließ, wie ihn die Leute haben wolten.
N 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <lg type="poem">
          <lg n="138">
            <l>
              <pb facs="#f0207" n="197"/>
              <fw place="top" type="header">1729.</fw>
            </l><lb/>
            <l>Jhr, die ihr Babel &#x017F;chleiffen <hi rendition="#fr">ko&#x0364;nt</hi> und <hi rendition="#fr">&#x017F;olt,</hi></l><lb/>
            <l>Wann ihr nur Hirten-Knaben werden wolt!</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="139">
            <l>Hat nicht <hi rendition="#fr">der Mann,</hi> den euer Seufzen nennt,</l><lb/>
            <l>An einem Ort ein doppelt Gut vereinet,</l><lb/>
            <l>Das die&#x017F;er Zeit kaum zu verbinden &#x017F;cheinet,</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;o gar wenig Guts bey &#x017F;ammen kennt;</l><lb/>
            <l>Den Ruhm der orthodoxen Reinigkeit,</l><lb/>
            <l>Das Zeugniß, daß die Kirch um Beßrung &#x017F;chreyt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="140">
            <l>Das eben i&#x017F;ts, was mich mit ihm verband,</l><lb/>
            <l>Der ich gantz kein Geheimniß daraus mache,</l><lb/>
            <l>Daß eine Kirch-Verwandlung keine Sache,</l><lb/>
            <l>Denn ohne Glieder hat &#x017F;ie nicht Be&#x017F;tand;</l><lb/>
            <l>Daß aber auch in ieglicher Gemein</l><lb/>
            <l>Ein Mu&#x017F;ter von der Kirche &#x017F;olte &#x017F;eyn.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="141">
            <l>Wenn ein Student den Kopf mit Bildern fu&#x0364;llt,</l><lb/>
            <l>Wie eine Kirchen-Republic zu tichten,</l><lb/>
            <l>Und will derein&#x017F;t &#x017F;ein Kirch&#x017F;piel darnach richten,</l><lb/>
            <l>J&#x017F;ts eben wie mit Doctor Luthers Bild: <note place="foot" n="(*)">Der einen Pfarr mahlen ließ, wie ihn die Leute haben wolten.</note></l><lb/>
            <l>Doch wehe dem, der davon nichts ver&#x017F;teht,</l><lb/>
            <l>Was mitten im Verderben gleichwol geht.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="142">
            <l>Wer <hi rendition="#fr">Luthern</hi> nennt, der hat den Ru&#x0364;cken frey.</l><lb/>
            <l>Nun hat uns Doctor <hi rendition="#fr">Luther</hi> hinterla&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Und zwar im Bu&#x0364;chlein, das die Kinder fa&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Daß die&#x017F;es er&#x017F;t die rechte Kirche &#x017F;ey:<lb/><hi rendition="#fr">Wo man das Wort der Wahrheit lauter lehrt,</hi></l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Und wo &#x017F;ich auch das Volck dadurch bekehrt.</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <lg n="143">
            <l>Die Lehre halt ich u&#x0364;ber Hof und Hauß.</l><lb/>
            <l>Zwar wagts die Welt mit un&#x017F;ers Mei&#x017F;ters Lehren,</l><lb/>
            <l>Sie ihn und her zu wenden und zu kehren;</l><lb/>
            <l>Wo aber <hi rendition="#fr">die</hi> verkehrt wird, &#x017F;o i&#x017F;ts aus:</l><lb/>
            <l>Und bleibet &#x017F;ie, (wie billig,) ewig wahr,</l><lb/>
            <l>Was fehlt uns noch am Atti&#x017F;chen Altar?</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="144">
            <l>Der <hi rendition="#fr">&#x017F;elge Mann</hi> wars vo&#x0364;llig u&#x0364;berzeugt.</l><lb/>
            <l>Er hofte zwar, es &#x017F;olte &#x017F;ich noch geben,</l><lb/>
            <l>Es wu&#x0364;rde &#x017F;ich die Hu&#x0364;tte GOttes heben,</l><lb/>
            <l>Zu der er &#x017F;ein Ge&#x017F;chenck mit dargereicht.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Doch</fw><lb/></l>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0207] 1729. Jhr, die ihr Babel ſchleiffen koͤnt und ſolt, Wann ihr nur Hirten-Knaben werden wolt! Hat nicht der Mann, den euer Seufzen nennt, An einem Ort ein doppelt Gut vereinet, Das dieſer Zeit kaum zu verbinden ſcheinet, Die ſo gar wenig Guts bey ſammen kennt; Den Ruhm der orthodoxen Reinigkeit, Das Zeugniß, daß die Kirch um Beßrung ſchreyt. Das eben iſts, was mich mit ihm verband, Der ich gantz kein Geheimniß daraus mache, Daß eine Kirch-Verwandlung keine Sache, Denn ohne Glieder hat ſie nicht Beſtand; Daß aber auch in ieglicher Gemein Ein Muſter von der Kirche ſolte ſeyn. Wenn ein Student den Kopf mit Bildern fuͤllt, Wie eine Kirchen-Republic zu tichten, Und will dereinſt ſein Kirchſpiel darnach richten, Jſts eben wie mit Doctor Luthers Bild: (*) Doch wehe dem, der davon nichts verſteht, Was mitten im Verderben gleichwol geht. Wer Luthern nennt, der hat den Ruͤcken frey. Nun hat uns Doctor Luther hinterlaſſen, Und zwar im Buͤchlein, das die Kinder faſſen, Daß dieſes erſt die rechte Kirche ſey: Wo man das Wort der Wahrheit lauter lehrt, Und wo ſich auch das Volck dadurch bekehrt. Die Lehre halt ich uͤber Hof und Hauß. Zwar wagts die Welt mit unſers Meiſters Lehren, Sie ihn und her zu wenden und zu kehren; Wo aber die verkehrt wird, ſo iſts aus: Und bleibet ſie, (wie billig,) ewig wahr, Was fehlt uns noch am Attiſchen Altar? Der ſelge Mann wars voͤllig uͤberzeugt. Er hofte zwar, es ſolte ſich noch geben, Es wuͤrde ſich die Huͤtte GOttes heben, Zu der er ſein Geſchenck mit dargereicht. Doch (*) Der einen Pfarr mahlen ließ, wie ihn die Leute haben wolten. N 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/207
Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/207>, abgerufen am 24.11.2024.