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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1732.

Auf deinem Mutter Hertzen trägst,
Und an der Werckstatt ihrer Höle
Stets neue Treu vor Augen legst;
Erhalte uns nach deinem Willen,
Biß jedes sich, du Seelen-Mann,
Jn deinen blutgen Wunden stillen,
Und deines Joches rühmen kan.

CIV. Auf Clemens Thiemen Superinten-
denten in Colditz, da er entschla-
fen war.
Mein Clemens! kan das seyn;
Das theu'r erworbne Guth,
Das Füncklein Abend-Schein,
Dein liebes Herrenhuth, (*)
Daß
(*) Der seel. Mann hatte ein groß Verlangen nach Herrnhuth,
er reisete, wie man zu reden pflegt, alle Jahr zu uns, und
wir hatten ebenfalls hertzlich gewünscht, ihn bey uns zu sehen,
weil uns sehr viel, daran gelegen war, bey denen bedenckli-
chen in- und äussern Umständen, darinnen sich unsere Gemei-
ne befande, alte erfahrne Männer an Ort und Stelle zu Rath
zu ziehen. Der HErr aber, der die Ehre allein haben wolte, hat
es uns so gut nicht werden lassen. Er drückt sich einmahl über
diese Reise also aus: Er habe mein Erinnerungs-Schreiben
mit hertzlichem Kuß empfangen, um so vielmehr, als die gan-
tze Gemeine der Heiligen unsers Orts nach ihm aussähe, und o"
wie sehnlich verlangte er vielmehr sie zu sehen, damit er uns"
auch etwas geistlicher Gaben mittheilen könne, uns zu stärcken,"
d. i. daß er samt uns getröstet würde durch unseren und seinen"
Glauben, auch das Gedächtniß eines vollendeten Mit-Strei-"
ters (des sel Melch. Nitschmanns) (vielleicht nach dem Ex-"
empel unserer allerersten und besten Vorfahren im Christen-"
thum bey den Gräbern der Heil. Märtyrer) Christ-feyerlich"
und sehr erfreulich mit begehen möge, wenn nicht die göttli-"
che Gewalt ihn mit Stein-Beschwerung so angegriffen, daß er"
einen so weiten Weg zu reisen nicht wagen dürffe, so aber der"
HErr wolle, und er lebe, solle es mit nächsten geschehen. Jn-"
dessen, ob er wohl dem Fleische nach nicht da sey, so wäre er"
aber im Geiste bey uns, freuete sich und sähe unsere Ord-"
nungen und unsern festen Glauben an Christum, welches er"
mit vielen andern Ausdrücken begleitet, welche man aus Be-
scheidenheit nicht anführen kan.

1732.

Auf deinem Mutter Hertzen traͤgſt,
Und an der Werckſtatt ihrer Hoͤle
Stets neue Treu vor Augen legſt;
Erhalte uns nach deinem Willen,
Biß jedes ſich, du Seelen-Mann,
Jn deinen blutgen Wunden ſtillen,
Und deines Joches ruͤhmen kan.

CIV. Auf Clemens Thiemen Superinten-
denten in Colditz, da er entſchla-
fen war.
Mein Clemens! kan das ſeyn;
Das theu’r erworbne Guth,
Das Fuͤncklein Abend-Schein,
Dein liebes Herrenhuth, (*)
Daß
(*) Der ſeel. Mann hatte ein groß Verlangen nach Herrnhuth,
er reiſete, wie man zu reden pflegt, alle Jahr zu uns, und
wir hatten ebenfalls hertzlich gewuͤnſcht, ihn bey uns zu ſehen,
weil uns ſehr viel, daran gelegen war, bey denen bedenckli-
chen in- und aͤuſſern Umſtaͤnden, darinnen ſich unſere Gemei-
ne befande, alte erfahrne Maͤnner an Ort und Stelle zu Rath
zu ziehen. Der HErr aber, der die Ehre allein haben wolte, hat
es uns ſo gut nicht werden laſſen. Er druͤckt ſich einmahl uͤber
dieſe Reiſe alſo aus: Er habe mein Erinnerungs-Schreiben
mit hertzlichem Kuß empfangen, um ſo vielmehr, als die gan-
tze Gemeine der Heiligen unſers Orts nach ihm ausſaͤhe, und o„
wie ſehnlich verlangte er vielmehr ſie zu ſehen, damit er uns„
auch etwas geiſtlicher Gaben mittheilen koͤñe, uns zu ſtaͤrcken,„
d. i. daß er ſamt uns getroͤſtet wuͤrde durch unſeren und ſeinen„
Glauben, auch das Gedaͤchtniß eines vollendeten Mit-Strei-„
ters (des ſel Melch. Nitſchmanns) (vielleicht nach dem Ex-„
empel unſerer allererſten und beſten Vorfahren im Chriſten-„
thum bey den Graͤbern der Heil. Maͤrtyrer) Chriſt-feyerlich„
und ſehr erfreulich mit begehen moͤge, wenn nicht die goͤttli-„
che Gewalt ihn mit Stein-Beſchwerung ſo angegriffen, daß er„
einen ſo weiten Weg zu reiſen nicht wagen duͤrffe, ſo aber der„
HErr wolle, und er lebe, ſolle es mit naͤchſten geſchehen. Jn-„
deſſen, ob er wohl dem Fleiſche nach nicht da ſey, ſo waͤre er„
aber im Geiſte bey uns, freuete ſich und ſaͤhe unſere Ord-„
nungen und unſern feſten Glauben an Chriſtum, welches er„
mit vielen andern Ausdruͤcken begleitet, welche man aus Be-
ſcheidenheit nicht anfuͤhren kan.
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[246/0256] 1732. Auf deinem Mutter Hertzen traͤgſt, Und an der Werckſtatt ihrer Hoͤle Stets neue Treu vor Augen legſt; Erhalte uns nach deinem Willen, Biß jedes ſich, du Seelen-Mann, Jn deinen blutgen Wunden ſtillen, Und deines Joches ruͤhmen kan. CIV. Auf Clemens Thiemen Superinten- denten in Colditz, da er entſchla- fen war. Mein Clemens! kan das ſeyn; Das theu’r erworbne Guth, Das Fuͤncklein Abend-Schein, Dein liebes Herrenhuth, (*) Daß (*) Der ſeel. Mann hatte ein groß Verlangen nach Herrnhuth, er reiſete, wie man zu reden pflegt, alle Jahr zu uns, und wir hatten ebenfalls hertzlich gewuͤnſcht, ihn bey uns zu ſehen, weil uns ſehr viel, daran gelegen war, bey denen bedenckli- chen in- und aͤuſſern Umſtaͤnden, darinnen ſich unſere Gemei- ne befande, alte erfahrne Maͤnner an Ort und Stelle zu Rath zu ziehen. Der HErr aber, der die Ehre allein haben wolte, hat es uns ſo gut nicht werden laſſen. Er druͤckt ſich einmahl uͤber dieſe Reiſe alſo aus: Er habe mein Erinnerungs-Schreiben mit hertzlichem Kuß empfangen, um ſo vielmehr, als die gan- tze Gemeine der Heiligen unſers Orts nach ihm ausſaͤhe, und o„ wie ſehnlich verlangte er vielmehr ſie zu ſehen, damit er uns„ auch etwas geiſtlicher Gaben mittheilen koͤñe, uns zu ſtaͤrcken,„ d. i. daß er ſamt uns getroͤſtet wuͤrde durch unſeren und ſeinen„ Glauben, auch das Gedaͤchtniß eines vollendeten Mit-Strei-„ ters (des ſel Melch. Nitſchmanns) (vielleicht nach dem Ex-„ empel unſerer allererſten und beſten Vorfahren im Chriſten-„ thum bey den Graͤbern der Heil. Maͤrtyrer) Chriſt-feyerlich„ und ſehr erfreulich mit begehen moͤge, wenn nicht die goͤttli-„ che Gewalt ihn mit Stein-Beſchwerung ſo angegriffen, daß er„ einen ſo weiten Weg zu reiſen nicht wagen duͤrffe, ſo aber der„ HErr wolle, und er lebe, ſolle es mit naͤchſten geſchehen. Jn-„ deſſen, ob er wohl dem Fleiſche nach nicht da ſey, ſo waͤre er„ aber im Geiſte bey uns, freuete ſich und ſaͤhe unſere Ord-„ nungen und unſern feſten Glauben an Chriſtum, welches er„ mit vielen andern Ausdruͤcken begleitet, welche man aus Be- ſcheidenheit nicht anfuͤhren kan.

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/256>, abgerufen am 22.11.2024.