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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1732.

Als er das Heyl der Welt umfieng!
Wer einem doch Bericht ertheilte!
Mir ists ein unbegreiflich Ding.

Gewiß, wer seinen Heyland liebet,
Und liebt zugleich sein Eigenthum;
Der wird erfreuet und betrübet,
Durch Christi Schande oder Ruhm.
Jch bitte meinen Seelen-Werber:
Er wende nur die Schmach von mir,
Darüber ich kein Leiden härber,
Und keinen grössern Schmertzen spür.
Jch meyne, JEsum Christum nennen,
Und seinem Hertzen ferne seyn;
Sich selber nicht im Grunde kennen,
Und also nicht um Gnade schreyn:
Weil aber Fleisch und Blut commode,
Und sichs nicht gerne sauer macht,
Ein Christenthum auf seine Mode
Ersehen, das die Welt erdacht.
Zwey Dinge sind, die unsre Seele
Der Seeligkeit entgegen führn:
Das erste ist die Wunden-Höle
Wenn wir uns dahinein verliern;
Das andre, Christi Joch, das linde.
Das erste bringet uns zur Ruh:
Das andre lencket uns geschwinde
Und sicher auf die Schrancken zu.
Hat jemand ein verklärtes Auge,
Dem Heyland in sein Hertz zu sehn;
Der wisse, daß er gar nichts tauge,
Und, daß es um sein Heyl geschehn.
Hat aber jemand Gnade funden,
Und will nicht in die Streiter-Bahn,
Darinn die Zeugen überwunden;
Der giebt die Gnade wieder an.
HErr! der du unsre arme Seele
Auf
Q 3

1732.

Als er das Heyl der Welt umfieng!
Wer einem doch Bericht ertheilte!
Mir iſts ein unbegreiflich Ding.

Gewiß, wer ſeinen Heyland liebet,
Und liebt zugleich ſein Eigenthum;
Der wird erfreuet und betruͤbet,
Durch Chriſti Schande oder Ruhm.
Jch bitte meinen Seelen-Werber:
Er wende nur die Schmach von mir,
Daruͤber ich kein Leiden haͤrber,
Und keinen groͤſſern Schmertzen ſpuͤr.
Jch meyne, JEſum Chriſtum nennen,
Und ſeinem Hertzen ferne ſeyn;
Sich ſelber nicht im Grunde kennen,
Und alſo nicht um Gnade ſchreyn:
Weil aber Fleiſch und Blut commode,
Und ſichs nicht gerne ſauer macht,
Ein Chriſtenthum auf ſeine Mode
Erſehen, das die Welt erdacht.
Zwey Dinge ſind, die unſre Seele
Der Seeligkeit entgegen fuͤhrn:
Das erſte iſt die Wunden-Hoͤle
Wenn wir uns dahinein verliern;
Das andre, Chriſti Joch, das linde.
Das erſte bringet uns zur Ruh:
Das andre lencket uns geſchwinde
Und ſicher auf die Schrancken zu.
Hat jemand ein verklaͤrtes Auge,
Dem Heyland in ſein Hertz zu ſehn;
Der wiſſe, daß er gar nichts tauge,
Und, daß es um ſein Heyl geſchehn.
Hat aber jemand Gnade funden,
Und will nicht in die Streiter-Bahn,
Darinn die Zeugen uͤberwunden;
Der giebt die Gnade wieder an.
HErr! der du unſre arme Seele
Auf
Q 3
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[245/0255] 1732. Als er das Heyl der Welt umfieng! Wer einem doch Bericht ertheilte! Mir iſts ein unbegreiflich Ding. Gewiß, wer ſeinen Heyland liebet, Und liebt zugleich ſein Eigenthum; Der wird erfreuet und betruͤbet, Durch Chriſti Schande oder Ruhm. Jch bitte meinen Seelen-Werber: Er wende nur die Schmach von mir, Daruͤber ich kein Leiden haͤrber, Und keinen groͤſſern Schmertzen ſpuͤr. Jch meyne, JEſum Chriſtum nennen, Und ſeinem Hertzen ferne ſeyn; Sich ſelber nicht im Grunde kennen, Und alſo nicht um Gnade ſchreyn: Weil aber Fleiſch und Blut commode, Und ſichs nicht gerne ſauer macht, Ein Chriſtenthum auf ſeine Mode Erſehen, das die Welt erdacht. Zwey Dinge ſind, die unſre Seele Der Seeligkeit entgegen fuͤhrn: Das erſte iſt die Wunden-Hoͤle Wenn wir uns dahinein verliern; Das andre, Chriſti Joch, das linde. Das erſte bringet uns zur Ruh: Das andre lencket uns geſchwinde Und ſicher auf die Schrancken zu. Hat jemand ein verklaͤrtes Auge, Dem Heyland in ſein Hertz zu ſehn; Der wiſſe, daß er gar nichts tauge, Und, daß es um ſein Heyl geſchehn. Hat aber jemand Gnade funden, Und will nicht in die Streiter-Bahn, Darinn die Zeugen uͤberwunden; Der giebt die Gnade wieder an. HErr! der du unſre arme Seele Auf Q 3

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/255>, abgerufen am 22.11.2024.