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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1733.
Drum ist der Mißverstand und klägliche Verstoß
Der Menschen, die sich sonst der Gnade rühmen müssen:
Sie stellen das Geschäfft der Seeligkeit zu bloß,
Sie setzens ins Gebot, in Formen-Ding, in Wissen,
Jn Künsteln, in Begriff, in deutlichen Verstand;
Nur Eins, das Einige, bleibt ihnen unbekannt.
Drum spricht der grosse Mann, auf welchen Juda hofft,
Und den auch Mahomet den Friede-Fürsten nennet,
Wir aber unsern Herrn; drum saget er so oft,

Der Zeuge, der den Quell der tieffen Gottheit kennet,
Der aus des Vaters Schoß zum letzten Zeugniß kam,
Er sagt: Der Mensch ist Braut, und GOtt ist Bräutigam.
Jhr Menschen (fährt er fort) der erste Mensche fiel,
Und hat sich GOttes Feind zur Knechtschaft überlassen;
Und dünckt euchs fremden Fall zu büssen allzuviel,
So prüfft euch, pflegt ihr GOtt nicht vor euch selbst zu
hassen?

Doch den Zusammenhang laßt nur auf sich beruhn.
Jhr könnet, wann ihr wollt, was wesentliches thun.
Jch habe, (wundert euch des grossen Handels nicht,
Jhr lernt die Liebe erst, ich bin die Liebe selber)
Jch habe diesen Fall und diesen Fluch geschlicht,
Jch werd ein Mensch wie ihr, ein Opffer wie die Käl[-]
ber.

Die menschliche Vernunfft spricht Nein, das Hertz spricht
Ja,

Macht nur, daß euer Will zum Hertzens-Grunde nah.
O eine seelige, o Heyls-Confußion!
Wann in dem steinernen Gemüth das Wort der Gna-
den,

Mit einem schmetternden doch angenehmen Thon,
Den Witz betäuben kan, den Muth zur Liebe laden.
Die Predigt, die das thut, heißt Evangelium;
Die Welt ist taub dazu, und manche Lehrer stumm.
HErr JEsu, etliche, die Hertzog Eberhard,
Ein Amtmann deines Reichs (dann du bist HErr auf Er-
den)
Jn
1733.
Drum iſt der Mißverſtand und klaͤgliche Verſtoß
Der Menſchen, die ſich ſonſt der Gnade ruͤhmen muͤſſen:
Sie ſtellen das Geſchaͤfft der Seeligkeit zu bloß,
Sie ſetzens ins Gebot, in Formen-Ding, in Wiſſen,
Jn Kuͤnſteln, in Begriff, in deutlichen Verſtand;
Nur Eins, das Einige, bleibt ihnen unbekannt.
Drum ſpricht der groſſe Mann, auf welchen Juda hofft,
Und den auch Mahomet den Friede-Fuͤrſten nennet,
Wir aber unſern Herrn; drum ſaget er ſo oft,

Der Zeuge, der den Quell der tieffen Gottheit kennet,
Der aus des Vaters Schoß zum letzten Zeugniß kam,
Er ſagt: Der Menſch iſt Braut, und GOtt iſt Braͤutigam.
Jhr Menſchen (faͤhrt er fort) der erſte Menſche fiel,
Und hat ſich GOttes Feind zur Knechtſchaft uͤberlaſſen;
Und duͤnckt euchs fremden Fall zu buͤſſen allzuviel,
So pruͤfft euch, pflegt ihr GOtt nicht vor euch ſelbſt zu
haſſen?

Doch den Zuſammenhang laßt nur auf ſich beruhn.
Jhr koͤnnet, wann ihr wollt, was weſentliches thun.
Jch habe, (wundert euch des groſſen Handels nicht,
Jhr lernt die Liebe erſt, ich bin die Liebe ſelber)
Jch habe dieſen Fall und dieſen Fluch geſchlicht,
Jch werd ein Menſch wie ihr, ein Opffer wie die Kaͤl[-]
ber.

Die menſchliche Vernunfft ſpricht Nein, das Hertz ſpricht
Ja,

Macht nur, daß euer Will zum Hertzens-Grunde nah.
O eine ſeelige, o Heyls-Confußion!
Wann in dem ſteinernen Gemuͤth das Wort der Gna-
den,

Mit einem ſchmetternden doch angenehmen Thon,
Den Witz betaͤuben kan, den Muth zur Liebe laden.
Die Predigt, die das thut, heißt Evangelium;
Die Welt iſt taub dazu, und manche Lehrer ſtumm.
HErr JEſu, etliche, die Hertzog Eberhard,
Ein Amtmann deines Reichs (dann du biſt HErr auf Er-
den)
Jn
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[276/0286] 1733. Drum iſt der Mißverſtand und klaͤgliche Verſtoß Der Menſchen, die ſich ſonſt der Gnade ruͤhmen muͤſſen: Sie ſtellen das Geſchaͤfft der Seeligkeit zu bloß, Sie ſetzens ins Gebot, in Formen-Ding, in Wiſſen, Jn Kuͤnſteln, in Begriff, in deutlichen Verſtand; Nur Eins, das Einige, bleibt ihnen unbekannt. Drum ſpricht der groſſe Mann, auf welchen Juda hofft, Und den auch Mahomet den Friede-Fuͤrſten nennet, Wir aber unſern Herrn; drum ſaget er ſo oft, Der Zeuge, der den Quell der tieffen Gottheit kennet, Der aus des Vaters Schoß zum letzten Zeugniß kam, Er ſagt: Der Menſch iſt Braut, und GOtt iſt Braͤutigam. Jhr Menſchen (faͤhrt er fort) der erſte Menſche fiel, Und hat ſich GOttes Feind zur Knechtſchaft uͤberlaſſen; Und duͤnckt euchs fremden Fall zu buͤſſen allzuviel, So pruͤfft euch, pflegt ihr GOtt nicht vor euch ſelbſt zu haſſen? Doch den Zuſammenhang laßt nur auf ſich beruhn. Jhr koͤnnet, wann ihr wollt, was weſentliches thun. Jch habe, (wundert euch des groſſen Handels nicht, Jhr lernt die Liebe erſt, ich bin die Liebe ſelber) Jch habe dieſen Fall und dieſen Fluch geſchlicht, Jch werd ein Menſch wie ihr, ein Opffer wie die Kaͤl- ber. Die menſchliche Vernunfft ſpricht Nein, das Hertz ſpricht Ja, Macht nur, daß euer Will zum Hertzens-Grunde nah. O eine ſeelige, o Heyls-Confußion! Wann in dem ſteinernen Gemuͤth das Wort der Gna- den, Mit einem ſchmetternden doch angenehmen Thon, Den Witz betaͤuben kan, den Muth zur Liebe laden. Die Predigt, die das thut, heißt Evangelium; Die Welt iſt taub dazu, und manche Lehrer ſtumm. HErr JEſu, etliche, die Hertzog Eberhard, Ein Amtmann deines Reichs (dann du biſt HErr auf Er- den) Jn

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/286>, abgerufen am 22.11.2024.