Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.1722. Dein liebes Land, das längst mit vielem Guten prangt,Erfreut sich, daß dir GOtt das Beste selbst erkohren. Die theure Mutter wird voll Lobs und Dancken seyn; Die Schwestern voller Trost, die Freunde voll Vergnügen; Die Diener stimmen ja vermuthlich alle ein; Und jeder Redliche; ein Danck-Lied beyzufügen. Es fehlet auch gewiß an guten Wünschen nicht; Und wenn du beten hilffst, GOtt wird sie alle hören: Jch leistete vorhin die brüderliche Pflicht, Und ietzo soll dis Wort auch seinen Leser lehren. Es war das Lobe-Lied der Sache gantz gemäß, Darinn ich zu Castell die Wunder GOttes priese, Der eine tadelte, der andre rühmte es, Womit sich der Verstand von solchen Sachen wiese. Jndessen weil es doch noch Kinder GOttes hat, Die ihres Vaters Hand zu küssen sich bequemen; So wiederhole ichs mit wohlbedachtem Rath, Die Freuen zu erfreun, die andern zu beschämen. ARIA, Welche nach der geschehenen Verlobung zu Castell abgesungen wurde. Wie bist du so wunderbar grosser Regente, Der Himmel und Erde und alles bewegt! Ach wenn doch die Menschheit dein Wesen erkennte; So würde dem Sorgen das Handwerck gelegt: Der Eigensinn müste, wie andere Lüste, Dem Vater im Himmel, dem Schöpffer der Erden, Geopffert, und also gebändiget werden. Die Klugheit Ahitophels muste vernarren, So bald sie mit David dem GOttes-Mann stritt: Die Weißheit der Menschen muß gleichfalls erstarren, So bald ein Kind GOttes den Schauplatz betritt. Die göttliche Thoren sind weiser gebohren, Als alle die Weisen, die unter den Sternen, Mit Mühe und Arbeit ihr Wissen erlernen. Das
1722. Dein liebes Land, das laͤngſt mit vielem Guten prangt,Erfreut ſich, daß dir GOtt das Beſte ſelbſt erkohren. Die theure Mutter wird voll Lobs und Dancken ſeyn; Die Schweſtern voller Troſt, die Freunde voll Vergnuͤgen; Die Diener ſtimmen ja vermuthlich alle ein; Und jeder Redliche; ein Danck-Lied beyzufuͤgen. Es fehlet auch gewiß an guten Wuͤnſchen nicht; Und wenn du beten hilffſt, GOtt wird ſie alle hoͤren: Jch leiſtete vorhin die bruͤderliche Pflicht, Und ietzo ſoll dis Wort auch ſeinen Leſer lehren. Es war das Lobe-Lied der Sache gantz gemaͤß, Darinn ich zu Caſtell die Wunder GOttes prieſe, Der eine tadelte, der andre ruͤhmte es, Womit ſich der Verſtand von ſolchen Sachen wieſe. Jndeſſen weil es doch noch Kinder GOttes hat, Die ihres Vaters Hand zu kuͤſſen ſich bequemen; So wiederhole ichs mit wohlbedachtem Rath, Die Freuen zu erfreun, die andern zu beſchaͤmen. ARIA, Welche nach der geſchehenen Verlobung zu Caſtell abgeſungen wurde. Wie biſt du ſo wunderbar groſſer Regente, Der Himmel und Erde und alles bewegt! Ach wenn doch die Menſchheit dein Weſen erkennte; So wuͤrde dem Sorgen das Handwerck gelegt: Der Eigenſinn muͤſte, wie andere Luͤſte, Dem Vater im Himmel, dem Schoͤpffer der Erden, Geopffert, und alſo gebaͤndiget werden. Die Klugheit Ahitophels muſte vernarren, So bald ſie mit David dem GOttes-Mann ſtritt: Die Weißheit der Menſchen muß gleichfalls erſtarren, So bald ein Kind GOttes den Schauplatz betritt. Die goͤttliche Thoren ſind weiſer gebohren, Als alle die Weiſen, die unter den Sternen, Mit Muͤhe und Arbeit ihr Wiſſen erlernen. Das
<TEI> <text> <body> <div> <lg type="poem"> <pb facs="#f0037" n="27"/> <fw place="top" type="header">1722.</fw><lb/> <l>Dein liebes <hi rendition="#fr">Land,</hi> das laͤngſt mit vielem Guten prangt,</l><lb/> <l>Erfreut ſich, daß dir GOtt das Beſte ſelbſt erkohren.</l><lb/> <l>Die <hi rendition="#fr">theure Mutter</hi> wird voll Lobs und Dancken ſeyn;</l><lb/> <l>Die <hi rendition="#fr">Schweſtern</hi> voller Troſt, die Freunde voll Vergnuͤgen;</l><lb/> <l>Die <hi rendition="#fr">Diener</hi> ſtimmen ja vermuthlich alle ein;</l><lb/> <l>Und jeder Redliche; ein Danck-Lied beyzufuͤgen.</l><lb/> <l>Es fehlet auch gewiß an guten Wuͤnſchen nicht;</l><lb/> <l>Und wenn du beten hilffſt, GOtt wird ſie alle hoͤren:</l><lb/> <l>Jch leiſtete vorhin die bruͤderliche Pflicht,</l><lb/> <l>Und ietzo ſoll dis Wort auch ſeinen Leſer lehren.</l><lb/> <l>Es war das Lobe-Lied der Sache gantz gemaͤß,</l><lb/> <l>Darinn ich zu Caſtell die Wunder GOttes prieſe,</l><lb/> <l>Der eine tadelte, der andre ruͤhmte es,</l><lb/> <l>Womit ſich der Verſtand von ſolchen Sachen wieſe.</l><lb/> <l>Jndeſſen weil es doch noch Kinder GOttes hat,</l><lb/> <l>Die ihres Vaters Hand zu kuͤſſen ſich bequemen;</l><lb/> <l>So wiederhole ichs mit wohlbedachtem Rath,</l><lb/> <l>Die <hi rendition="#fr">Freuen</hi> zu erfreun, die <hi rendition="#fr">andern</hi> zu beſchaͤmen.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARIA,</hi></hi><lb/> Welche nach der geſchehenen Verlobung zu<lb/> Caſtell abgeſungen wurde.</hi> </head><lb/> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">W</hi>ie biſt du ſo wunderbar groſſer Regente,</l><lb/> <l>Der Himmel und Erde und alles bewegt!</l><lb/> <l>Ach wenn doch die Menſchheit dein Weſen erkennte;</l><lb/> <l>So wuͤrde dem Sorgen das Handwerck gelegt:</l><lb/> <l>Der Eigenſinn muͤſte, wie andere Luͤſte,</l><lb/> <l>Dem Vater im Himmel, dem Schoͤpffer der Erden,</l><lb/> <l>Geopffert, und alſo gebaͤndiget werden.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die Klugheit Ahitophels muſte vernarren,</l><lb/> <l>So bald ſie mit David dem GOttes-Mann ſtritt:</l><lb/> <l>Die Weißheit der Menſchen muß gleichfalls erſtarren,</l><lb/> <l>So bald ein Kind GOttes den Schauplatz betritt.</l><lb/> <l>Die goͤttliche Thoren ſind weiſer gebohren,</l><lb/> <l>Als alle die Weiſen, die unter den Sternen,</l><lb/> <l>Mit Muͤhe und Arbeit ihr Wiſſen erlernen.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [27/0037]
1722.
Dein liebes Land, das laͤngſt mit vielem Guten prangt,
Erfreut ſich, daß dir GOtt das Beſte ſelbſt erkohren.
Die theure Mutter wird voll Lobs und Dancken ſeyn;
Die Schweſtern voller Troſt, die Freunde voll Vergnuͤgen;
Die Diener ſtimmen ja vermuthlich alle ein;
Und jeder Redliche; ein Danck-Lied beyzufuͤgen.
Es fehlet auch gewiß an guten Wuͤnſchen nicht;
Und wenn du beten hilffſt, GOtt wird ſie alle hoͤren:
Jch leiſtete vorhin die bruͤderliche Pflicht,
Und ietzo ſoll dis Wort auch ſeinen Leſer lehren.
Es war das Lobe-Lied der Sache gantz gemaͤß,
Darinn ich zu Caſtell die Wunder GOttes prieſe,
Der eine tadelte, der andre ruͤhmte es,
Womit ſich der Verſtand von ſolchen Sachen wieſe.
Jndeſſen weil es doch noch Kinder GOttes hat,
Die ihres Vaters Hand zu kuͤſſen ſich bequemen;
So wiederhole ichs mit wohlbedachtem Rath,
Die Freuen zu erfreun, die andern zu beſchaͤmen.
ARIA,
Welche nach der geſchehenen Verlobung zu
Caſtell abgeſungen wurde.
Wie biſt du ſo wunderbar groſſer Regente,
Der Himmel und Erde und alles bewegt!
Ach wenn doch die Menſchheit dein Weſen erkennte;
So wuͤrde dem Sorgen das Handwerck gelegt:
Der Eigenſinn muͤſte, wie andere Luͤſte,
Dem Vater im Himmel, dem Schoͤpffer der Erden,
Geopffert, und alſo gebaͤndiget werden.
Die Klugheit Ahitophels muſte vernarren,
So bald ſie mit David dem GOttes-Mann ſtritt:
Die Weißheit der Menſchen muß gleichfalls erſtarren,
So bald ein Kind GOttes den Schauplatz betritt.
Die goͤttliche Thoren ſind weiſer gebohren,
Als alle die Weiſen, die unter den Sternen,
Mit Muͤhe und Arbeit ihr Wiſſen erlernen.
Das
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |