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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1723.
So wird die Castalis auf euern Lehn-Stuhl stürtzen.
Den einen höret man auf Krieg und Kriegs-Geschrey,
Den andern auf die Lust und Eitelkeiten schmählen;
Der dritte spricht von nichts, als von Pedanterey;
Ein jeder giebt der Zeit ein Mährlein zu erzehlen.
Jch lobe einen Geist der von dem Kinder-Spiel
Der Lob-Gedichte noch in Zeiten überzeuget,
Auf eine Ewigkeit, das kurtze Lebens-Ziel,
Und seiner Thaten Zweck auf GOttes Wege neiget.
Den lob ich, dessen Geist aufs Himmlische gewandt,
Die hin und her zerstreut und eitle Menschen-Kinder
Mit viel Erbarmen trägt, und seinen Ehren-Stand
Darinn alleine sucht: Er sey ein armer Sünder.
Frau, deren Helden-Muth in abgewichner Zeit,
Die hochgelahrte Schaar durch manchen Dichter ehrte,
Nicht so? Der Ruhm behielt gar wenig Herrlichkeit,
Seit dem dich unser HErr selbst etwas bessers lehrte.
Jch meyne, grosse Frau, dein sichrer Ruhe-Port,
Die Anfurth deines Geists aus dieser Welt-Gewirre,
Sey von geraumer Zeit das süsse Hirten-Wort:
Kommt, Schäflein, näher her, kommt rückwerts aus der Jrre!
Dein Heyland hat auch dich, bey früher Tages-Zeit,
Vom Schlaf der Sicherheit lebendig aufgewecket:
Dein Heyland hat auch dich vom Sünden-Joch befreyt,
Darunter deine Seel in tiefer Angst gestecket.
Dein Leben stellet uns ein schönes Muster vor,
Wie man im Zeitlichen kan hochgesegnet bleiben;
Dringt gleich der edle Geist vom Jrrdischen empor,
Und läßt sich eine Macht der Liebe höher treiben.
Wir wenden uns hierauf zum Könige der Zeit,
Der Ewigkeiten Quell, zu unsrer Tage Meister,
Wir bringen ihm ein Lob in Hertzens Lauterkeit:
Kommt, einigt Hertz und Mund mit uns, ihr reinen Geister!
XXV. An seine Gemahlin, als sie 23. Jahr
alt worden.
GEhülffin, die das Lamm mir selber angetraut,
Die seine Liebes-Hand in meine Hand beschlossen,
Und
1723.
So wird die Caſtalis auf euern Lehn-Stuhl ſtuͤrtzen.
Den einen hoͤret man auf Krieg und Kriegs-Geſchrey,
Den andern auf die Luſt und Eitelkeiten ſchmaͤhlen;
Der dritte ſpricht von nichts, als von Pedanterey;
Ein jeder giebt der Zeit ein Maͤhrlein zu erzehlen.
Jch lobe einen Geiſt der von dem Kinder-Spiel
Der Lob-Gedichte noch in Zeiten uͤberzeuget,
Auf eine Ewigkeit, das kurtze Lebens-Ziel,
Und ſeiner Thaten Zweck auf GOttes Wege neiget.
Den lob ich, deſſen Geiſt aufs Himmliſche gewandt,
Die hin und her zerſtreut und eitle Menſchen-Kinder
Mit viel Erbarmen traͤgt, und ſeinen Ehren-Stand
Darinn alleine ſucht: Er ſey ein armer Suͤnder.
Frau, deren Helden-Muth in abgewichner Zeit,
Die hochgelahrte Schaar durch manchen Dichter ehrte,
Nicht ſo? Der Ruhm behielt gar wenig Herrlichkeit,
Seit dem dich unſer HErr ſelbſt etwas beſſers lehrte.
Jch meyne, groſſe Frau, dein ſichrer Ruhe-Port,
Die Anfurth deines Geiſts aus dieſer Welt-Gewirre,
Sey von geraumer Zeit das ſuͤſſe Hirten-Wort:
Kommt, Schaͤflein, naͤher her, kommt ruͤckwerts aus der Jrre!
Dein Heyland hat auch dich, bey fruͤher Tages-Zeit,
Vom Schlaf der Sicherheit lebendig aufgewecket:
Dein Heyland hat auch dich vom Suͤnden-Joch befreyt,
Darunter deine Seel in tiefer Angſt geſtecket.
Dein Leben ſtellet uns ein ſchoͤnes Muſter vor,
Wie man im Zeitlichen kan hochgeſegnet bleiben;
Dringt gleich der edle Geiſt vom Jrrdiſchen empor,
Und laͤßt ſich eine Macht der Liebe hoͤher treiben.
Wir wenden uns hierauf zum Koͤnige der Zeit,
Der Ewigkeiten Quell, zu unſrer Tage Meiſter,
Wir bringen ihm ein Lob in Hertzens Lauterkeit:
Kommt, einigt Hertz und Mund mit uns, ihr reinen Geiſter!
XXV. An ſeine Gemahlin, als ſie 23. Jahr
alt worden.
GEhuͤlffin, die das Lamm mir ſelber angetraut,
Die ſeine Liebes-Hand in meine Hand beſchloſſen,
Und
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[58/0068] 1723. So wird die Caſtalis auf euern Lehn-Stuhl ſtuͤrtzen. Den einen hoͤret man auf Krieg und Kriegs-Geſchrey, Den andern auf die Luſt und Eitelkeiten ſchmaͤhlen; Der dritte ſpricht von nichts, als von Pedanterey; Ein jeder giebt der Zeit ein Maͤhrlein zu erzehlen. Jch lobe einen Geiſt der von dem Kinder-Spiel Der Lob-Gedichte noch in Zeiten uͤberzeuget, Auf eine Ewigkeit, das kurtze Lebens-Ziel, Und ſeiner Thaten Zweck auf GOttes Wege neiget. Den lob ich, deſſen Geiſt aufs Himmliſche gewandt, Die hin und her zerſtreut und eitle Menſchen-Kinder Mit viel Erbarmen traͤgt, und ſeinen Ehren-Stand Darinn alleine ſucht: Er ſey ein armer Suͤnder. Frau, deren Helden-Muth in abgewichner Zeit, Die hochgelahrte Schaar durch manchen Dichter ehrte, Nicht ſo? Der Ruhm behielt gar wenig Herrlichkeit, Seit dem dich unſer HErr ſelbſt etwas beſſers lehrte. Jch meyne, groſſe Frau, dein ſichrer Ruhe-Port, Die Anfurth deines Geiſts aus dieſer Welt-Gewirre, Sey von geraumer Zeit das ſuͤſſe Hirten-Wort: Kommt, Schaͤflein, naͤher her, kommt ruͤckwerts aus der Jrre! Dein Heyland hat auch dich, bey fruͤher Tages-Zeit, Vom Schlaf der Sicherheit lebendig aufgewecket: Dein Heyland hat auch dich vom Suͤnden-Joch befreyt, Darunter deine Seel in tiefer Angſt geſtecket. Dein Leben ſtellet uns ein ſchoͤnes Muſter vor, Wie man im Zeitlichen kan hochgeſegnet bleiben; Dringt gleich der edle Geiſt vom Jrrdiſchen empor, Und laͤßt ſich eine Macht der Liebe hoͤher treiben. Wir wenden uns hierauf zum Koͤnige der Zeit, Der Ewigkeiten Quell, zu unſrer Tage Meiſter, Wir bringen ihm ein Lob in Hertzens Lauterkeit: Kommt, einigt Hertz und Mund mit uns, ihr reinen Geiſter! XXV. An ſeine Gemahlin, als ſie 23. Jahr alt worden. GEhuͤlffin, die das Lamm mir ſelber angetraut, Die ſeine Liebes-Hand in meine Hand beſchloſſen, Und

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/68>, abgerufen am 29.04.2024.