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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1723.
Ein Fleck, ein kleiner Staub, was sonst kein Auge kennt,
Was sonderlich die Lieb am allerschwersten siehet,
Das alles ist man hie genau zu sehn bemühet;
Weil Stund und Augenblick zum Hochzeit-Tage rennt.
Wenn man sich allemal nicht recht zu helffen weiß,
So geht man eilends hin dem Bräutigam zu beichten,
Der läßt von seinem Thron ins Hertz den Scepter leuchten,
Und winckt der Seele denn zurück ins rechte Gleiß.
Mein anvertrautes Pfand! ich könte, was ich hier
Mit Redlichkeit gesagt, durchs Wort des HErrn beweisen:
Doch der gewohnet ist, sich selbst an dir zu preisen,
Der hats vor mich gethan, daran genüget dir.
Wir giengen heute hin zum theuren Bräutigam,
Wir banden unsre Last auf seinen breiten Rücken,
Und liessen uns davor von ihm aufs beste schmücken,
Der unser beyder Amt vor dißmal auf sich nahm.
Nun gehts von neuen an, die Monden, die der HErr
Zu unsrer Schmückungs-Pracht uns gnädig zugeleget,
Biß er sein Bräut'gams-Bild uns recht ins Hertz gepräget,
Die eilen, und der Tag der Hochzeit näher her.
Die Monden laßt uns doch von heute, liebes Kind!
Sie währen noch so lang, vor eintzle Tage halten;
Damit wir in dem Ernst nicht säumen noch erkalten,
Und uns das Braut-Geschrey mit heller Lampe find.
Gelobet sey der HErr, der von dem Tage an,
Da vor drey Jahren er dich krästig aufgewecket,
Mit seiner Heiligkeit dich seliglich erschrecket,
Und so ins Licht gestellt, viel Heyl an dir gethan.
Diß heute soll dir wol ein theures heute seyn,
Der Tag, Mariä Heyl, fand dich zu JEsu Füssen,
Vor Liebes-Zärtlichkeit, und selger Reu zerfliessen;
Drum bindt er dich auch an mit der Mariä Theil.
Und solte er dir nicht nunmehr ein gantzes Hertz,
(Wie du das deine ihm) zum Angebinde schencken,

Er hat es zugesagt, er wird daran gedencken,
Gedencke du doch auch so fleißig Himmel-werts.
An
1723.
Ein Fleck, ein kleiner Staub, was ſonſt kein Auge kennt,
Was ſonderlich die Lieb am allerſchwerſten ſiehet,
Das alles iſt man hie genau zu ſehn bemuͤhet;
Weil Stund und Augenblick zum Hochzeit-Tage rennt.
Wenn man ſich allemal nicht recht zu helffen weiß,
So geht man eilends hin dem Braͤutigam zu beichten,
Der laͤßt von ſeinem Thron ins Hertz den Scepter leuchten,
Und winckt der Seele denn zuruͤck ins rechte Gleiß.
Mein anvertrautes Pfand! ich koͤnte, was ich hier
Mit Redlichkeit geſagt, durchs Wort des HErrn beweiſen:
Doch der gewohnet iſt, ſich ſelbſt an dir zu preiſen,
Der hats vor mich gethan, daran genuͤget dir.
Wir giengen heute hin zum theuren Braͤutigam,
Wir banden unſre Laſt auf ſeinen breiten Ruͤcken,
Und lieſſen uns davor von ihm aufs beſte ſchmuͤcken,
Der unſer beyder Amt vor dißmal auf ſich nahm.
Nun gehts von neuen an, die Monden, die der HErr
Zu unſrer Schmuͤckungs-Pracht uns gnaͤdig zugeleget,
Biß er ſein Braͤut’gams-Bild uns recht ins Hertz gepraͤget,
Die eilen, und der Tag der Hochzeit naͤher her.
Die Monden laßt uns doch von heute, liebes Kind!
Sie waͤhren noch ſo lang, vor eintzle Tage halten;
Damit wir in dem Ernſt nicht ſaͤumen noch erkalten,
Und uns das Braut-Geſchrey mit heller Lampe find.
Gelobet ſey der HErr, der von dem Tage an,
Da vor drey Jahren er dich kraͤſtig aufgewecket,
Mit ſeiner Heiligkeit dich ſeliglich erſchrecket,
Und ſo ins Licht geſtellt, viel Heyl an dir gethan.
Diß heute ſoll dir wol ein theures heute ſeyn,
Der Tag, Mariaͤ Heyl, fand dich zu JEſu Fuͤſſen,
Vor Liebes-Zaͤrtlichkeit, und ſelger Reu zerflieſſen;
Drum bindt er dich auch an mit der Mariaͤ Theil.
Und ſolte er dir nicht nunmehr ein gantzes Hertz,
(Wie du das deine ihm) zum Angebinde ſchencken,

Er hat es zugeſagt, er wird daran gedencken,
Gedencke du doch auch ſo fleißig Himmel-werts.
An
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[60/0070] 1723. Ein Fleck, ein kleiner Staub, was ſonſt kein Auge kennt, Was ſonderlich die Lieb am allerſchwerſten ſiehet, Das alles iſt man hie genau zu ſehn bemuͤhet; Weil Stund und Augenblick zum Hochzeit-Tage rennt. Wenn man ſich allemal nicht recht zu helffen weiß, So geht man eilends hin dem Braͤutigam zu beichten, Der laͤßt von ſeinem Thron ins Hertz den Scepter leuchten, Und winckt der Seele denn zuruͤck ins rechte Gleiß. Mein anvertrautes Pfand! ich koͤnte, was ich hier Mit Redlichkeit geſagt, durchs Wort des HErrn beweiſen: Doch der gewohnet iſt, ſich ſelbſt an dir zu preiſen, Der hats vor mich gethan, daran genuͤget dir. Wir giengen heute hin zum theuren Braͤutigam, Wir banden unſre Laſt auf ſeinen breiten Ruͤcken, Und lieſſen uns davor von ihm aufs beſte ſchmuͤcken, Der unſer beyder Amt vor dißmal auf ſich nahm. Nun gehts von neuen an, die Monden, die der HErr Zu unſrer Schmuͤckungs-Pracht uns gnaͤdig zugeleget, Biß er ſein Braͤut’gams-Bild uns recht ins Hertz gepraͤget, Die eilen, und der Tag der Hochzeit naͤher her. Die Monden laßt uns doch von heute, liebes Kind! Sie waͤhren noch ſo lang, vor eintzle Tage halten; Damit wir in dem Ernſt nicht ſaͤumen noch erkalten, Und uns das Braut-Geſchrey mit heller Lampe find. Gelobet ſey der HErr, der von dem Tage an, Da vor drey Jahren er dich kraͤſtig aufgewecket, Mit ſeiner Heiligkeit dich ſeliglich erſchrecket, Und ſo ins Licht geſtellt, viel Heyl an dir gethan. Diß heute ſoll dir wol ein theures heute ſeyn, Der Tag, Mariaͤ Heyl, fand dich zu JEſu Fuͤſſen, Vor Liebes-Zaͤrtlichkeit, und ſelger Reu zerflieſſen; Drum bindt er dich auch an mit der Mariaͤ Theil. Und ſolte er dir nicht nunmehr ein gantzes Hertz, (Wie du das deine ihm) zum Angebinde ſchencken, Er hat es zugeſagt, er wird daran gedencken, Gedencke du doch auch ſo fleißig Himmel-werts. An

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/70>, abgerufen am 29.04.2024.