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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1723.
Euch sey mit wenigem und jederman gesagt:
Wer was in dieser Zeit zu GOttes Ehren wagt,
Da seine Lieb und Furcht nichts mehr auf Erden gelten,
Den kan der treue Zeug' unmöglich drüber schelten.
Wenn alle Herrliche in dieser gantzen Welt,
Wenn auch der meiste Theil sich JEsu zugesellt,
Und schämete sich nicht sein Zeugniß darzugeben;
So möchte man, (und gern,) in größrer Stille leben.
Da aber Christum nicht mit einem Wort bezeugt,
Wer sich ein wenig nur von gutem Schrote deucht,
Und der zu Schmach und Hohn sich wissentlich bequemet,
Wer sich des Heylands nicht vor denen Leuten schämet:
Da sage mir ein Mensch, so klug er ist, er sag:
Ob ich, und wer noch sonst den HErrn bekennen mag,
Die Grossen dieser Welt und andre mehr verdrengen,
Wenn wir uns wenigstens an Christi Fahne hengen?
Nicht so? der heisset doch ein Ehr-vergeßner Mann,
Der einem Fürsten dient, und nimmt sich sein nicht an?
Ob man ihm gleich mit Schwerdt und Stahl nicht mördlich
dräuet,

Jhn aber schändlich höhnt und in die Augen speyet?
Der aber kan ein Christ nach allen Formen seyn,
Der viele Tage geht, und fället ihm nicht ein,
An diesen seinen HErrn bey andern zu gedencken,
Geschweige ihre Gunst um seine zu verschencken.
Wer bist denn du, o Mensch! da, wenn du ungescheut,
Auf deinem Kirchen-Stand, zu GOtt-geweyhter Zeit,
Daß der dein König ist, mit vollem Hals erthönest,
Den du den Abend noch mit Werck und Worten höhnest?
Der Lehrer auf dem Holtz, wo man alleine spricht,
Der rede. Denckest du, er treffe mich nur nicht;
Mir aber, den ein Brief von sechzehn Ahnen crönet,
Gebühret dieses nicht: Wie würd' ich sonst gehöhnet!
O Welt! man schenckte dir die Tändeleyen gern!
Der aufgeschwungne Geist ist von dem allen fern:
Doch soll man Zeit und Zwang in ihren Würden lassen;
Was hindert einen das, um Christi Creutz zu fassen?
Der
1723.
Euch ſey mit wenigem und jederman geſagt:
Wer was in dieſer Zeit zu GOttes Ehren wagt,
Da ſeine Lieb und Furcht nichts mehr auf Erden gelten,
Den kan der treue Zeug’ unmoͤglich druͤber ſchelten.
Wenn alle Herrliche in dieſer gantzen Welt,
Wenn auch der meiſte Theil ſich JEſu zugeſellt,
Und ſchaͤmete ſich nicht ſein Zeugniß darzugeben;
So moͤchte man, (und gern,) in groͤßrer Stille leben.
Da aber Chriſtum nicht mit einem Wort bezeugt,
Wer ſich ein wenig nur von gutem Schrote deucht,
Und der zu Schmach und Hohn ſich wiſſentlich bequemet,
Wer ſich des Heylands nicht vor denen Leuten ſchaͤmet:
Da ſage mir ein Menſch, ſo klug er iſt, er ſag:
Ob ich, und wer noch ſonſt den HErrn bekennen mag,
Die Groſſen dieſer Welt und andre mehr verdrengen,
Wenn wir uns wenigſtens an Chriſti Fahne hengen?
Nicht ſo? der heiſſet doch ein Ehr-vergeßner Mann,
Der einem Fuͤrſten dient, und nimmt ſich ſein nicht an?
Ob man ihm gleich mit Schwerdt und Stahl nicht moͤrdlich
draͤuet,

Jhn aber ſchaͤndlich hoͤhnt und in die Augen ſpeyet?
Der aber kan ein Chriſt nach allen Formen ſeyn,
Der viele Tage geht, und faͤllet ihm nicht ein,
An dieſen ſeinen HErrn bey andern zu gedencken,
Geſchweige ihre Gunſt um ſeine zu verſchencken.
Wer biſt denn du, o Menſch! da, wenn du ungeſcheut,
Auf deinem Kirchen-Stand, zu GOtt-geweyhter Zeit,
Daß der dein Koͤnig iſt, mit vollem Hals erthoͤneſt,
Den du den Abend noch mit Werck und Worten hoͤhneſt?
Der Lehrer auf dem Holtz, wo man alleine ſpricht,
Der rede. Denckeſt du, er treffe mich nur nicht;
Mir aber, den ein Brief von ſechzehn Ahnen croͤnet,
Gebuͤhret dieſes nicht: Wie wuͤrd’ ich ſonſt gehoͤhnet!
O Welt! man ſchenckte dir die Taͤndeleyen gern!
Der aufgeſchwungne Geiſt iſt von dem allen fern:
Doch ſoll man Zeit und Zwang in ihren Wuͤrden laſſen;
Was hindert einen das, um Chriſti Creutz zu faſſen?
Der
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[64/0074] 1723. Euch ſey mit wenigem und jederman geſagt: Wer was in dieſer Zeit zu GOttes Ehren wagt, Da ſeine Lieb und Furcht nichts mehr auf Erden gelten, Den kan der treue Zeug’ unmoͤglich druͤber ſchelten. Wenn alle Herrliche in dieſer gantzen Welt, Wenn auch der meiſte Theil ſich JEſu zugeſellt, Und ſchaͤmete ſich nicht ſein Zeugniß darzugeben; So moͤchte man, (und gern,) in groͤßrer Stille leben. Da aber Chriſtum nicht mit einem Wort bezeugt, Wer ſich ein wenig nur von gutem Schrote deucht, Und der zu Schmach und Hohn ſich wiſſentlich bequemet, Wer ſich des Heylands nicht vor denen Leuten ſchaͤmet: Da ſage mir ein Menſch, ſo klug er iſt, er ſag: Ob ich, und wer noch ſonſt den HErrn bekennen mag, Die Groſſen dieſer Welt und andre mehr verdrengen, Wenn wir uns wenigſtens an Chriſti Fahne hengen? Nicht ſo? der heiſſet doch ein Ehr-vergeßner Mann, Der einem Fuͤrſten dient, und nimmt ſich ſein nicht an? Ob man ihm gleich mit Schwerdt und Stahl nicht moͤrdlich draͤuet, Jhn aber ſchaͤndlich hoͤhnt und in die Augen ſpeyet? Der aber kan ein Chriſt nach allen Formen ſeyn, Der viele Tage geht, und faͤllet ihm nicht ein, An dieſen ſeinen HErrn bey andern zu gedencken, Geſchweige ihre Gunſt um ſeine zu verſchencken. Wer biſt denn du, o Menſch! da, wenn du ungeſcheut, Auf deinem Kirchen-Stand, zu GOtt-geweyhter Zeit, Daß der dein Koͤnig iſt, mit vollem Hals erthoͤneſt, Den du den Abend noch mit Werck und Worten hoͤhneſt? Der Lehrer auf dem Holtz, wo man alleine ſpricht, Der rede. Denckeſt du, er treffe mich nur nicht; Mir aber, den ein Brief von ſechzehn Ahnen croͤnet, Gebuͤhret dieſes nicht: Wie wuͤrd’ ich ſonſt gehoͤhnet! O Welt! man ſchenckte dir die Taͤndeleyen gern! Der aufgeſchwungne Geiſt iſt von dem allen fern: Doch ſoll man Zeit und Zwang in ihren Wuͤrden laſſen; Was hindert einen das, um Chriſti Creutz zu faſſen? Der

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/74>, abgerufen am 29.04.2024.