Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.1724. XXXV. An des Geheimen Conferenz-Mini- stri Frey-Herrn von Gersdorf 45. Geburts-Tag. O Auge! dem des Abgrunds tiefe Schlünde So nahe sind, als die gestirnte Bahn, Es weidet sich dein Blick im Thal der Gründe, Kaum streiffet er die stoltzen Cedern an, Wir wollen dich bey dieser Abend-Zeit Allmächtiger! auf unsre Art erhöhn, Und wären gern von deiner Höh gesehn, Drum bücken wir uns tief mit Niedrigkeit. O Arm! der sich, vom Ursprung an der Dinge, Biß diesen Tag, mit gleicher Kraft geregt, Der nicht bedarf, daß man ihm unterzwinge, Was sich aus Trotz vor seine Stärcke legt, Von dessen Schlag der Erd-Kreiß bebt und kracht; Du hebst und trägst der Deinen kleine Zahl, Du führest sie so sanft durchs Jammerthal, Man übergiebt sich willig deiner Macht. O Grund des Rechts, und richtiger Gedancken! Dieweil du selbst ein GOtt der Ordnung bist; So hältest du auch alles in den Schrancken. Drum wissen wir, daß dirs gefällig ist, Wenn man sich gern vor denen neigen mag, Die deine Macht auf Höhen treten läst. Drum heisset uns das heut'ge Jahres-Fest Ein frölicher und Ehren-voller Tag. Wir ehren den, den heute deine Rechte, Du Lebens-GOtt zum ersten vorgezeigt: Wer liebet nicht sein eigenes Geschlechte? Drum sind wir ihm mit Liebe zugeneigt. Was sollen wir ihm nur zu gute thun? Wir heben ihn in deine gute Hand, (Das liebliche, das feste Liebes-Band,) Da läßt sichs gut, da läßt sichs sicher ruhn. Du F 5
1724. XXXV. An des Geheimen Conferenz-Mini- ſtri Frey-Herrn von Gersdorf 45. Geburts-Tag. O Auge! dem des Abgrunds tiefe Schluͤnde So nahe ſind, als die geſtirnte Bahn, Es weidet ſich dein Blick im Thal der Gruͤnde, Kaum ſtreiffet er die ſtoltzen Cedern an, Wir wollen dich bey dieſer Abend-Zeit Allmaͤchtiger! auf unſre Art erhoͤhn, Und waͤren gern von deiner Hoͤh geſehn, Drum buͤcken wir uns tief mit Niedrigkeit. O Arm! der ſich, vom Urſprung an der Dinge, Biß dieſen Tag, mit gleicher Kraft geregt, Der nicht bedarf, daß man ihm unterzwinge, Was ſich aus Trotz vor ſeine Staͤrcke legt, Von deſſen Schlag der Erd-Kreiß bebt und kracht; Du hebſt und traͤgſt der Deinen kleine Zahl, Du fuͤhreſt ſie ſo ſanft durchs Jammerthal, Man uͤbergiebt ſich willig deiner Macht. O Grund des Rechts, und richtiger Gedancken! Dieweil du ſelbſt ein GOtt der Ordnung biſt; So haͤlteſt du auch alles in den Schrancken. Drum wiſſen wir, daß dirs gefaͤllig iſt, Wenn man ſich gern vor denen neigen mag, Die deine Macht auf Hoͤhen treten laͤſt. Drum heiſſet uns das heut’ge Jahres-Feſt Ein froͤlicher und Ehren-voller Tag. Wir ehren den, den heute deine Rechte, Du Lebens-GOtt zum erſten vorgezeigt: Wer liebet nicht ſein eigenes Geſchlechte? Drum ſind wir ihm mit Liebe zugeneigt. Was ſollen wir ihm nur zu gute thun? Wir heben ihn in deine gute Hand, (Das liebliche, das feſte Liebes-Band,) Da laͤßt ſichs gut, da laͤßt ſichs ſicher ruhn. Du F 5
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1724.
XXXV. An des Geheimen Conferenz-Mini-
ſtri Frey-Herrn von Gersdorf 45.
Geburts-Tag.
O Auge! dem des Abgrunds tiefe Schluͤnde
So nahe ſind, als die geſtirnte Bahn,
Es weidet ſich dein Blick im Thal der Gruͤnde,
Kaum ſtreiffet er die ſtoltzen Cedern an,
Wir wollen dich bey dieſer Abend-Zeit
Allmaͤchtiger! auf unſre Art erhoͤhn,
Und waͤren gern von deiner Hoͤh geſehn,
Drum buͤcken wir uns tief mit Niedrigkeit.
O Arm! der ſich, vom Urſprung an der Dinge,
Biß dieſen Tag, mit gleicher Kraft geregt,
Der nicht bedarf, daß man ihm unterzwinge,
Was ſich aus Trotz vor ſeine Staͤrcke legt,
Von deſſen Schlag der Erd-Kreiß bebt und kracht;
Du hebſt und traͤgſt der Deinen kleine Zahl,
Du fuͤhreſt ſie ſo ſanft durchs Jammerthal,
Man uͤbergiebt ſich willig deiner Macht.
O Grund des Rechts, und richtiger Gedancken!
Dieweil du ſelbſt ein GOtt der Ordnung biſt;
So haͤlteſt du auch alles in den Schrancken.
Drum wiſſen wir, daß dirs gefaͤllig iſt,
Wenn man ſich gern vor denen neigen mag,
Die deine Macht auf Hoͤhen treten laͤſt.
Drum heiſſet uns das heut’ge Jahres-Feſt
Ein froͤlicher und Ehren-voller Tag.
Wir ehren den, den heute deine Rechte,
Du Lebens-GOtt zum erſten vorgezeigt:
Wer liebet nicht ſein eigenes Geſchlechte?
Drum ſind wir ihm mit Liebe zugeneigt.
Was ſollen wir ihm nur zu gute thun?
Wir heben ihn in deine gute Hand,
(Das liebliche, das feſte Liebes-Band,)
Da laͤßt ſichs gut, da laͤßt ſichs ſicher ruhn.
Du
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Zitationshilfe: | Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/99>, abgerufen am 16.02.2025. |