Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite
1725.
Du klares Licht, du Sonne deiner Treuen!
Was dich erblickt, das sehnet sich nach dir,
Wer so wie du sein Wohlthun kan verneuen,
Verneuet leicht der Seinen Liebs-Begier;
Verneue dich dem Vetter heute noch,
Erneure ihm den schönen Liebes-Rath!
Der hat genug, der dich alleine hat;
Noch bindest du gar an ein sanftes Joch.
Was können wir ihm zur Verehrung reichen?
Nicht Geld noch Gut; das hast du schon versehn,
Nicht Ehr und Glück, er trägt davon die Zeichen:
Drum bleibt der Wunsch bey deiner Liebe stehn,
Die gönne ihm noch manches Lebens-Jahr,
Die schencke ihm recht viel Vergnüglichkeit,
Die leite ihn durch diese Wander-Zeit,
Das thue sie, die Liebe: Sie ists gar.
Und Hertz voll Treu, voll ungemeßner Milde,
Das immerdar in lautrer Liebe wallt,
Du festes Schloß, und gegen alle Schilde
Der Widrigen, verwahrter Aufenthalt!
Nur sperr uns da den Einlaß nimmer zu,
Denn wenn die Kraft der Finsterniß bey Nacht
Sich hier und da genug zu schaffen macht;
So finden wir in dir vollkommne Ruh.
XXXVI. Auf Graf Erdman Ludwig
Henckels Ende.
UNd du wirst weggerückt, des Vaters Augen-Weide,
Ein einig lieber Sohn, ein Hofnung-volles Kind!
Wer richtet ihn wol auf bey einem solchen Leide,
Und wie bezeigen wir, was treue Brüder sind?
Hier, schreibet mir ein Freund, soll sich dein Kiel bemühn:
Das ists auch, was ich kan, die Liebe tröste ihn.
Nur möcht' ein andrer Kopf den Plan dazu entwerffen,
Ein Kopf, der ein Gemüth von zärtrer Neigung führt:
Der meine hat die Art dem Leser einzuschärffen,
Daß einen Christen leicht kein zeitlich Leiden rührt,
Auch
1725.
Du klares Licht, du Sonne deiner Treuen!
Was dich erblickt, das ſehnet ſich nach dir,
Wer ſo wie du ſein Wohlthun kan verneuen,
Verneuet leicht der Seinen Liebs-Begier;
Verneue dich dem Vetter heute noch,
Erneure ihm den ſchoͤnen Liebes-Rath!
Der hat genug, der dich alleine hat;
Noch bindeſt du gar an ein ſanftes Joch.
Was koͤnnen wir ihm zur Verehrung reichen?
Nicht Geld noch Gut; das haſt du ſchon verſehn,
Nicht Ehr und Gluͤck, er traͤgt davon die Zeichen:
Drum bleibt der Wunſch bey deiner Liebe ſtehn,
Die goͤnne ihm noch manches Lebens-Jahr,
Die ſchencke ihm recht viel Vergnuͤglichkeit,
Die leite ihn durch dieſe Wander-Zeit,
Das thue ſie, die Liebe: Sie iſts gar.
Und Hertz voll Treu, voll ungemeßner Milde,
Das immerdar in lautrer Liebe wallt,
Du feſtes Schloß, und gegen alle Schilde
Der Widrigen, verwahrter Aufenthalt!
Nur ſperr uns da den Einlaß nimmer zu,
Denn wenn die Kraft der Finſterniß bey Nacht
Sich hier und da genug zu ſchaffen macht;
So finden wir in dir vollkommne Ruh.
XXXVI. Auf Graf Erdman Ludwig
Henckels Ende.
UNd du wirſt weggeruͤckt, des Vaters Augen-Weide,
Ein einig lieber Sohn, ein Hofnung-volles Kind!
Wer richtet ihn wol auf bey einem ſolchen Leide,
Und wie bezeigen wir, was treue Bruͤder ſind?
Hier, ſchreibet mir ein Freund, ſoll ſich dein Kiel bemuͤhn:
Das iſts auch, was ich kan, die Liebe troͤſte ihn.
Nur moͤcht’ ein andrer Kopf den Plan dazu entwerffen,
Ein Kopf, der ein Gemuͤth von zaͤrtrer Neigung fuͤhrt:
Der meine hat die Art dem Leſer einzuſchaͤrffen,
Daß einen Chriſten leicht kein zeitlich Leiden ruͤhrt,
Auch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0100" n="90"/>
          <fw place="top" type="header">1725.</fw><lb/>
          <lg n="85">
            <l>Du <hi rendition="#fr">klares Licht,</hi> du Sonne deiner Treuen!</l><lb/>
            <l>Was dich erblickt, das &#x017F;ehnet &#x017F;ich nach dir,</l><lb/>
            <l>Wer &#x017F;o wie du &#x017F;ein Wohlthun kan verneuen,</l><lb/>
            <l>Verneuet leicht der Seinen Liebs-Begier;</l><lb/>
            <l>Verneue dich dem <hi rendition="#fr">Vetter</hi> heute noch,</l><lb/>
            <l>Erneure ihm den &#x017F;cho&#x0364;nen Liebes-Rath!</l><lb/>
            <l>Der hat genug, der dich alleine hat;</l><lb/>
            <l>Noch binde&#x017F;t du gar an ein &#x017F;anftes Joch.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="86">
            <l>Was ko&#x0364;nnen wir ihm zur Verehrung reichen?</l><lb/>
            <l>Nicht Geld noch Gut; das ha&#x017F;t du &#x017F;chon ver&#x017F;ehn,</l><lb/>
            <l>Nicht Ehr und Glu&#x0364;ck, er tra&#x0364;gt davon die Zeichen:</l><lb/>
            <l>Drum bleibt der Wun&#x017F;ch bey <hi rendition="#fr">deiner Liebe</hi> &#x017F;tehn,</l><lb/>
            <l>Die go&#x0364;nne ihm noch manches Lebens-Jahr,</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;chencke ihm recht viel Vergnu&#x0364;glichkeit,</l><lb/>
            <l>Die leite ihn durch die&#x017F;e Wander-Zeit,</l><lb/>
            <l>Das thue &#x017F;ie, <hi rendition="#fr">die Liebe:</hi> Sie i&#x017F;ts gar.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="87">
            <l>Und <hi rendition="#fr">Hertz voll Treu,</hi> voll ungemeßner Milde,</l><lb/>
            <l>Das immerdar in lautrer Liebe wallt,</l><lb/>
            <l>Du fe&#x017F;tes Schloß, und gegen alle Schilde</l><lb/>
            <l>Der Widrigen, <hi rendition="#fr">verwahrter Aufenthalt!</hi></l><lb/>
            <l>Nur &#x017F;perr uns da den Einlaß nimmer zu,</l><lb/>
            <l>Denn wenn die Kraft der Fin&#x017F;terniß bey Nacht</l><lb/>
            <l>Sich hier und da genug zu &#x017F;chaffen macht;<lb/><hi rendition="#fr">So finden wir in dir vollkommne Ruh.</hi></l>
          </lg>
        </lg><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XXXVI.</hi> Auf Graf Erdman Ludwig<lb/>
Henckels Ende.</hi> </head><lb/>
          <l><hi rendition="#in">U</hi>Nd du wir&#x017F;t weggeru&#x0364;ckt, des Vaters Augen-Weide,</l><lb/>
          <l>Ein <hi rendition="#fr">einig lieber Sohn,</hi> ein Hofnung-volles Kind!</l><lb/>
          <l>Wer richtet ihn wol auf bey einem &#x017F;olchen Leide,</l><lb/>
          <l>Und wie bezeigen wir, was treue Bru&#x0364;der &#x017F;ind?</l><lb/>
          <l><hi rendition="#fr">Hier,</hi> &#x017F;chreibet mir ein Freund, <hi rendition="#fr">&#x017F;oll &#x017F;ich dein Kiel bemu&#x0364;hn:</hi></l><lb/>
          <l>Das i&#x017F;ts auch, was ich kan, <hi rendition="#fr">die Liebe tro&#x0364;&#x017F;te ihn.</hi></l><lb/>
          <l>Nur mo&#x0364;cht&#x2019; ein andrer Kopf den Plan dazu entwerffen,</l><lb/>
          <l>Ein Kopf, der ein Gemu&#x0364;th von za&#x0364;rtrer Neigung fu&#x0364;hrt:</l><lb/>
          <l>Der meine hat die Art dem Le&#x017F;er einzu&#x017F;cha&#x0364;rffen,</l><lb/>
          <l>Daß einen Chri&#x017F;ten leicht kein zeitlich Leiden ru&#x0364;hrt,</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Auch</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0100] 1725. Du klares Licht, du Sonne deiner Treuen! Was dich erblickt, das ſehnet ſich nach dir, Wer ſo wie du ſein Wohlthun kan verneuen, Verneuet leicht der Seinen Liebs-Begier; Verneue dich dem Vetter heute noch, Erneure ihm den ſchoͤnen Liebes-Rath! Der hat genug, der dich alleine hat; Noch bindeſt du gar an ein ſanftes Joch. Was koͤnnen wir ihm zur Verehrung reichen? Nicht Geld noch Gut; das haſt du ſchon verſehn, Nicht Ehr und Gluͤck, er traͤgt davon die Zeichen: Drum bleibt der Wunſch bey deiner Liebe ſtehn, Die goͤnne ihm noch manches Lebens-Jahr, Die ſchencke ihm recht viel Vergnuͤglichkeit, Die leite ihn durch dieſe Wander-Zeit, Das thue ſie, die Liebe: Sie iſts gar. Und Hertz voll Treu, voll ungemeßner Milde, Das immerdar in lautrer Liebe wallt, Du feſtes Schloß, und gegen alle Schilde Der Widrigen, verwahrter Aufenthalt! Nur ſperr uns da den Einlaß nimmer zu, Denn wenn die Kraft der Finſterniß bey Nacht Sich hier und da genug zu ſchaffen macht; So finden wir in dir vollkommne Ruh. XXXVI. Auf Graf Erdman Ludwig Henckels Ende. UNd du wirſt weggeruͤckt, des Vaters Augen-Weide, Ein einig lieber Sohn, ein Hofnung-volles Kind! Wer richtet ihn wol auf bey einem ſolchen Leide, Und wie bezeigen wir, was treue Bruͤder ſind? Hier, ſchreibet mir ein Freund, ſoll ſich dein Kiel bemuͤhn: Das iſts auch, was ich kan, die Liebe troͤſte ihn. Nur moͤcht’ ein andrer Kopf den Plan dazu entwerffen, Ein Kopf, der ein Gemuͤth von zaͤrtrer Neigung fuͤhrt: Der meine hat die Art dem Leſer einzuſchaͤrffen, Daß einen Chriſten leicht kein zeitlich Leiden ruͤhrt, Auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/100
Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/100>, abgerufen am 21.11.2024.