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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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III. Die Traditionen des Heidenthums.
apologetisches Gewicht zu nehmen gesucht. "Die biblische Urstands-
lehre ist eben einfach die Quelle aller jener mit ihr überein-
stimmenden Sagen des Heidenthums," hat man gesagt; "auf zum
Theil nicht mehr nachweisbaren Wegen haben hebräisch-jüdische oder
auch erst christliche Einflüsse die betr. Nachrichten dem Sagenschatze
der Völker in Nah und Fern übermittelt", u. s. f. -- Unmöglich,
wird jeder unbefangene Geschichtskundige mit uns antworten. Gerade
die dem alttestamentlichen Volke Gottes zunächst wohnenden Völker
des Orients wie des Abendlands weisen ihre Parallelen zur bib-
lischen Ueberlieferung in Urkunden auf, deren hohes Alter den Ge-
danken an ihre Unselbständigkeit gegenüber jener nicht aufkommen
läßt. Wenn ferner wohnende oder ihrem Culturleben nach jüngere
Stämme, wie manche Völker Ostasiens und Afrikas, die Südsee-
völker, die Germanen Nordeuropa's, den Gedanken an eine Ent-
lehnung gewisser Elemente ihrer Sagen aus biblischer Quelle schon
eher zulassen, so betrifft das entweder nur die jüngste Fassung und
Einkleidung ihrer Berichte, während deren Kern als alt und ur-
sprünglich in Geltung belassen werden muß; oder die Thatsache der
Entlehnung bleibt, als mehr oder minder vereinzelte (wie in dem
Falle der wahrscheinlich entweder jüdisch oder christlich verursachten
Karenen-Sagen vom Sündenfalle etc.), gegenüber der Fülle sonstiger
bestätigenden Zeugnisse von selbständigem Werthe unerheblich und
belanglos.

Andere haben gesagt: "Die biblische Sage ist eine Sage wie
viele andre Sagen der Völker, eine Mythenbildung des hebräischen
Volksgeistes, gleichwie die Titanensage etc. mythisches Produkt der
griechischen Stämme, die Osirissage ägyptischer, die Jima-Sage
persischer, die Fohi-Sage chinesischer Nationalmythus sind; darum
tragen die mancherlei, meist doch nur entfernten Anklänge außer-
biblischer Traditionen an den Jnhalt der Eingangskapitel der Bibel
eher zur Herabsetzung als zur Hebung des Ansehens dieser letzteren
bei." -- Diese modern-rationalistische Mythentheorie schließt mehrerlei
Proben von oberflächlichem Räsonnement und Gedankenlosigkeit in

III. Die Traditionen des Heidenthums.
apologetiſches Gewicht zu nehmen geſucht. „Die bibliſche Urſtands-
lehre iſt eben einfach die Quelle aller jener mit ihr überein-
ſtimmenden Sagen des Heidenthums,‟ hat man geſagt; „auf zum
Theil nicht mehr nachweisbaren Wegen haben hebräiſch-jüdiſche oder
auch erſt chriſtliche Einflüſſe die betr. Nachrichten dem Sagenſchatze
der Völker in Nah und Fern übermittelt‟, u. ſ. f. — Unmöglich,
wird jeder unbefangene Geſchichtskundige mit uns antworten. Gerade
die dem altteſtamentlichen Volke Gottes zunächſt wohnenden Völker
des Orients wie des Abendlands weiſen ihre Parallelen zur bib-
liſchen Ueberlieferung in Urkunden auf, deren hohes Alter den Ge-
danken an ihre Unſelbſtändigkeit gegenüber jener nicht aufkommen
läßt. Wenn ferner wohnende oder ihrem Culturleben nach jüngere
Stämme, wie manche Völker Oſtaſiens und Afrikas, die Südſee-
völker, die Germanen Nordeuropa’s, den Gedanken an eine Ent-
lehnung gewiſſer Elemente ihrer Sagen aus bibliſcher Quelle ſchon
eher zulaſſen, ſo betrifft das entweder nur die jüngſte Faſſung und
Einkleidung ihrer Berichte, während deren Kern als alt und ur-
ſprünglich in Geltung belaſſen werden muß; oder die Thatſache der
Entlehnung bleibt, als mehr oder minder vereinzelte (wie in dem
Falle der wahrſcheinlich entweder jüdiſch oder chriſtlich verurſachten
Karenen-Sagen vom Sündenfalle ꝛc.), gegenüber der Fülle ſonſtiger
beſtätigenden Zeugniſſe von ſelbſtändigem Werthe unerheblich und
belanglos.

Andere haben geſagt: „Die bibliſche Sage iſt eine Sage wie
viele andre Sagen der Völker, eine Mythenbildung des hebräiſchen
Volksgeiſtes, gleichwie die Titanenſage ꝛc. mythiſches Produkt der
griechiſchen Stämme, die Oſirisſage ägyptiſcher, die Jima-Sage
perſiſcher, die Fohi-Sage chineſiſcher Nationalmythus ſind; darum
tragen die mancherlei, meiſt doch nur entfernten Anklänge außer-
bibliſcher Traditionen an den Jnhalt der Eingangskapitel der Bibel
eher zur Herabſetzung als zur Hebung des Anſehens dieſer letzteren
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[104/0114] III. Die Traditionen des Heidenthums. apologetiſches Gewicht zu nehmen geſucht. „Die bibliſche Urſtands- lehre iſt eben einfach die Quelle aller jener mit ihr überein- ſtimmenden Sagen des Heidenthums,‟ hat man geſagt; „auf zum Theil nicht mehr nachweisbaren Wegen haben hebräiſch-jüdiſche oder auch erſt chriſtliche Einflüſſe die betr. Nachrichten dem Sagenſchatze der Völker in Nah und Fern übermittelt‟, u. ſ. f. — Unmöglich, wird jeder unbefangene Geſchichtskundige mit uns antworten. Gerade die dem altteſtamentlichen Volke Gottes zunächſt wohnenden Völker des Orients wie des Abendlands weiſen ihre Parallelen zur bib- liſchen Ueberlieferung in Urkunden auf, deren hohes Alter den Ge- danken an ihre Unſelbſtändigkeit gegenüber jener nicht aufkommen läßt. Wenn ferner wohnende oder ihrem Culturleben nach jüngere Stämme, wie manche Völker Oſtaſiens und Afrikas, die Südſee- völker, die Germanen Nordeuropa’s, den Gedanken an eine Ent- lehnung gewiſſer Elemente ihrer Sagen aus bibliſcher Quelle ſchon eher zulaſſen, ſo betrifft das entweder nur die jüngſte Faſſung und Einkleidung ihrer Berichte, während deren Kern als alt und ur- ſprünglich in Geltung belaſſen werden muß; oder die Thatſache der Entlehnung bleibt, als mehr oder minder vereinzelte (wie in dem Falle der wahrſcheinlich entweder jüdiſch oder chriſtlich verurſachten Karenen-Sagen vom Sündenfalle ꝛc.), gegenüber der Fülle ſonſtiger beſtätigenden Zeugniſſe von ſelbſtändigem Werthe unerheblich und belanglos. Andere haben geſagt: „Die bibliſche Sage iſt eine Sage wie viele andre Sagen der Völker, eine Mythenbildung des hebräiſchen Volksgeiſtes, gleichwie die Titanenſage ꝛc. mythiſches Produkt der griechiſchen Stämme, die Oſirisſage ägyptiſcher, die Jima-Sage perſiſcher, die Fohi-Sage chineſiſcher Nationalmythus ſind; darum tragen die mancherlei, meiſt doch nur entfernten Anklänge außer- bibliſcher Traditionen an den Jnhalt der Eingangskapitel der Bibel eher zur Herabſetzung als zur Hebung des Anſehens dieſer letzteren bei.‟ — Dieſe modern-rationaliſtiſche Mythentheorie ſchließt mehrerlei Proben von oberflächlichem Räſonnement und Gedankenloſigkeit in

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/114>, abgerufen am 21.11.2024.