Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.III. Die Traditionen des Heidenthums. im Osten wie im Westen erzeugt; das gemeinsame Sagengut vomgoldnen Zeitalter sei den vielen Völkern mit derselben Naturnoth- wendigkeit gemeinsam, wie das Gold selbst; die metallene Weltalter- folge sei nichts als ein zufällig manche überraschende Gleichklänge ergebender Reflex der im Schooße der Länder verborgenen mancherlei Metallschätze innerhalb der mythendichtenden Phantasie", u. s. f.1) -- Also der Pessimismus, dieser der Menschheit aller Zonen ge- meinsame Grundzug (!?), soll die Verantwortung für jene zahlreichen merkwürdigen Uebereinstimmungen tragen! Das Paradies der Urzeit soll, wo es uns nur begegnet, ein naturwüchsiges Product pessimi- stischer Gemüthsstimmung sein, ähnlich wie das Paradies der Zu- kunft, wie jede messianische Znkunftshoffnung, jede chialistische oder dem Chiliasmus verwandte Erwartung, jedes hoffende Ausschauen auf wiederkehrende Davide oder Friederiche oder Sebastiane etc., eine Frucht optimistischer Phantasien sein soll. Glaube, wer's kann! Auch bei dieser Meinung wird es mit den ebenso durchgreifenden als im Einzelnen überraschenden Congruenzen der biblischen mit der außerbiblischen Ueberlieferung sonderbar leicht genommen. Dieses constante Wiederkehren der Erinnerungen an ein Paradies mit sei- nem Lebensbaume, an höhere Lebensalter und größere Kraft der 1) Siehe bes. Ed m. Pfleiderer, Die Jdee des goldnen Zeitalters etc.,
S. 13: "Es würde sich -- -- nur darum handeln, genauer zu zeigen, wie unsre Phantasie in der That die Fähigkeit, ja den unwiderstehlichen Drang hat, eine derartige Vergoldung des Morgenhorizonts der Menschheit -- -- aus sich selbst hervorzuzaubern. Wer lennt sie nicht von täglicher Erfahrung her, die far- benreiche Poetin oder die schöpferische Künstlerin, welche den sonst matt gewordenen Greis, und nicht blos ihn, so eifrig und beredt macht in lobpreisender Aus- malung der Zustände, wie sie früher waren? "Damals" kam der Frühling bäl- der und war üppiger in seiner Blüthenpracht, der Sommer aber that gleichfalls noch seine ihm obliegende Schuldigkeit und zeitigte seine Gaben unter kräftiger Sonne; darum war "damals" auch der Herbst noch ganz etwas anderes als jetzt etc. etc. .... Was aber die Hauptsache ist, auch die Menschen waren viel besser, viel ehrlicher und gerader, viel frischer und gesünder, als das jetzige ver- derbte und verkommene Geschlecht" etc. III. Die Traditionen des Heidenthums. im Oſten wie im Weſten erzeugt; das gemeinſame Sagengut vomgoldnen Zeitalter ſei den vielen Völkern mit derſelben Naturnoth- wendigkeit gemeinſam, wie das Gold ſelbſt; die metallene Weltalter- folge ſei nichts als ein zufällig manche überraſchende Gleichklänge ergebender Reflex der im Schooße der Länder verborgenen mancherlei Metallſchätze innerhalb der mythendichtenden Phantaſie‟, u. ſ. f.1) — Alſo der Peſſimismus, dieſer der Menſchheit aller Zonen ge- meinſame Grundzug (!?), ſoll die Verantwortung für jene zahlreichen merkwürdigen Uebereinſtimmungen tragen! Das Paradies der Urzeit ſoll, wo es uns nur begegnet, ein naturwüchſiges Product peſſimi- ſtiſcher Gemüthsſtimmung ſein, ähnlich wie das Paradies der Zu- kunft, wie jede meſſianiſche Znkunftshoffnung, jede chialiſtiſche oder dem Chiliasmus verwandte Erwartung, jedes hoffende Ausſchauen auf wiederkehrende Davide oder Friederiche oder Sebaſtiane ꝛc., eine Frucht optimiſtiſcher Phantaſien ſein ſoll. Glaube, wer’s kann! Auch bei dieſer Meinung wird es mit den ebenſo durchgreifenden als im Einzelnen überraſchenden Congruenzen der bibliſchen mit der außerbibliſchen Ueberlieferung ſonderbar leicht genommen. Dieſes conſtante Wiederkehren der Erinnerungen an ein Paradies mit ſei- nem Lebensbaume, an höhere Lebensalter und größere Kraft der 1) Siehe beſ. Ed m. Pfleiderer, Die Jdee des goldnen Zeitalters ꝛc.,
S. 13: „Es würde ſich — — nur darum handeln, genauer zu zeigen, wie unſre Phantaſie in der That die Fähigkeit, ja den unwiderſtehlichen Drang hat, eine derartige Vergoldung des Morgenhorizonts der Menſchheit — — aus ſich ſelbſt hervorzuzaubern. Wer lennt ſie nicht von täglicher Erfahrung her, die far- benreiche Poëtin oder die ſchöpferiſche Künſtlerin, welche den ſonſt matt gewordenen Greis, und nicht blos ihn, ſo eifrig und beredt macht in lobpreiſender Aus- malung der Zuſtände, wie ſie früher waren? „Damals‟ kam der Frühling bäl- der und war üppiger in ſeiner Blüthenpracht, der Sommer aber that gleichfalls noch ſeine ihm obliegende Schuldigkeit und zeitigte ſeine Gaben unter kräftiger Sonne; darum war „damals‟ auch der Herbſt noch ganz etwas anderes als jetzt ꝛc. ꝛc. .... Was aber die Hauptſache iſt, auch die Menſchen waren viel beſſer, viel ehrlicher und gerader, viel friſcher und geſünder, als das jetzige ver- derbte und verkommene Geſchlecht‟ ꝛc. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0116" n="106"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Traditionen des Heidenthums.</fw><lb/> im Oſten wie im Weſten erzeugt; das gemeinſame Sagengut vom<lb/> goldnen Zeitalter ſei den vielen Völkern mit derſelben Naturnoth-<lb/> wendigkeit gemeinſam, wie das Gold ſelbſt; die metallene Weltalter-<lb/> folge ſei nichts als ein zufällig manche überraſchende Gleichklänge<lb/> ergebender Reflex der im Schooße der Länder verborgenen mancherlei<lb/> Metallſchätze innerhalb der mythendichtenden Phantaſie‟, u. ſ. f.<note place="foot" n="1)">Siehe beſ. Ed m. <hi rendition="#g">Pfleiderer,</hi> Die Jdee des goldnen Zeitalters ꝛc.,<lb/> S. 13: „Es würde ſich — — nur darum handeln, genauer zu zeigen, wie<lb/> unſre Phantaſie in der That die Fähigkeit, ja den unwiderſtehlichen Drang hat,<lb/> eine derartige Vergoldung des Morgenhorizonts der Menſchheit — — aus ſich<lb/> ſelbſt hervorzuzaubern. Wer lennt ſie nicht von täglicher Erfahrung her, die far-<lb/> benreiche Po<hi rendition="#aq">ë</hi>tin oder die ſchöpferiſche Künſtlerin, welche den ſonſt matt gewordenen<lb/> Greis, und nicht blos ihn, ſo eifrig und beredt macht in lobpreiſender Aus-<lb/> malung der Zuſtände, wie ſie früher waren? „Damals‟ kam der Frühling bäl-<lb/> der und war üppiger in ſeiner Blüthenpracht, der Sommer aber that gleichfalls<lb/> noch ſeine ihm obliegende Schuldigkeit und zeitigte ſeine Gaben unter kräftiger<lb/> Sonne; darum war „damals‟ auch der Herbſt noch ganz etwas anderes als<lb/> jetzt ꝛc. ꝛc. .... Was aber die Hauptſache iſt, auch die Menſchen waren viel<lb/> beſſer, viel ehrlicher und gerader, viel friſcher und geſünder, als das jetzige ver-<lb/> derbte und verkommene Geſchlecht‟ ꝛc.</note><lb/> — Alſo der Peſſimismus, dieſer der Menſchheit aller Zonen ge-<lb/> meinſame Grundzug (!?), ſoll die Verantwortung für jene zahlreichen<lb/> merkwürdigen Uebereinſtimmungen tragen! Das Paradies der Urzeit<lb/> ſoll, wo es uns nur begegnet, ein naturwüchſiges Product peſſimi-<lb/> ſtiſcher Gemüthsſtimmung ſein, ähnlich wie das Paradies der Zu-<lb/> kunft, wie jede meſſianiſche Znkunftshoffnung, jede chialiſtiſche oder<lb/> dem Chiliasmus verwandte Erwartung, jedes hoffende Ausſchauen<lb/> auf wiederkehrende Davide oder Friederiche oder Sebaſtiane ꝛc., eine<lb/> Frucht optimiſtiſcher Phantaſien ſein ſoll. Glaube, wer’s kann!<lb/> Auch bei dieſer Meinung wird es mit den ebenſo durchgreifenden<lb/> als im Einzelnen überraſchenden Congruenzen der bibliſchen mit der<lb/> außerbibliſchen Ueberlieferung ſonderbar leicht genommen. Dieſes<lb/> conſtante Wiederkehren der Erinnerungen an ein Paradies mit ſei-<lb/> nem Lebensbaume, an höhere Lebensalter und größere Kraft der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [106/0116]
III. Die Traditionen des Heidenthums.
im Oſten wie im Weſten erzeugt; das gemeinſame Sagengut vom
goldnen Zeitalter ſei den vielen Völkern mit derſelben Naturnoth-
wendigkeit gemeinſam, wie das Gold ſelbſt; die metallene Weltalter-
folge ſei nichts als ein zufällig manche überraſchende Gleichklänge
ergebender Reflex der im Schooße der Länder verborgenen mancherlei
Metallſchätze innerhalb der mythendichtenden Phantaſie‟, u. ſ. f. 1)
— Alſo der Peſſimismus, dieſer der Menſchheit aller Zonen ge-
meinſame Grundzug (!?), ſoll die Verantwortung für jene zahlreichen
merkwürdigen Uebereinſtimmungen tragen! Das Paradies der Urzeit
ſoll, wo es uns nur begegnet, ein naturwüchſiges Product peſſimi-
ſtiſcher Gemüthsſtimmung ſein, ähnlich wie das Paradies der Zu-
kunft, wie jede meſſianiſche Znkunftshoffnung, jede chialiſtiſche oder
dem Chiliasmus verwandte Erwartung, jedes hoffende Ausſchauen
auf wiederkehrende Davide oder Friederiche oder Sebaſtiane ꝛc., eine
Frucht optimiſtiſcher Phantaſien ſein ſoll. Glaube, wer’s kann!
Auch bei dieſer Meinung wird es mit den ebenſo durchgreifenden
als im Einzelnen überraſchenden Congruenzen der bibliſchen mit der
außerbibliſchen Ueberlieferung ſonderbar leicht genommen. Dieſes
conſtante Wiederkehren der Erinnerungen an ein Paradies mit ſei-
nem Lebensbaume, an höhere Lebensalter und größere Kraft der
1) Siehe beſ. Ed m. Pfleiderer, Die Jdee des goldnen Zeitalters ꝛc.,
S. 13: „Es würde ſich — — nur darum handeln, genauer zu zeigen, wie
unſre Phantaſie in der That die Fähigkeit, ja den unwiderſtehlichen Drang hat,
eine derartige Vergoldung des Morgenhorizonts der Menſchheit — — aus ſich
ſelbſt hervorzuzaubern. Wer lennt ſie nicht von täglicher Erfahrung her, die far-
benreiche Poëtin oder die ſchöpferiſche Künſtlerin, welche den ſonſt matt gewordenen
Greis, und nicht blos ihn, ſo eifrig und beredt macht in lobpreiſender Aus-
malung der Zuſtände, wie ſie früher waren? „Damals‟ kam der Frühling bäl-
der und war üppiger in ſeiner Blüthenpracht, der Sommer aber that gleichfalls
noch ſeine ihm obliegende Schuldigkeit und zeitigte ſeine Gaben unter kräftiger
Sonne; darum war „damals‟ auch der Herbſt noch ganz etwas anderes als
jetzt ꝛc. ꝛc. .... Was aber die Hauptſache iſt, auch die Menſchen waren viel
beſſer, viel ehrlicher und gerader, viel friſcher und geſünder, als das jetzige ver-
derbte und verkommene Geſchlecht‟ ꝛc.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |