Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.Einleitung. und noch lehrt, von Hause aus ein vollkommenes Wesen gewesen,so hätte er der Religion, des Glaubens einfach nicht bedurft; er hätte gewußt, nicht geglaubt, denn das Wissen schließt den Glauben aus," etc. Mit lapidarstilartiger Kürze thut Schaaffhausen (als Vor- sitzender der deutschen Anthropologen-Versammlung zu Kiel 1878) den Machtspruch: als erstes und sicherstes Ergebniß der prähistorischen Anthropologie sei erkannt, "daß der heute lebende Mensch nicht in einer ursprünglichen Vollkommenheit geschaffen worden ist, die er verloren hat; sondern er erscheine uns immer roher und thierischer, je weiter zurück wir sein Bild verfolgen." Vornehmlich im Hinblick auf die kirchliche Lehre vom Urstand begrüßt der Novara-Reisende und Ethnologe K. v. Scherzer mit großer Genugthuung es als ein "launiges Spiel des Zufalls, daß gerade im bibelfesten England die erste Bresche in die Legende der Schöpfungsgeschichte geschossen worden." Derselbe meint, Darwins "in die verschiedensten Gesell- schaftsschichten gedrungene Descendenztheorie habe der orthodoxen Kirche und ihren Dogmen weit mehr Schaden zugefügt, als Koper- nikus (!) und Galilei."1) Sehen wir von dieser Art von Gegnern ab, denen zugleich mit 1) Huxley, Vortrag vor der anthropolog. Section der Brit. Association
zu Dublin 1878. -- F. v. Hellwald, Culturgeschichtliche Randglossen, Ausland 1879, Nr. 11, S. 205 f. -- Schaaffhausen, in den Verh. der IX. allg. Versammlung der d. G. f. Anthropologie etc. zu Kiel, redig. von J. Ranke, München 1878, S. 85. -- K. v. Scherzer, Resultate auf dem Gebiete der Anthropometrie, in Petermanns Geogr. Mittheilungen, 1879, IV, 147. Einleitung. und noch lehrt, von Hauſe aus ein vollkommenes Weſen geweſen,ſo hätte er der Religion, des Glaubens einfach nicht bedurft; er hätte gewußt, nicht geglaubt, denn das Wiſſen ſchließt den Glauben aus,‟ ꝛc. Mit lapidarſtilartiger Kürze thut Schaaffhauſen (als Vor- ſitzender der deutſchen Anthropologen-Verſammlung zu Kiel 1878) den Machtſpruch: als erſtes und ſicherſtes Ergebniß der prähiſtoriſchen Anthropologie ſei erkannt, „daß der heute lebende Menſch nicht in einer urſprünglichen Vollkommenheit geſchaffen worden iſt, die er verloren hat; ſondern er erſcheine uns immer roher und thieriſcher, je weiter zurück wir ſein Bild verfolgen.‟ Vornehmlich im Hinblick auf die kirchliche Lehre vom Urſtand begrüßt der Novara-Reiſende und Ethnologe K. v. Scherzer mit großer Genugthuung es als ein „launiges Spiel des Zufalls, daß gerade im bibelfeſten England die erſte Breſche in die Legende der Schöpfungsgeſchichte geſchoſſen worden.‟ Derſelbe meint, Darwins „in die verſchiedenſten Geſell- ſchaftsſchichten gedrungene Deſcendenztheorie habe der orthodoxen Kirche und ihren Dogmen weit mehr Schaden zugefügt, als Koper- nikus (!) und Galilei.‟1) Sehen wir von dieſer Art von Gegnern ab, denen zugleich mit 1) Huxley, Vortrag vor der anthropolog. Section der Brit. Aſſociation
zu Dublin 1878. — F. v. Hellwald, Culturgeſchichtliche Randgloſſen, Ausland 1879, Nr. 11, S. 205 f. — Schaaffhauſen, in den Verh. der IX. allg. Verſammlung der d. G. f. Anthropologie ꝛc. zu Kiel, redig. von J. Ranke, München 1878, S. 85. — K. v. Scherzer, Reſultate auf dem Gebiete der Anthropometrie, in Petermanns Geogr. Mittheilungen, 1879, IV, 147. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0012" n="2"/><fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/> und noch lehrt, von Hauſe aus ein vollkommenes Weſen geweſen,<lb/> ſo hätte er der Religion, des Glaubens einfach nicht bedurft; er<lb/> hätte gewußt, nicht geglaubt, denn das Wiſſen ſchließt den Glauben<lb/> aus,‟ ꝛc. Mit lapidarſtilartiger Kürze thut Schaaffhauſen (als Vor-<lb/> ſitzender der deutſchen Anthropologen-Verſammlung zu Kiel 1878)<lb/> den Machtſpruch: als erſtes und ſicherſtes Ergebniß der prähiſtoriſchen<lb/> Anthropologie ſei erkannt, „daß der heute lebende Menſch nicht in<lb/> einer urſprünglichen Vollkommenheit geſchaffen worden iſt, die er<lb/> verloren hat; ſondern er erſcheine uns immer roher und thieriſcher,<lb/> je weiter zurück wir ſein Bild verfolgen.‟ Vornehmlich im Hinblick<lb/> auf die kirchliche Lehre vom Urſtand begrüßt der Novara-Reiſende<lb/> und Ethnologe K. v. Scherzer mit großer Genugthuung es als<lb/> ein „launiges Spiel des Zufalls, daß gerade im bibelfeſten England<lb/> die erſte Breſche in die Legende der Schöpfungsgeſchichte geſchoſſen<lb/> worden.‟ Derſelbe meint, Darwins „in die verſchiedenſten Geſell-<lb/> ſchaftsſchichten gedrungene Deſcendenztheorie habe der orthodoxen<lb/> Kirche und ihren Dogmen weit mehr Schaden zugefügt, als Koper-<lb/> nikus (!) und Galilei.‟<note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Huxley,</hi> Vortrag vor der anthropolog. Section der Brit. Aſſociation<lb/> zu Dublin 1878. — F. v. <hi rendition="#g">Hellwald,</hi> Culturgeſchichtliche Randgloſſen, Ausland<lb/> 1879, Nr. 11, S. 205 f. — <hi rendition="#g">Schaaffhauſen,</hi> in den Verh. der <hi rendition="#aq">IX.</hi> allg.<lb/> Verſammlung der d. G. f. Anthropologie ꝛc. zu Kiel, redig. von J. Ranke,<lb/> München 1878, S. 85. — K. v. <hi rendition="#g">Scherzer,</hi> Reſultate auf dem Gebiete der<lb/> Anthropometrie, in Petermanns Geogr. Mittheilungen, 1879, <hi rendition="#aq">IV,</hi> 147.</note></p><lb/> <p>Sehen wir von dieſer Art von Gegnern ab, denen zugleich mit<lb/> dem ſündloſen Urſtande auch die Sünde als etwas nur Eingebildetes,<lb/> nicht wirklich Exiſtirendes gilt und die für die richtige Religion der<lb/> Gegenwart den Monismus, d. i. den naturphiloſophiſchen Atheismus<lb/> erklären, ſo bleibt immerhin auch bei den gemäßigteren Aufklärern<lb/> unſrer Tage ein überwiegend abſchätziges Urtheil über den Werth<lb/> der kirchlichen Lehre vom Urſtand und eine kühle Skepſis in Betreff<lb/> der Geſchichtlichkeit auch nur eines Kernes deſſelben das Vor-<lb/> herrſchende. Hören wir den Sprecher des politiſchen Liberalismus und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0012]
Einleitung.
und noch lehrt, von Hauſe aus ein vollkommenes Weſen geweſen,
ſo hätte er der Religion, des Glaubens einfach nicht bedurft; er
hätte gewußt, nicht geglaubt, denn das Wiſſen ſchließt den Glauben
aus,‟ ꝛc. Mit lapidarſtilartiger Kürze thut Schaaffhauſen (als Vor-
ſitzender der deutſchen Anthropologen-Verſammlung zu Kiel 1878)
den Machtſpruch: als erſtes und ſicherſtes Ergebniß der prähiſtoriſchen
Anthropologie ſei erkannt, „daß der heute lebende Menſch nicht in
einer urſprünglichen Vollkommenheit geſchaffen worden iſt, die er
verloren hat; ſondern er erſcheine uns immer roher und thieriſcher,
je weiter zurück wir ſein Bild verfolgen.‟ Vornehmlich im Hinblick
auf die kirchliche Lehre vom Urſtand begrüßt der Novara-Reiſende
und Ethnologe K. v. Scherzer mit großer Genugthuung es als
ein „launiges Spiel des Zufalls, daß gerade im bibelfeſten England
die erſte Breſche in die Legende der Schöpfungsgeſchichte geſchoſſen
worden.‟ Derſelbe meint, Darwins „in die verſchiedenſten Geſell-
ſchaftsſchichten gedrungene Deſcendenztheorie habe der orthodoxen
Kirche und ihren Dogmen weit mehr Schaden zugefügt, als Koper-
nikus (!) und Galilei.‟ 1)
Sehen wir von dieſer Art von Gegnern ab, denen zugleich mit
dem ſündloſen Urſtande auch die Sünde als etwas nur Eingebildetes,
nicht wirklich Exiſtirendes gilt und die für die richtige Religion der
Gegenwart den Monismus, d. i. den naturphiloſophiſchen Atheismus
erklären, ſo bleibt immerhin auch bei den gemäßigteren Aufklärern
unſrer Tage ein überwiegend abſchätziges Urtheil über den Werth
der kirchlichen Lehre vom Urſtand und eine kühle Skepſis in Betreff
der Geſchichtlichkeit auch nur eines Kernes deſſelben das Vor-
herrſchende. Hören wir den Sprecher des politiſchen Liberalismus und
1) Huxley, Vortrag vor der anthropolog. Section der Brit. Aſſociation
zu Dublin 1878. — F. v. Hellwald, Culturgeſchichtliche Randgloſſen, Ausland
1879, Nr. 11, S. 205 f. — Schaaffhauſen, in den Verh. der IX. allg.
Verſammlung der d. G. f. Anthropologie ꝛc. zu Kiel, redig. von J. Ranke,
München 1878, S. 85. — K. v. Scherzer, Reſultate auf dem Gebiete der
Anthropometrie, in Petermanns Geogr. Mittheilungen, 1879, IV, 147.
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