Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.V. Prüfung der vorgeschichtlich-anthropologischen Gegeninstanzen. "noch rücksichtsvoll!" Aeby konnte nichts als eine pathologische Miß-bildung in dem mit auffallend niedriger zurückliegender Stirn sowie mit hochgewölbten Augenbraunenbogen begabten Schädel erblicken. Virchow charakterisirte den Schädel sammt den mit ihm gefundnen rachitisch inficirten Skeletknochen als "einen evident pathologischen Fund", dessen Benützung zur Racenbestimmung unthunlich sei. Zittel schwankt zwischen einem Jdioten und einem Menschen von "sehr tiefstehender affenähnlicher Race" als einstigem Jnhaber des Schädels, warnt aber jedenfalls davor, "weitgehende Schlüsse auf ihn zu bauen". Noch Schaaffhausens jüngster Vortrag über den Gegen- stand (bei der Anthropologen-Versammlung zu Kiel, 1878) trat nur mit bedeutenden Restrictionen als Vertheidiger eines gewissen wissen- schaftlichen Werthes des Schädels auf; man dürfe denselben sammt den zugehörigen Skeletknochen nicht für in dem Grade rachitisch halten, wie Virchow dieß thue, u. s. f.1) Jn der außerordentlichen Schwäche und Gebrechlichkeit dieses fossilen Belegs für die Thier- ähnlichkeit der ältesten Menschen stimmen fast sämmtliche Beurtheiler überein; dennoch wollen immer noch Einige, leidiger Systematisir- sucht zulieb, den Typus einer gewissen urzeitlichen Race in ihm er- blicken, die sie entweder die "neanderthaloide Race" (Spengel) oder die "Race von Cannstatt" (Broca, Quatrefages) nennen.2) -- Eine 1) Lyell, Alter des Menschengeschl. etc., S. 54; Huxley, Stellung des Menschen in der Natur, 1863; R. Wagner in den Absch. der Gesellsch. der Wissensch. zu Göttingen, 5. März 1864; Welcker, bei Ulrici, Gott und die Natur, 2. Aufl., S. 411; Quenstedt, Klar und Wahr etc. 1872, S. 163 f.; Aeby, Die Schädelformen des Menschen und der Affen, 1867; Virchow, bei Ratzel, Vorgeschichte des europä. Menschen, 1874, S. 95; Zittel, Aus der Urzeit, S. 521; Schaaffhausen, im Bericht über die Kieler Anthropol.- Vers., redig. von Joh. Ranke, 1879. 2) J. W. Spengel, im Archiv f. Anthropol. Bd. VIII, 1875, S. 49 ff.
Broca, Instructions craniologiques et craniometriques de la Societe d'Anthropol. de Paris, 1876. A. de Quatrefages, Das Menschengeschlecht, II, S. 20 ff. -- Vgl. die unten, am Schlusse dieses Abschnittes mitzutheilende Stelle aus dem letzt. Werke. V. Prüfung der vorgeſchichtlich-anthropologiſchen Gegeninſtanzen. „noch rückſichtsvoll!‟ Aeby konnte nichts als eine pathologiſche Miß-bildung in dem mit auffallend niedriger zurückliegender Stirn ſowie mit hochgewölbten Augenbraunenbogen begabten Schädel erblicken. Virchow charakteriſirte den Schädel ſammt den mit ihm gefundnen rachitiſch inficirten Skeletknochen als „einen evident pathologiſchen Fund‟, deſſen Benützung zur Racenbeſtimmung unthunlich ſei. Zittel ſchwankt zwiſchen einem Jdioten und einem Menſchen von „ſehr tiefſtehender affenähnlicher Race‟ als einſtigem Jnhaber des Schädels, warnt aber jedenfalls davor, „weitgehende Schlüſſe auf ihn zu bauen‟. Noch Schaaffhauſens jüngſter Vortrag über den Gegen- ſtand (bei der Anthropologen-Verſammlung zu Kiel, 1878) trat nur mit bedeutenden Reſtrictionen als Vertheidiger eines gewiſſen wiſſen- ſchaftlichen Werthes des Schädels auf; man dürfe denſelben ſammt den zugehörigen Skeletknochen nicht für in dem Grade rachitiſch halten, wie Virchow dieß thue, u. ſ. f.1) Jn der außerordentlichen Schwäche und Gebrechlichkeit dieſes foſſilen Belegs für die Thier- ähnlichkeit der älteſten Menſchen ſtimmen faſt ſämmtliche Beurtheiler überein; dennoch wollen immer noch Einige, leidiger Syſtematiſir- ſucht zulieb, den Typus einer gewiſſen urzeitlichen Race in ihm er- blicken, die ſie entweder die „neanderthaloïde Race‟ (Spengel) oder die „Race von Cannſtatt‟ (Broca, Quatrefages) nennen.2) — Eine 1) Lyell, Alter des Menſchengeſchl. ꝛc., S. 54; Huxley, Stellung des Menſchen in der Natur, 1863; R. Wagner in den Abſch. der Geſellſch. der Wiſſenſch. zu Göttingen, 5. März 1864; Welcker, bei Ulrici, Gott und die Natur, 2. Aufl., S. 411; Quenſtedt, Klar und Wahr ꝛc. 1872, S. 163 f.; Aeby, Die Schädelformen des Menſchen und der Affen, 1867; Virchow, bei Ratzel, Vorgeſchichte des europä. Menſchen, 1874, S. 95; Zittel, Aus der Urzeit, S. 521; Schaaffhauſen, im Bericht über die Kieler Anthropol.- Verſ., redig. von Joh. Ranke, 1879. 2) J. W. Spengel, im Archiv f. Anthropol. Bd. VIII, 1875, S. 49 ff.
Broca, Instructions craniologiques et craniométriques de la Société d’Anthropol. de Paris, 1876. A. de Quatrefages, Das Menſchengeſchlecht, II, S. 20 ff. — Vgl. die unten, am Schluſſe dieſes Abſchnittes mitzutheilende Stelle aus dem letzt. Werke. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0170" n="160"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">V.</hi> Prüfung der vorgeſchichtlich-anthropologiſchen Gegeninſtanzen.</fw><lb/> „noch rückſichtsvoll!‟ Aeby konnte nichts als eine pathologiſche Miß-<lb/> bildung in dem mit auffallend niedriger zurückliegender Stirn ſowie<lb/> mit hochgewölbten Augenbraunenbogen begabten Schädel erblicken.<lb/> Virchow charakteriſirte den Schädel ſammt den mit ihm gefundnen<lb/> rachitiſch inficirten Skeletknochen als „einen evident pathologiſchen<lb/> Fund‟, deſſen Benützung zur Racenbeſtimmung unthunlich ſei. Zittel<lb/> ſchwankt zwiſchen einem Jdioten und einem Menſchen von „ſehr<lb/> tiefſtehender affenähnlicher Race‟ als einſtigem Jnhaber des Schädels,<lb/> warnt aber jedenfalls davor, „weitgehende Schlüſſe auf ihn zu<lb/> bauen‟. Noch Schaaffhauſens jüngſter Vortrag über den Gegen-<lb/> ſtand (bei der Anthropologen-Verſammlung zu Kiel, 1878) trat nur<lb/> mit bedeutenden Reſtrictionen als Vertheidiger eines gewiſſen wiſſen-<lb/> ſchaftlichen Werthes des Schädels auf; man dürfe denſelben ſammt<lb/> den zugehörigen Skeletknochen nicht für in dem Grade rachitiſch<lb/> halten, wie Virchow dieß thue, u. ſ. f.<note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Lyell,</hi> Alter des Menſchengeſchl. ꝛc., S. 54; <hi rendition="#g">Huxley,</hi> Stellung des<lb/> Menſchen in der Natur, 1863; R. <hi rendition="#g">Wagner</hi> in den Abſch. der Geſellſch. der<lb/> Wiſſenſch. zu Göttingen, 5. März 1864; <hi rendition="#g">Welcker,</hi> bei <hi rendition="#g">Ulrici,</hi> Gott und die<lb/> Natur, 2. Aufl., S. 411; <hi rendition="#g">Quenſtedt,</hi> Klar und Wahr ꝛc. 1872, S. 163 f.;<lb/><hi rendition="#g">Aeby,</hi> Die Schädelformen des Menſchen und der Affen, 1867; <hi rendition="#g">Virchow,</hi><lb/> bei <hi rendition="#g">Ratzel,</hi> Vorgeſchichte des europä. Menſchen, 1874, S. 95; <hi rendition="#g">Zittel,</hi> Aus<lb/> der Urzeit, S. 521; <hi rendition="#g">Schaaffhauſen,</hi> im Bericht über die Kieler Anthropol.-<lb/> Verſ., redig. von Joh. Ranke, 1879.</note> Jn der außerordentlichen<lb/> Schwäche und Gebrechlichkeit dieſes foſſilen Belegs für die Thier-<lb/> ähnlichkeit der älteſten Menſchen ſtimmen faſt ſämmtliche Beurtheiler<lb/> überein; dennoch wollen immer noch Einige, leidiger Syſtematiſir-<lb/> ſucht zulieb, den Typus einer gewiſſen urzeitlichen Race in ihm er-<lb/> blicken, die ſie entweder die „neanderthalo<hi rendition="#aq">ï</hi>de Race‟ (Spengel) oder<lb/> die „Race von Cannſtatt‟ (Broca, Quatrefages) nennen.<note place="foot" n="2)">J. W. <hi rendition="#g">Spengel,</hi> im Archiv f. Anthropol. Bd. <hi rendition="#aq">VIII,</hi> 1875, S. 49 ff.<lb/><hi rendition="#g">Broca,</hi> <hi rendition="#aq">Instructions craniologiques et craniométriques de la Société<lb/> d’Anthropol. de Paris,</hi> 1876. A. de <hi rendition="#g">Quatrefages,</hi> Das Menſchengeſchlecht,<lb/><hi rendition="#aq">II,</hi> S. 20 ff. — Vgl. die unten, am Schluſſe dieſes Abſchnittes mitzutheilende<lb/> Stelle aus dem letzt. Werke.</note> — Eine<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [160/0170]
V. Prüfung der vorgeſchichtlich-anthropologiſchen Gegeninſtanzen.
„noch rückſichtsvoll!‟ Aeby konnte nichts als eine pathologiſche Miß-
bildung in dem mit auffallend niedriger zurückliegender Stirn ſowie
mit hochgewölbten Augenbraunenbogen begabten Schädel erblicken.
Virchow charakteriſirte den Schädel ſammt den mit ihm gefundnen
rachitiſch inficirten Skeletknochen als „einen evident pathologiſchen
Fund‟, deſſen Benützung zur Racenbeſtimmung unthunlich ſei. Zittel
ſchwankt zwiſchen einem Jdioten und einem Menſchen von „ſehr
tiefſtehender affenähnlicher Race‟ als einſtigem Jnhaber des Schädels,
warnt aber jedenfalls davor, „weitgehende Schlüſſe auf ihn zu
bauen‟. Noch Schaaffhauſens jüngſter Vortrag über den Gegen-
ſtand (bei der Anthropologen-Verſammlung zu Kiel, 1878) trat nur
mit bedeutenden Reſtrictionen als Vertheidiger eines gewiſſen wiſſen-
ſchaftlichen Werthes des Schädels auf; man dürfe denſelben ſammt
den zugehörigen Skeletknochen nicht für in dem Grade rachitiſch
halten, wie Virchow dieß thue, u. ſ. f. 1) Jn der außerordentlichen
Schwäche und Gebrechlichkeit dieſes foſſilen Belegs für die Thier-
ähnlichkeit der älteſten Menſchen ſtimmen faſt ſämmtliche Beurtheiler
überein; dennoch wollen immer noch Einige, leidiger Syſtematiſir-
ſucht zulieb, den Typus einer gewiſſen urzeitlichen Race in ihm er-
blicken, die ſie entweder die „neanderthaloïde Race‟ (Spengel) oder
die „Race von Cannſtatt‟ (Broca, Quatrefages) nennen. 2) — Eine
1) Lyell, Alter des Menſchengeſchl. ꝛc., S. 54; Huxley, Stellung des
Menſchen in der Natur, 1863; R. Wagner in den Abſch. der Geſellſch. der
Wiſſenſch. zu Göttingen, 5. März 1864; Welcker, bei Ulrici, Gott und die
Natur, 2. Aufl., S. 411; Quenſtedt, Klar und Wahr ꝛc. 1872, S. 163 f.;
Aeby, Die Schädelformen des Menſchen und der Affen, 1867; Virchow,
bei Ratzel, Vorgeſchichte des europä. Menſchen, 1874, S. 95; Zittel, Aus
der Urzeit, S. 521; Schaaffhauſen, im Bericht über die Kieler Anthropol.-
Verſ., redig. von Joh. Ranke, 1879.
2) J. W. Spengel, im Archiv f. Anthropol. Bd. VIII, 1875, S. 49 ff.
Broca, Instructions craniologiques et craniométriques de la Société
d’Anthropol. de Paris, 1876. A. de Quatrefages, Das Menſchengeſchlecht,
II, S. 20 ff. — Vgl. die unten, am Schluſſe dieſes Abſchnittes mitzutheilende
Stelle aus dem letzt. Werke.
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