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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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VII. Der Ursitz des Menschengeschlechts.
irgendwelche nähere Rücksicht nehmen und sich der Urgeschichte der
h. Schrift soviel als dieß möglich anzupassen suchen, mögen hier
noch kurz besprochen werden.

Einige dieser Condamiten- oder Präadamiten-Theorien -- wir
können die beiden Namen unbedenklich als gleichbedeutend gebrauchen,
weil fast stets zwischen den verschiednen Adamitengeschlechtern, die
man annimmt, auch ein Altersunterschied statuirt zu werden pflegt --
begnügen sich mit Verdopplung des Menschheits-Stammelternpaars,
lassen also sämmtliche Racen des Menschengeschlechts von zwei Ur-
racen,
und zwar die hellfarbige kaukasische (arisch-semitische oder
mittelländische) Race vom Adam der h. Schrift, die Gesammtheit
der dunkelfarbigen Menschheitstypen aber von einem älteren Stamm-
vater herrühren. Es findet dabei Anlehnung statt einerseits an das
4. Kapitel der Genesis, wo angeblich schon Spuren vom Bewohnt-
sein eines Theils der Erde durch Menschen vor-adamischer Abkunft
zu Kains Zeit enthalten sein sollen, andrerseits an jenes bekannte
Lieblingsdogma neuerer Ethnologen, wonach alle Menschen cultur-
geschichtlich betrachtet in zwei Racen zerfallen: eine dunkelfarbige
passive, welche zu höheren Culturfortschritten absolut unfähig sei und
die s. g. Aboriginer der meisten Länder in sich schließe, und eine
active civilisationsfähige Race, bestehend in den verschiednen Zweigen
der kaukasischen Menschheit.1) Ein Hauptvertreter dieser monoge-
nistischen
Form des Präadamitismus ist der anonyme Verfasser
einer 1860 erschienenen "Urgeschichte (Genesis) der Erde und des
Menschen", welche der gelehrte Reginald Stuart Poole bevorwortete
und herausgab. Er läßt die passive Menschheit, bestehend in Ne-
gern, Negritos, Papuas, überhaupt in den dunklen Urbewohnern
aller Länder, mehrere Jahrtausende vor der weißen oder activen
Race im äquatorialen Afrika durch einen schwarzen Ur-Adam ihren

1) Erste Begründung dieser Lehre von einer activen und einer passiven
Race bei Peyroux de la Cordonniere, Memoires sur les sept especes
des hommes, Paris
1814. Jhm folgten dann Graf Gobineau, Klemm, Waitz,
H. Wuttke u. s. f.

VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts.
irgendwelche nähere Rückſicht nehmen und ſich der Urgeſchichte der
h. Schrift ſoviel als dieß möglich anzupaſſen ſuchen, mögen hier
noch kurz beſprochen werden.

Einige dieſer Condamiten- oder Präadamiten-Theorien — wir
können die beiden Namen unbedenklich als gleichbedeutend gebrauchen,
weil faſt ſtets zwiſchen den verſchiednen Adamitengeſchlechtern, die
man annimmt, auch ein Altersunterſchied ſtatuirt zu werden pflegt —
begnügen ſich mit Verdopplung des Menſchheits-Stammelternpaars,
laſſen alſo ſämmtliche Racen des Menſchengeſchlechts von zwei Ur-
racen,
und zwar die hellfarbige kaukaſiſche (ariſch-ſemitiſche oder
mittelländiſche) Race vom Adam der h. Schrift, die Geſammtheit
der dunkelfarbigen Menſchheitstypen aber von einem älteren Stamm-
vater herrühren. Es findet dabei Anlehnung ſtatt einerſeits an das
4. Kapitel der Geneſis, wo angeblich ſchon Spuren vom Bewohnt-
ſein eines Theils der Erde durch Menſchen vor-adamiſcher Abkunft
zu Kains Zeit enthalten ſein ſollen, andrerſeits an jenes bekannte
Lieblingsdogma neuerer Ethnologen, wonach alle Menſchen cultur-
geſchichtlich betrachtet in zwei Racen zerfallen: eine dunkelfarbige
paſſive, welche zu höheren Culturfortſchritten abſolut unfähig ſei und
die ſ. g. Aboriginer der meiſten Länder in ſich ſchließe, und eine
active civiliſationsfähige Race, beſtehend in den verſchiednen Zweigen
der kaukaſiſchen Menſchheit.1) Ein Hauptvertreter dieſer monoge-
niſtiſchen
Form des Präadamitismus iſt der anonyme Verfaſſer
einer 1860 erſchienenen „Urgeſchichte (Genesis) der Erde und des
Menſchen‟, welche der gelehrte Reginald Stuart Poole bevorwortete
und herausgab. Er läßt die paſſive Menſchheit, beſtehend in Ne-
gern, Negritos, Papuas, überhaupt in den dunklen Urbewohnern
aller Länder, mehrere Jahrtauſende vor der weißen oder activen
Race im äquatorialen Afrika durch einen ſchwarzen Ur-Adam ihren

1) Erſte Begründung dieſer Lehre von einer activen und einer paſſiven
Race bei Peyroux de la Cordonniere, Mémoires sur les sept espèces
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1814. Jhm folgten dann Graf Gobineau, Klemm, Waitz,
H. Wuttke u. ſ. f.
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[232/0242] VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts. irgendwelche nähere Rückſicht nehmen und ſich der Urgeſchichte der h. Schrift ſoviel als dieß möglich anzupaſſen ſuchen, mögen hier noch kurz beſprochen werden. Einige dieſer Condamiten- oder Präadamiten-Theorien — wir können die beiden Namen unbedenklich als gleichbedeutend gebrauchen, weil faſt ſtets zwiſchen den verſchiednen Adamitengeſchlechtern, die man annimmt, auch ein Altersunterſchied ſtatuirt zu werden pflegt — begnügen ſich mit Verdopplung des Menſchheits-Stammelternpaars, laſſen alſo ſämmtliche Racen des Menſchengeſchlechts von zwei Ur- racen, und zwar die hellfarbige kaukaſiſche (ariſch-ſemitiſche oder mittelländiſche) Race vom Adam der h. Schrift, die Geſammtheit der dunkelfarbigen Menſchheitstypen aber von einem älteren Stamm- vater herrühren. Es findet dabei Anlehnung ſtatt einerſeits an das 4. Kapitel der Geneſis, wo angeblich ſchon Spuren vom Bewohnt- ſein eines Theils der Erde durch Menſchen vor-adamiſcher Abkunft zu Kains Zeit enthalten ſein ſollen, andrerſeits an jenes bekannte Lieblingsdogma neuerer Ethnologen, wonach alle Menſchen cultur- geſchichtlich betrachtet in zwei Racen zerfallen: eine dunkelfarbige paſſive, welche zu höheren Culturfortſchritten abſolut unfähig ſei und die ſ. g. Aboriginer der meiſten Länder in ſich ſchließe, und eine active civiliſationsfähige Race, beſtehend in den verſchiednen Zweigen der kaukaſiſchen Menſchheit. 1) Ein Hauptvertreter dieſer monoge- niſtiſchen Form des Präadamitismus iſt der anonyme Verfaſſer einer 1860 erſchienenen „Urgeſchichte (Genesis) der Erde und des Menſchen‟, welche der gelehrte Reginald Stuart Poole bevorwortete und herausgab. Er läßt die paſſive Menſchheit, beſtehend in Ne- gern, Negritos, Papuas, überhaupt in den dunklen Urbewohnern aller Länder, mehrere Jahrtauſende vor der weißen oder activen Race im äquatorialen Afrika durch einen ſchwarzen Ur-Adam ihren 1) Erſte Begründung dieſer Lehre von einer activen und einer paſſiven Race bei Peyroux de la Cordonniere, Mémoires sur les sept espèces des hommes, Paris 1814. Jhm folgten dann Graf Gobineau, Klemm, Waitz, H. Wuttke u. ſ. f.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/242>, abgerufen am 24.11.2024.