Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

VII. Der Ursitz des Menschengeschlechts.
und sarku auf eine dunkle und weiße Race als etwas höchst Pre-
cäres.1) -- Was aber vor Allem die hier in Rede stehenden Theo-
rien als gewagte Combinationen charakterisirt, das ist ihre unzu-
reichende Begründung in ethnologischer Hinsicht. Es ist eine Halbheit,
wenn man sämmtliche nichtweiße Menschheitstypen der kaukasischen
oder japetischen Race gegenüber zu nur Einer Race zusammenfaßt;
die Kriterien der Sprache, des Haarwuchses, der Hautfarbe, Schädel-
bildung fordern gebieterisch ein viel weitergehendes Theilungsver-
fahren. Jst demnach der dualistische Standpunkt jenes Anonymus
und der übrigen monogenistischen Präadamisten nothwendig als un-
haltbar preiszugeben, so genügt es doch -- M'Causland selbst
gesteht dieß ja zu -- noch lange nicht, zur Annahme dreier Urpaare,
eines afrikanischen, eines mongolischen und eines kaukasischen, fortzu-
schreiten. Auch die Blumenbachsche Fünfzahl von Racen, mit welcher
Schelling auszukommen gedachte, ist durch die neuere ethnologische
Forschung als unzureichend dargethan. Und daß weder Prichard's
Siebenzahl von Racen, noch die Achtzahl von Culturmittelpuncten,
welche ein geistreicher Essayist im "Auslande" vor einiger Zeit an-
nehmen wollte, als allen Anforderungen eines streng wissenschaftlichen
Classificationsverfahrens entsprechend gelten können, das ergibt sich
-- wenn auch nicht aus der willkürlich zusammengeschichteten Unzahl
von Menschenspecies in Mortons "Crania Americana" oder in
den "Types of Mankind", etc. -- doch aus den Nachweisungen des
Wiener Sprachgelehrten Fr. Müller, der, wie schon früher bemerkt
wurde, die Unterscheidung von nicht weniger als 78 Sprachstämmen
für nothwendig erklärt, oder des nach ähnlichen Gesichtspunkten ein-
theilenden Häckel, dessen "Schöpfungsgeschichte" in ihren letzten Auf-
lagen bekanntlich 12 Menschenspecies, und zwar diese als in 36
Racen zerfallend, annimmt.2)

1) Friedr. Delitzsch, in seiner deutschen Bearbeitung von G. Smith's
Chaldä. Genesis, Leipz. 1876, S. 301 f.
2) Häckel, Natürl. Schöpfungsgeschichte, Vortr. XXIII z. E. (Systemat.
Uebers. der 12 Menschenspecies nebst ihren 36 Rass en).

VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts.
und sarku auf eine dunkle und weiße Race als etwas höchſt Pre-
cäres.1) — Was aber vor Allem die hier in Rede ſtehenden Theo-
rien als gewagte Combinationen charakteriſirt, das iſt ihre unzu-
reichende Begründung in ethnologiſcher Hinſicht. Es iſt eine Halbheit,
wenn man ſämmtliche nichtweiße Menſchheitstypen der kaukaſiſchen
oder japetiſchen Race gegenüber zu nur Einer Race zuſammenfaßt;
die Kriterien der Sprache, des Haarwuchſes, der Hautfarbe, Schädel-
bildung fordern gebieteriſch ein viel weitergehendes Theilungsver-
fahren. Jſt demnach der dualiſtiſche Standpunkt jenes Anonymus
und der übrigen monogeniſtiſchen Präadamiſten nothwendig als un-
haltbar preiszugeben, ſo genügt es doch — M’Causland ſelbſt
geſteht dieß ja zu — noch lange nicht, zur Annahme dreier Urpaare,
eines afrikaniſchen, eines mongoliſchen und eines kaukaſiſchen, fortzu-
ſchreiten. Auch die Blumenbachſche Fünfzahl von Racen, mit welcher
Schelling auszukommen gedachte, iſt durch die neuere ethnologiſche
Forſchung als unzureichend dargethan. Und daß weder Prichard’s
Siebenzahl von Racen, noch die Achtzahl von Culturmittelpuncten,
welche ein geiſtreicher Eſſayiſt im „Auslande‟ vor einiger Zeit an-
nehmen wollte, als allen Anforderungen eines ſtreng wiſſenſchaftlichen
Claſſificationsverfahrens entſprechend gelten können, das ergibt ſich
— wenn auch nicht aus der willkürlich zuſammengeſchichteten Unzahl
von Menſchenſpecies in Mortons „Crania Americana‟ oder in
den „Types of Mankind‟, ꝛc. — doch aus den Nachweiſungen des
Wiener Sprachgelehrten Fr. Müller, der, wie ſchon früher bemerkt
wurde, die Unterſcheidung von nicht weniger als 78 Sprachſtämmen
für nothwendig erklärt, oder des nach ähnlichen Geſichtspunkten ein-
theilenden Häckel, deſſen „Schöpfungsgeſchichte‟ in ihren letzten Auf-
lagen bekanntlich 12 Menſchenſpecies, und zwar dieſe als in 36
Racen zerfallend, annimmt.2)

1) Friedr. Delitzſch, in ſeiner deutſchen Bearbeitung von G. Smith’s
Chaldä. Geneſis, Leipz. 1876, S. 301 f.
2) Häckel, Natürl. Schöpfungsgeſchichte, Vortr. XXIII z. E. (Syſtemat.
Ueberſ. der 12 Menſchenſpecies nebſt ihren 36 Raſſ en).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0246" n="236"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VII.</hi> Der Ur&#x017F;itz des Men&#x017F;chenge&#x017F;chlechts.</fw><lb/>
und <hi rendition="#aq">sarku</hi> auf eine dunkle und weiße Race als etwas höch&#x017F;t Pre-<lb/>
cäres.<note place="foot" n="1)">Friedr. <hi rendition="#g">Delitz&#x017F;ch,</hi> in &#x017F;einer deut&#x017F;chen Bearbeitung von G. Smith&#x2019;s<lb/>
Chaldä. Gene&#x017F;is, Leipz. 1876, S. 301 f.</note> &#x2014; Was aber vor Allem die hier in Rede &#x017F;tehenden Theo-<lb/>
rien als gewagte Combinationen charakteri&#x017F;irt, das i&#x017F;t ihre unzu-<lb/>
reichende Begründung in ethnologi&#x017F;cher Hin&#x017F;icht. Es i&#x017F;t eine Halbheit,<lb/>
wenn man &#x017F;ämmtliche nichtweiße Men&#x017F;chheitstypen der kauka&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
oder japeti&#x017F;chen Race gegenüber zu nur Einer Race zu&#x017F;ammenfaßt;<lb/>
die Kriterien der Sprache, des Haarwuch&#x017F;es, der Hautfarbe, Schädel-<lb/>
bildung fordern gebieteri&#x017F;ch ein viel weitergehendes Theilungsver-<lb/>
fahren. J&#x017F;t demnach der duali&#x017F;ti&#x017F;che Standpunkt jenes Anonymus<lb/>
und der übrigen monogeni&#x017F;ti&#x017F;chen Präadami&#x017F;ten nothwendig als un-<lb/>
haltbar preiszugeben, &#x017F;o genügt es doch &#x2014; M&#x2019;Causland &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ge&#x017F;teht dieß ja zu &#x2014; noch lange nicht, zur Annahme dreier Urpaare,<lb/>
eines afrikani&#x017F;chen, eines mongoli&#x017F;chen und eines kauka&#x017F;i&#x017F;chen, fortzu-<lb/>
&#x017F;chreiten. Auch die Blumenbach&#x017F;che Fünfzahl von Racen, mit welcher<lb/>
Schelling auszukommen gedachte, i&#x017F;t durch die neuere ethnologi&#x017F;che<lb/>
For&#x017F;chung als unzureichend dargethan. Und daß weder Prichard&#x2019;s<lb/>
Siebenzahl von Racen, noch die Achtzahl von Culturmittelpuncten,<lb/>
welche ein gei&#x017F;treicher E&#x017F;&#x017F;ayi&#x017F;t im &#x201E;Auslande&#x201F; vor einiger Zeit an-<lb/>
nehmen wollte, als allen Anforderungen eines &#x017F;treng wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen<lb/>
Cla&#x017F;&#x017F;ificationsverfahrens ent&#x017F;prechend gelten können, das ergibt &#x017F;ich<lb/>
&#x2014; wenn auch nicht aus der willkürlich zu&#x017F;ammenge&#x017F;chichteten Unzahl<lb/>
von Men&#x017F;chen&#x017F;pecies in Mortons <hi rendition="#aq">&#x201E;Crania Americana&#x201F;</hi> oder in<lb/>
den <hi rendition="#aq">&#x201E;Types of Mankind&#x201F;,</hi> &#xA75B;c. &#x2014; doch aus den Nachwei&#x017F;ungen des<lb/>
Wiener Sprachgelehrten Fr. <hi rendition="#g">Müller,</hi> der, wie &#x017F;chon früher bemerkt<lb/>
wurde, die Unter&#x017F;cheidung von nicht weniger als 78 Sprach&#x017F;tämmen<lb/>
für nothwendig erklärt, oder des nach ähnlichen Ge&#x017F;ichtspunkten ein-<lb/>
theilenden <hi rendition="#g">Häckel,</hi> de&#x017F;&#x017F;en &#x201E;Schöpfungsge&#x017F;chichte&#x201F; in ihren letzten Auf-<lb/>
lagen bekanntlich 12 Men&#x017F;chen&#x017F;pecies, und zwar die&#x017F;e als in 36<lb/>
Racen zerfallend, annimmt.<note place="foot" n="2)"><hi rendition="#g">Häckel,</hi> Natürl. Schöpfungsge&#x017F;chichte, Vortr. <hi rendition="#aq">XXIII</hi> z. E. (Sy&#x017F;temat.<lb/>
Ueber&#x017F;. der 12 Men&#x017F;chen&#x017F;pecies neb&#x017F;t ihren 36 Ra&#x017F;&#x017F; en).</note></p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0246] VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts. und sarku auf eine dunkle und weiße Race als etwas höchſt Pre- cäres. 1) — Was aber vor Allem die hier in Rede ſtehenden Theo- rien als gewagte Combinationen charakteriſirt, das iſt ihre unzu- reichende Begründung in ethnologiſcher Hinſicht. Es iſt eine Halbheit, wenn man ſämmtliche nichtweiße Menſchheitstypen der kaukaſiſchen oder japetiſchen Race gegenüber zu nur Einer Race zuſammenfaßt; die Kriterien der Sprache, des Haarwuchſes, der Hautfarbe, Schädel- bildung fordern gebieteriſch ein viel weitergehendes Theilungsver- fahren. Jſt demnach der dualiſtiſche Standpunkt jenes Anonymus und der übrigen monogeniſtiſchen Präadamiſten nothwendig als un- haltbar preiszugeben, ſo genügt es doch — M’Causland ſelbſt geſteht dieß ja zu — noch lange nicht, zur Annahme dreier Urpaare, eines afrikaniſchen, eines mongoliſchen und eines kaukaſiſchen, fortzu- ſchreiten. Auch die Blumenbachſche Fünfzahl von Racen, mit welcher Schelling auszukommen gedachte, iſt durch die neuere ethnologiſche Forſchung als unzureichend dargethan. Und daß weder Prichard’s Siebenzahl von Racen, noch die Achtzahl von Culturmittelpuncten, welche ein geiſtreicher Eſſayiſt im „Auslande‟ vor einiger Zeit an- nehmen wollte, als allen Anforderungen eines ſtreng wiſſenſchaftlichen Claſſificationsverfahrens entſprechend gelten können, das ergibt ſich — wenn auch nicht aus der willkürlich zuſammengeſchichteten Unzahl von Menſchenſpecies in Mortons „Crania Americana‟ oder in den „Types of Mankind‟, ꝛc. — doch aus den Nachweiſungen des Wiener Sprachgelehrten Fr. Müller, der, wie ſchon früher bemerkt wurde, die Unterſcheidung von nicht weniger als 78 Sprachſtämmen für nothwendig erklärt, oder des nach ähnlichen Geſichtspunkten ein- theilenden Häckel, deſſen „Schöpfungsgeſchichte‟ in ihren letzten Auf- lagen bekanntlich 12 Menſchenſpecies, und zwar dieſe als in 36 Racen zerfallend, annimmt. 2) 1) Friedr. Delitzſch, in ſeiner deutſchen Bearbeitung von G. Smith’s Chaldä. Geneſis, Leipz. 1876, S. 301 f. 2) Häckel, Natürl. Schöpfungsgeſchichte, Vortr. XXIII z. E. (Syſtemat. Ueberſ. der 12 Menſchenſpecies nebſt ihren 36 Raſſ en).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/246
Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/246>, abgerufen am 24.11.2024.