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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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VII. Der Ursitz des Menschengeschlechts.

Und dennoch läßt gerade der letztgenannte Forscher alle diese
weit auseinander gehenden Gruppen oder Aeste der Menschheit auf
einen gemeinsamen Ursprung, nähmlich seinen darwinistischen Vor-
aussetzungen gemäß auf ein im hypothetischen Lemurien zur Tertiär-
zeit aus anthropoiden Affen entwickeltes Geschlecht von noch stummen
Urmenschen (Alalen, Pithekanthropen) zurückgehen! Jm engeren
Sinne also leugnet er, im weiteren Sinne aber behauptet er die
Einheitlichkeit des Menschheitsursprunges! Aehnlich müssen im
Grunde alle darwinistischen Anthropologen urtheilen, falls sie con-
sequent im Sinne ihrer Grundanschauung verfahren wollen. Es ist
zwar eine bei den Vertretern dieser naturphilosophischen Schule
keineswegs seltne, aber doch eine ungeheuerliche Combination, wenn
Beides miteinander behauptet wird, die Descendenz des Menschen
vom Affen und der artlich getrennte Ursprung der Neger, Ameri-
kaner, Europäer, Malayen etc., so daß demnach die Metamorphose
der Menschenaffen in Affenmenschen wie durch ein gesteigertes Zufalls-
wunder auf verschiednen Schauplätzen zumal sich zugetragen hätte!1)
Da, wo sonst alles Gewicht auf das Moment der Abstammung
und Vererbung gelegt, wo in unbegrenztem Genealogisirungstriebe
auch das einander Unähnlichste und am weitesten voneinander Ent-
legene auf Einen Stamm zurückgeführt wird, wird doch die An-
nahme eines mehrfachen Menschheitsursprungs für nöthig erklärt
und zum Agassiz'schen Gleichnisse von den wälderweise entstandenen
Fichten, bankweise entstandenen Häringen, heerdenweise entstandenen
Büffeln, rudelweise entstandenen Hirschen etc. zurückgegriffen! Es
ist kaum nöthig, die arge Jnconsequenz und Verkehrtheit eines solchen
Verfahrens näher darzuthun. Gerade die angesehensten Vertreter
der Schule, außer Häckel z. B. Darwin selbst, Huxley, Wallace etc.
hüten sich daher auch vor demselben und halten das Ausgegangen-

1) Ueber Vogt, Schaaffhausen, Caspari, v. Jhering, Fr. Müller u. AA.
als Vertreter dieser Combination von Darwinismus und Polygenismus s. m.
Gesch. der Bez., II, 773 f.
VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts.

Und dennoch läßt gerade der letztgenannte Forſcher alle dieſe
weit auseinander gehenden Gruppen oder Aeſte der Menſchheit auf
einen gemeinſamen Urſprung, nähmlich ſeinen darwiniſtiſchen Vor-
ausſetzungen gemäß auf ein im hypothetiſchen Lemurien zur Tertiär-
zeit aus anthropoiden Affen entwickeltes Geſchlecht von noch ſtummen
Urmenſchen (Alalen, Pithekanthropen) zurückgehen! Jm engeren
Sinne alſo leugnet er, im weiteren Sinne aber behauptet er die
Einheitlichkeit des Menſchheitsurſprunges! Aehnlich müſſen im
Grunde alle darwiniſtiſchen Anthropologen urtheilen, falls ſie con-
ſequent im Sinne ihrer Grundanſchauung verfahren wollen. Es iſt
zwar eine bei den Vertretern dieſer naturphiloſophiſchen Schule
keineswegs ſeltne, aber doch eine ungeheuerliche Combination, wenn
Beides miteinander behauptet wird, die Deſcendenz des Menſchen
vom Affen und der artlich getrennte Urſprung der Neger, Ameri-
kaner, Europäer, Malayen ꝛc., ſo daß demnach die Metamorphoſe
der Menſchenaffen in Affenmenſchen wie durch ein geſteigertes Zufalls-
wunder auf verſchiednen Schauplätzen zumal ſich zugetragen hätte!1)
Da, wo ſonſt alles Gewicht auf das Moment der Abſtammung
und Vererbung gelegt, wo in unbegrenztem Genealogiſirungstriebe
auch das einander Unähnlichſte und am weiteſten voneinander Ent-
legene auf Einen Stamm zurückgeführt wird, wird doch die An-
nahme eines mehrfachen Menſchheitsurſprungs für nöthig erklärt
und zum Agaſſiz’ſchen Gleichniſſe von den wälderweiſe entſtandenen
Fichten, bankweiſe entſtandenen Häringen, heerdenweiſe entſtandenen
Büffeln, rudelweiſe entſtandenen Hirſchen ꝛc. zurückgegriffen! Es
iſt kaum nöthig, die arge Jnconſequenz und Verkehrtheit eines ſolchen
Verfahrens näher darzuthun. Gerade die angeſehenſten Vertreter
der Schule, außer Häckel z. B. Darwin ſelbſt, Huxley, Wallace ꝛc.
hüten ſich daher auch vor demſelben und halten das Ausgegangen-

1) Ueber Vogt, Schaaffhauſen, Caspari, v. Jhering, Fr. Müller u. AA.
als Vertreter dieſer Combination von Darwinismus und Polygenismus ſ. m.
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[237/0247] VII. Der Urſitz des Menſchengeſchlechts. Und dennoch läßt gerade der letztgenannte Forſcher alle dieſe weit auseinander gehenden Gruppen oder Aeſte der Menſchheit auf einen gemeinſamen Urſprung, nähmlich ſeinen darwiniſtiſchen Vor- ausſetzungen gemäß auf ein im hypothetiſchen Lemurien zur Tertiär- zeit aus anthropoiden Affen entwickeltes Geſchlecht von noch ſtummen Urmenſchen (Alalen, Pithekanthropen) zurückgehen! Jm engeren Sinne alſo leugnet er, im weiteren Sinne aber behauptet er die Einheitlichkeit des Menſchheitsurſprunges! Aehnlich müſſen im Grunde alle darwiniſtiſchen Anthropologen urtheilen, falls ſie con- ſequent im Sinne ihrer Grundanſchauung verfahren wollen. Es iſt zwar eine bei den Vertretern dieſer naturphiloſophiſchen Schule keineswegs ſeltne, aber doch eine ungeheuerliche Combination, wenn Beides miteinander behauptet wird, die Deſcendenz des Menſchen vom Affen und der artlich getrennte Urſprung der Neger, Ameri- kaner, Europäer, Malayen ꝛc., ſo daß demnach die Metamorphoſe der Menſchenaffen in Affenmenſchen wie durch ein geſteigertes Zufalls- wunder auf verſchiednen Schauplätzen zumal ſich zugetragen hätte! 1) Da, wo ſonſt alles Gewicht auf das Moment der Abſtammung und Vererbung gelegt, wo in unbegrenztem Genealogiſirungstriebe auch das einander Unähnlichſte und am weiteſten voneinander Ent- legene auf Einen Stamm zurückgeführt wird, wird doch die An- nahme eines mehrfachen Menſchheitsurſprungs für nöthig erklärt und zum Agaſſiz’ſchen Gleichniſſe von den wälderweiſe entſtandenen Fichten, bankweiſe entſtandenen Häringen, heerdenweiſe entſtandenen Büffeln, rudelweiſe entſtandenen Hirſchen ꝛc. zurückgegriffen! Es iſt kaum nöthig, die arge Jnconſequenz und Verkehrtheit eines ſolchen Verfahrens näher darzuthun. Gerade die angeſehenſten Vertreter der Schule, außer Häckel z. B. Darwin ſelbſt, Huxley, Wallace ꝛc. hüten ſich daher auch vor demſelben und halten das Ausgegangen- 1) Ueber Vogt, Schaaffhauſen, Caspari, v. Jhering, Fr. Müller u. AA. als Vertreter dieſer Combination von Darwinismus und Polygenismus ſ. m. Geſch. der Bez., II, 773 f.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/247>, abgerufen am 24.11.2024.