Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.IX. Das Alter des Menschengeschlechts. gestützt entweder auf die Aussagen angeblich uralter Urkunden natio-naler Ueberlieferung, oder auf gewisse Vorgänge der Himmelswelt nach ihren Beziehungen zum organischen Leben auf der Erdoberfläche, oder endlich auf gewisse aus den Gebirgsschichten, aus Höhlen, Fluß- und Seenbetten etc. durch die geologische und archäologische Forschung zu Tage geförderte Jndicien betreffend das Alter der darin be- schlossenen organischen Reste oder menschlichen Kunstsachen. Ver- einigten sich die Aussagen dieser drei Classen von Zeugen in ungefähr gleicher Stärke zu Ungunsten dessen, was die Bibel vom Alter der Menschheit lehrt, so stünde es allerdings hierum bedenklich. Die Uebereinstimmung der fraglichen Gegeninstanzen existirt aber wesentlich nur in den vorgefaßten Meinungen und Postulaten der modernen Chronologen. Eine wissenschaftlich feste und sichre Basis hat die die Menschheitsgeschichte in ihren frühesten Anfangsepochen nach Myriaden von Jahren abschätzende Betrachtungsweise bisher noch durch keine jener Methoden gewonnen. 1. Aller Streit wäre überflüssig, wenn man irgendwelchen das IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts. geſtützt entweder auf die Ausſagen angeblich uralter Urkunden natio-naler Ueberlieferung, oder auf gewiſſe Vorgänge der Himmelswelt nach ihren Beziehungen zum organiſchen Leben auf der Erdoberfläche, oder endlich auf gewiſſe aus den Gebirgsſchichten, aus Höhlen, Fluß- und Seenbetten ꝛc. durch die geologiſche und archäologiſche Forſchung zu Tage geförderte Jndicien betreffend das Alter der darin be- ſchloſſenen organiſchen Reſte oder menſchlichen Kunſtſachen. Ver- einigten ſich die Ausſagen dieſer drei Claſſen von Zeugen in ungefähr gleicher Stärke zu Ungunſten deſſen, was die Bibel vom Alter der Menſchheit lehrt, ſo ſtünde es allerdings hierum bedenklich. Die Uebereinſtimmung der fraglichen Gegeninſtanzen exiſtirt aber weſentlich nur in den vorgefaßten Meinungen und Poſtulaten der modernen Chronologen. Eine wiſſenſchaftlich feſte und ſichre Baſis hat die die Menſchheitsgeſchichte in ihren früheſten Anfangsepochen nach Myriaden von Jahren abſchätzende Betrachtungsweiſe bisher noch durch keine jener Methoden gewonnen. 1. Aller Streit wäre überflüſſig, wenn man irgendwelchen das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0303" n="293"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">IX.</hi> Das Alter des Menſchengeſchlechts.</fw><lb/> geſtützt entweder auf die Ausſagen angeblich uralter Urkunden natio-<lb/> naler Ueberlieferung, oder auf gewiſſe Vorgänge der Himmelswelt<lb/> nach ihren Beziehungen zum organiſchen Leben auf der Erdoberfläche,<lb/> oder endlich auf gewiſſe aus den Gebirgsſchichten, aus Höhlen, Fluß-<lb/> und Seenbetten ꝛc. durch die geologiſche und archäologiſche Forſchung<lb/> zu Tage geförderte Jndicien betreffend das Alter der darin be-<lb/> ſchloſſenen organiſchen Reſte oder menſchlichen Kunſtſachen. Ver-<lb/> einigten ſich die Ausſagen dieſer drei Claſſen von Zeugen in ungefähr<lb/> gleicher Stärke zu Ungunſten deſſen, was die Bibel vom Alter der<lb/> Menſchheit lehrt, ſo ſtünde es allerdings hierum bedenklich. Die<lb/> Uebereinſtimmung der fraglichen Gegeninſtanzen exiſtirt aber weſentlich<lb/> nur in den vorgefaßten Meinungen und Poſtulaten der modernen<lb/> Chronologen. Eine wiſſenſchaftlich feſte und ſichre Baſis hat die die<lb/> Menſchheitsgeſchichte in ihren früheſten Anfangsepochen nach Myriaden<lb/> von Jahren abſchätzende Betrachtungsweiſe bisher noch durch keine<lb/> jener Methoden gewonnen.</p><lb/> <p>1. Aller Streit wäre überflüſſig, wenn man irgendwelchen das<lb/> Menſchheitsalter bis weit jenſeits des Jahrs 4000 v. Chr. zurück-<lb/> datirenden <hi rendition="#g">geſchichtlichen Berichten</hi> alter Völker Glauben<lb/> ſchenken dürfte. Glaubwürdige Berichte ſolcher Art ſind aber bis jetzt<lb/> nirgends nachgewieſen worden. Wo nur immer die wiſſenſchaftliche<lb/> Kritik den betreffenden Traditionen näher getreten iſt, hat ſich ent-<lb/> weder ein rein mythiſcher oder ein cykliſch vergrößernder oder ein<lb/> tendenziös erdichteter Charakter der auf viele Tauſende oder gar<lb/> Hunderttauſende von Jahren lautenden Zahlenangaben herausgeſtellt.<lb/> Die brahminiſch-indiſche Zeiteintheilung nach Kalpa’s oder Lebens-<lb/> tagen Brahmas zu je 432 Millionen Jahren und nach Yugas oder<lb/> Erdzeitaltern in der Länge von zwiſchen 2 Mill. und 130 000<lb/> Jahren iſt ein üppiges Phantaſieproduct ſpäten Urſprungs. Aehn-<lb/> liches gilt von den Sagen der Japaneſen betreffend die ¼ Million<lb/> Jahre währende Herrſchaft der Sonnengöttin und die zuſammen<lb/> über 2 Mill. Jahre betragenden Regierungszeiten der auf ſie ge-<lb/> folgten Halbgötter; deßgleichen von den ähnlichen Angaben der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [293/0303]
IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts.
geſtützt entweder auf die Ausſagen angeblich uralter Urkunden natio-
naler Ueberlieferung, oder auf gewiſſe Vorgänge der Himmelswelt
nach ihren Beziehungen zum organiſchen Leben auf der Erdoberfläche,
oder endlich auf gewiſſe aus den Gebirgsſchichten, aus Höhlen, Fluß-
und Seenbetten ꝛc. durch die geologiſche und archäologiſche Forſchung
zu Tage geförderte Jndicien betreffend das Alter der darin be-
ſchloſſenen organiſchen Reſte oder menſchlichen Kunſtſachen. Ver-
einigten ſich die Ausſagen dieſer drei Claſſen von Zeugen in ungefähr
gleicher Stärke zu Ungunſten deſſen, was die Bibel vom Alter der
Menſchheit lehrt, ſo ſtünde es allerdings hierum bedenklich. Die
Uebereinſtimmung der fraglichen Gegeninſtanzen exiſtirt aber weſentlich
nur in den vorgefaßten Meinungen und Poſtulaten der modernen
Chronologen. Eine wiſſenſchaftlich feſte und ſichre Baſis hat die die
Menſchheitsgeſchichte in ihren früheſten Anfangsepochen nach Myriaden
von Jahren abſchätzende Betrachtungsweiſe bisher noch durch keine
jener Methoden gewonnen.
1. Aller Streit wäre überflüſſig, wenn man irgendwelchen das
Menſchheitsalter bis weit jenſeits des Jahrs 4000 v. Chr. zurück-
datirenden geſchichtlichen Berichten alter Völker Glauben
ſchenken dürfte. Glaubwürdige Berichte ſolcher Art ſind aber bis jetzt
nirgends nachgewieſen worden. Wo nur immer die wiſſenſchaftliche
Kritik den betreffenden Traditionen näher getreten iſt, hat ſich ent-
weder ein rein mythiſcher oder ein cykliſch vergrößernder oder ein
tendenziös erdichteter Charakter der auf viele Tauſende oder gar
Hunderttauſende von Jahren lautenden Zahlenangaben herausgeſtellt.
Die brahminiſch-indiſche Zeiteintheilung nach Kalpa’s oder Lebens-
tagen Brahmas zu je 432 Millionen Jahren und nach Yugas oder
Erdzeitaltern in der Länge von zwiſchen 2 Mill. und 130 000
Jahren iſt ein üppiges Phantaſieproduct ſpäten Urſprungs. Aehn-
liches gilt von den Sagen der Japaneſen betreffend die ¼ Million
Jahre währende Herrſchaft der Sonnengöttin und die zuſammen
über 2 Mill. Jahre betragenden Regierungszeiten der auf ſie ge-
folgten Halbgötter; deßgleichen von den ähnlichen Angaben der
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