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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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I. Der Urstand nach kirchlicher Ueberlieferung.
ausspricht. Die Zweifel der Ungläubigen an der Geschichtlichkeit
der Makrobier überhaupt weist er ebenso bestimmt zurück, wie den
Versuch gewisser Rationalisten seiner Zeit, die Jahre zu Zehntels-
jahren zu reduciren. Ausführlich handelt er von der Differenz
zwischen alexandrinischem und hebräischem Texte, betreffend die
Zahlen bei den einzelnen Makrobiern, unter Bevorzugung der An-
gaben im Grundtexte. Den Hintergrund seiner apologetischen Er-
örterungen bildet die Voraussetzung, daß ein so langes Leben der
Urväter dem göttlichen Weltplane sowie dem Jnteresse des aus der
paradiesischen Urzeit sich entwickelnden Gottesstaates einzig entsprochen
habe.1) Jn ähnlicher Weise beschäftigte sich dann die Theologie des
Mittelalters gern mit diesem Thema (vgl. unten, IX), obschon fast
stets nur in einseitiger und wenig ersprießlicher Weise. Man spe-
culirte über Adams und Evas Tod und Begräbniß, ließ die Letztere
10 Jahre nach Ersterem, also genau 940 nach Erschaffung der
Welt, sterben; ließ das Grab Adams durch Noah, und zwar auf
dem Hügel Golgatha im hl. Lande, angelegt werden u. dgl. m.2)
Der weit und breit herrschenden mönchisch-ascetischen Lebensanschau-
ung entsprach es, wenn ein angebliches Nichtfleischessen der vorsint-
fluthlichen Väter, ein Leben von bloßer Pflanzenkost; als Ursache
für das hohe Alter, wozu sie es brachten, angegeben wurde. Dem
widersprachen verhältnißmäßig nur wenige Vertreter eines strengeren
exegetischen Verfahrens zu Gunsten der Annahme, daß jene aus-
schließlich vegetarianische Diät nur für die Paradieseszeit gegolten
habe. Auch die ältere evangelische Theologie hat sich an Specu-
lationen über diesen Punkt mehrfach betheiligt. Lutherische wie
reformirte Ausleger, und zwar anfänglich die Mehrheit von Beiden,
auch Luther selbst, billigten die römische Tradition von der Lebens-
weise der Menschen bis zur Fluth als einer nur an Pflanzenkost
gewöhnten. Nur langsam gewann die von Calvin vertretene freiere

1) De Civ. Dei XV, 9 ss.
2) Marianus Scotus in s. Chronicon; Comestor, Hist. schola-
stica etc.;
-- vgl. Salianus, Annales eccl. Vet. T., I.

I. Der Urſtand nach kirchlicher Ueberlieferung.
ausſpricht. Die Zweifel der Ungläubigen an der Geſchichtlichkeit
der Makrobier überhaupt weiſt er ebenſo beſtimmt zurück, wie den
Verſuch gewiſſer Rationaliſten ſeiner Zeit, die Jahre zu Zehntels-
jahren zu reduciren. Ausführlich handelt er von der Differenz
zwiſchen alexandriniſchem und hebräiſchem Texte, betreffend die
Zahlen bei den einzelnen Makrobiern, unter Bevorzugung der An-
gaben im Grundtexte. Den Hintergrund ſeiner apologetiſchen Er-
örterungen bildet die Vorausſetzung, daß ein ſo langes Leben der
Urväter dem göttlichen Weltplane ſowie dem Jntereſſe des aus der
paradieſiſchen Urzeit ſich entwickelnden Gottesſtaates einzig entſprochen
habe.1) Jn ähnlicher Weiſe beſchäftigte ſich dann die Theologie des
Mittelalters gern mit dieſem Thema (vgl. unten, IX), obſchon faſt
ſtets nur in einſeitiger und wenig erſprießlicher Weiſe. Man ſpe-
culirte über Adams und Evas Tod und Begräbniß, ließ die Letztere
10 Jahre nach Erſterem, alſo genau 940 nach Erſchaffung der
Welt, ſterben; ließ das Grab Adams durch Noah, und zwar auf
dem Hügel Golgatha im hl. Lande, angelegt werden u. dgl. m.2)
Der weit und breit herrſchenden mönchiſch-ascetiſchen Lebensanſchau-
ung entſprach es, wenn ein angebliches Nichtfleiſcheſſen der vorſint-
fluthlichen Väter, ein Leben von bloßer Pflanzenkoſt; als Urſache
für das hohe Alter, wozu ſie es brachten, angegeben wurde. Dem
widerſprachen verhältnißmäßig nur wenige Vertreter eines ſtrengeren
exegetiſchen Verfahrens zu Gunſten der Annahme, daß jene aus-
ſchließlich vegetarianiſche Diät nur für die Paradieſeszeit gegolten
habe. Auch die ältere evangeliſche Theologie hat ſich an Specu-
lationen über dieſen Punkt mehrfach betheiligt. Lutheriſche wie
reformirte Ausleger, und zwar anfänglich die Mehrheit von Beiden,
auch Luther ſelbſt, billigten die römiſche Tradition von der Lebens-
weiſe der Menſchen bis zur Fluth als einer nur an Pflanzenkoſt
gewöhnten. Nur langſam gewann die von Calvin vertretene freiere

1) De Civ. Dei XV, 9 ss.
2) Marianus Scotus in ſ. Chronicon; Comeſtor, Hist. schola-
stica etc.;
— vgl. Salianus, Annales eccl. Vet. T., I.
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[48/0058] I. Der Urſtand nach kirchlicher Ueberlieferung. ausſpricht. Die Zweifel der Ungläubigen an der Geſchichtlichkeit der Makrobier überhaupt weiſt er ebenſo beſtimmt zurück, wie den Verſuch gewiſſer Rationaliſten ſeiner Zeit, die Jahre zu Zehntels- jahren zu reduciren. Ausführlich handelt er von der Differenz zwiſchen alexandriniſchem und hebräiſchem Texte, betreffend die Zahlen bei den einzelnen Makrobiern, unter Bevorzugung der An- gaben im Grundtexte. Den Hintergrund ſeiner apologetiſchen Er- örterungen bildet die Vorausſetzung, daß ein ſo langes Leben der Urväter dem göttlichen Weltplane ſowie dem Jntereſſe des aus der paradieſiſchen Urzeit ſich entwickelnden Gottesſtaates einzig entſprochen habe. 1) Jn ähnlicher Weiſe beſchäftigte ſich dann die Theologie des Mittelalters gern mit dieſem Thema (vgl. unten, IX), obſchon faſt ſtets nur in einſeitiger und wenig erſprießlicher Weiſe. Man ſpe- culirte über Adams und Evas Tod und Begräbniß, ließ die Letztere 10 Jahre nach Erſterem, alſo genau 940 nach Erſchaffung der Welt, ſterben; ließ das Grab Adams durch Noah, und zwar auf dem Hügel Golgatha im hl. Lande, angelegt werden u. dgl. m. 2) Der weit und breit herrſchenden mönchiſch-ascetiſchen Lebensanſchau- ung entſprach es, wenn ein angebliches Nichtfleiſcheſſen der vorſint- fluthlichen Väter, ein Leben von bloßer Pflanzenkoſt; als Urſache für das hohe Alter, wozu ſie es brachten, angegeben wurde. Dem widerſprachen verhältnißmäßig nur wenige Vertreter eines ſtrengeren exegetiſchen Verfahrens zu Gunſten der Annahme, daß jene aus- ſchließlich vegetarianiſche Diät nur für die Paradieſeszeit gegolten habe. Auch die ältere evangeliſche Theologie hat ſich an Specu- lationen über dieſen Punkt mehrfach betheiligt. Lutheriſche wie reformirte Ausleger, und zwar anfänglich die Mehrheit von Beiden, auch Luther ſelbſt, billigten die römiſche Tradition von der Lebens- weiſe der Menſchen bis zur Fluth als einer nur an Pflanzenkoſt gewöhnten. Nur langſam gewann die von Calvin vertretene freiere 1) De Civ. Dei XV, 9 ss. 2) Marianus Scotus in ſ. Chronicon; Comeſtor, Hist. schola- stica etc.; — vgl. Salianus, Annales eccl. Vet. T., I.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/58>, abgerufen am 24.11.2024.