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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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I. Der Urstand nach kirchlicher Ueberlieferung.
das rohe Volk der erdgeborenen Wilden dazu vermocht, sich zur
Vernunft bilden zu lassen, etc. Das Entwicklungs ziel der Epoche
erscheint hier allerdings als ein ganz anderes, ja entgegengesetztes
wie dasjenige der vorsintfluthlichen Makrobierzeit; aber in der
Schilderung des eigenthümlich getheilten Zustands der Menschheit
und seines Ursprungs berühren sie sich unverkennbar, die biblisch
normirte Speculation des Reformators und die moderner geartete
des Philosophen. -- Schellings Darstellung der Anfänge des Cultur-
lebens in der "Einleitung in die Philosophie der Mythologie" er-
scheint als eine Fortbildung des Grundgedankens dieser Fichteschen
Conceptionen, wobei die mythische Figur eines idealen anderen
Adams oder Christus der Urzeit an die Stelle des "Normalvolks"
getreten ist und dessen culturfördernde und veredelnde Aufgabe
gegenüber den thierähnlich rohen Naturvölkern übertragen bekommen
hat. Auch in späteren geschichtsphilosophischen Systemen bis herab
in die jüngste Zeit ist der Gegensatz zwischen "activer" und "pas-
siver Menschheit" auf ähnliche Weise schon in die Urzeit zurück-
getragen und damit eine gewisse moderne Parallele zu jener luther-
schen Contrastirung der sethitischen Makrobier mit den Kainiten
geliefert worden. So u. a. von Ernst von Bunsen und besonders
von Konr. Hermann in Leipzig, dessen hellfarbige und culturfähigere
Race hochasiatischen Ursprungs einer dunklen und passiven Race
afrikanischen Ursprungs auf ähnliche Weise gegenübertritt, wie
Fichte's Normalvolk dem Geschlechte der Urwilden.1)

Naturalismus bildet den Hintergrund dieser Speculationen
mit ihrer die Ureinheit unsres Geschlechts preisgebenden co- oder

1) J. G. Fichte, Vorl. über d. Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters
(1804. 5). -- Schelling, Einleitung in die Philos. der Mythologie (Werke,
II. Abth. Bd. I, 1856). -- E. v. Bunsen, Die Einheit der Religionen, Bd.
I, 1868. -- Konr. Hermann, Philos. der Geschichte, 1870. -- Vgl. die kurzen
kritischen Darstellungen bei Rocholl, S. 100 f., 113 f., 352 f., sowie m. Abhdlg.:
"Peyrere's Präadamiten-Hypothese nach ihren Beziehungen zu den anthropolog.
Fragen der Gegeuwart", in der Zeitschr. f. d. ges. luth. Theol., 1878, S. 41 ff.

I. Der Urſtand nach kirchlicher Ueberlieferung.
das rohe Volk der erdgeborenen Wilden dazu vermocht, ſich zur
Vernunft bilden zu laſſen, ꝛc. Das Entwicklungs ziel der Epoche
erſcheint hier allerdings als ein ganz anderes, ja entgegengeſetztes
wie dasjenige der vorſintfluthlichen Makrobierzeit; aber in der
Schilderung des eigenthümlich getheilten Zuſtands der Menſchheit
und ſeines Urſprungs berühren ſie ſich unverkennbar, die bibliſch
normirte Speculation des Reformators und die moderner geartete
des Philoſophen. — Schellings Darſtellung der Anfänge des Cultur-
lebens in der „Einleitung in die Philoſophie der Mythologie‟ er-
ſcheint als eine Fortbildung des Grundgedankens dieſer Fichteſchen
Conceptionen, wobei die mythiſche Figur eines idealen anderen
Adams oder Chriſtus der Urzeit an die Stelle des „Normalvolks‟
getreten iſt und deſſen culturfördernde und veredelnde Aufgabe
gegenüber den thierähnlich rohen Naturvölkern übertragen bekommen
hat. Auch in ſpäteren geſchichtsphiloſophiſchen Syſtemen bis herab
in die jüngſte Zeit iſt der Gegenſatz zwiſchen „activer‟ und „paſ-
ſiver Menſchheit‟ auf ähnliche Weiſe ſchon in die Urzeit zurück-
getragen und damit eine gewiſſe moderne Parallele zu jener luther-
ſchen Contraſtirung der ſethitiſchen Makrobier mit den Kainiten
geliefert worden. So u. a. von Ernſt von Bunſen und beſonders
von Konr. Hermann in Leipzig, deſſen hellfarbige und culturfähigere
Race hochaſiatiſchen Urſprungs einer dunklen und paſſiven Race
afrikaniſchen Urſprungs auf ähnliche Weiſe gegenübertritt, wie
Fichte’s Normalvolk dem Geſchlechte der Urwilden.1)

Naturalismus bildet den Hintergrund dieſer Speculationen
mit ihrer die Ureinheit unſres Geſchlechts preisgebenden co- oder

1) J. G. Fichte, Vorl. über d. Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters
(1804. 5). — Schelling, Einleitung in die Philoſ. der Mythologie (Werke,
II. Abth. Bd. I, 1856). — E. v. Bunſen, Die Einheit der Religionen, Bd.
I, 1868. — Konr. Hermann, Philoſ. der Geſchichte, 1870. — Vgl. die kurzen
kritiſchen Darſtellungen bei Rocholl, S. 100 f., 113 f., 352 f., ſowie m. Abhdlg.:
„Peyrere’s Präadamiten-Hypotheſe nach ihren Beziehungen zu den anthropolog.
Fragen der Gegeuwart‟, in der Zeitſchr. f. d. geſ. luth. Theol., 1878, S. 41 ff.
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[52/0062] I. Der Urſtand nach kirchlicher Ueberlieferung. das rohe Volk der erdgeborenen Wilden dazu vermocht, ſich zur Vernunft bilden zu laſſen, ꝛc. Das Entwicklungs ziel der Epoche erſcheint hier allerdings als ein ganz anderes, ja entgegengeſetztes wie dasjenige der vorſintfluthlichen Makrobierzeit; aber in der Schilderung des eigenthümlich getheilten Zuſtands der Menſchheit und ſeines Urſprungs berühren ſie ſich unverkennbar, die bibliſch normirte Speculation des Reformators und die moderner geartete des Philoſophen. — Schellings Darſtellung der Anfänge des Cultur- lebens in der „Einleitung in die Philoſophie der Mythologie‟ er- ſcheint als eine Fortbildung des Grundgedankens dieſer Fichteſchen Conceptionen, wobei die mythiſche Figur eines idealen anderen Adams oder Chriſtus der Urzeit an die Stelle des „Normalvolks‟ getreten iſt und deſſen culturfördernde und veredelnde Aufgabe gegenüber den thierähnlich rohen Naturvölkern übertragen bekommen hat. Auch in ſpäteren geſchichtsphiloſophiſchen Syſtemen bis herab in die jüngſte Zeit iſt der Gegenſatz zwiſchen „activer‟ und „paſ- ſiver Menſchheit‟ auf ähnliche Weiſe ſchon in die Urzeit zurück- getragen und damit eine gewiſſe moderne Parallele zu jener luther- ſchen Contraſtirung der ſethitiſchen Makrobier mit den Kainiten geliefert worden. So u. a. von Ernſt von Bunſen und beſonders von Konr. Hermann in Leipzig, deſſen hellfarbige und culturfähigere Race hochaſiatiſchen Urſprungs einer dunklen und paſſiven Race afrikaniſchen Urſprungs auf ähnliche Weiſe gegenübertritt, wie Fichte’s Normalvolk dem Geſchlechte der Urwilden. 1) Naturalismus bildet den Hintergrund dieſer Speculationen mit ihrer die Ureinheit unſres Geſchlechts preisgebenden co- oder 1) J. G. Fichte, Vorl. über d. Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters (1804. 5). — Schelling, Einleitung in die Philoſ. der Mythologie (Werke, II. Abth. Bd. I, 1856). — E. v. Bunſen, Die Einheit der Religionen, Bd. I, 1868. — Konr. Hermann, Philoſ. der Geſchichte, 1870. — Vgl. die kurzen kritiſchen Darſtellungen bei Rocholl, S. 100 f., 113 f., 352 f., ſowie m. Abhdlg.: „Peyrere’s Präadamiten-Hypotheſe nach ihren Beziehungen zu den anthropolog. Fragen der Gegeuwart‟, in der Zeitſchr. f. d. geſ. luth. Theol., 1878, S. 41 ff.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/62>, abgerufen am 21.11.2024.