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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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II. Die Schriftlehre vom Urstande.

I. Belanglos ist die Differenz zwischen elohisti-
scher und jehovistischer Fassung des Begriffs der Gott-
bildlichkeit.
Was in Gen. 1, 26 f. direct und in gedrängter
Kürze ausgesagt wird, daß das Menschengeschlecht nach des heiligen
Gottes Bilde geschaffen sei, eben dieß erscheint in Gen. 2, 7 ff.
indirect ausgesagt und umständlicher in seine einzelnen Momente
zerlegt. Die freie, geistesmächtige Persönlichkeit des
Menschen, seine gottähnliche Herrscherwürde im Gegensatze zum un-
freien, ihm unterworfenen Creaturenleben, bildet das Gemeinsame
beider Schilderungen. Es thut nichts zur Sache, daß der zweite
Erzähler sich der Namen "Bild Gottes", oder "Gleichniß" (zelem,
d'mut
) nicht bedient. Wenn er den Menschen durch unmittelbare
Schöpferthätigkeit Gottes, als Seiner Hände Werk, sein Dasein
empfangen läßt, und zwar nicht wie die übrigen Creaturen durch
bloß äußerliche Erschaffung oder Bildung, sondern mittelst innerlichen
Eingehens in seinen Wesensbestand, mittelst Einhauchung Seines
göttlichen Lebensodems und Bildung einer lebendigen Seele: so
besagt er damit wesentlich dasselbe wie sein Vorgänger in Kap. 1
mit Hervorhebung des Geschaffenseins in Gottes Bilde und Gleichniß;
denn freies Herrschen über die niedere Creaturenwelt nach Gottes-
weise, nach dem Muster des himmlischen Weltherrschers, wird ja als
Jnhalt dieser Gottbildlichkeit angegeben. Erscheint doch auch nach
dem zweiten Erzähler das Herrschen über die belebten Creaturen
der Erde, als ein wesentlicher Ausfluß und Hauptzweck der vom
Schöpfer dem Menschen verliehenen Stellung; soll doch der geist-
durchhauchte Erdenkloß ebenso gut königlicher Beherrscher der Erde
sein, wie der nach Gottes Bilde Geschaffene! Soll doch ferner der
Eine wie der Andere diese seine Herrscherstellung nicht in abstracter
Vereinzelung verwirklichen, sondern gleich der göttlichen Urpersönlichkeit
in liebendem Gemeinschaftsleben und thätigem Geistesverkehr mit
Seinesgleichen, ebendamit aber aus der Ureinheit sich entwickelnd zur
Familie und also die Erde erfüllend! Soll doch endlich nach der
einen wie der anderen Darstellung Sünde ausgeschlossen sein von

II. Die Schriftlehre vom Urſtande.

I. Belanglos iſt die Differenz zwiſchen elohiſti-
ſcher und jehoviſtiſcher Faſſung des Begriffs der Gott-
bildlichkeit.
Was in Gen. 1, 26 f. direct und in gedrängter
Kürze ausgeſagt wird, daß das Menſchengeſchlecht nach des heiligen
Gottes Bilde geſchaffen ſei, eben dieß erſcheint in Gen. 2, 7 ff.
indirect ausgeſagt und umſtändlicher in ſeine einzelnen Momente
zerlegt. Die freie, geiſtesmächtige Perſönlichkeit des
Menſchen, ſeine gottähnliche Herrſcherwürde im Gegenſatze zum un-
freien, ihm unterworfenen Creaturenleben, bildet das Gemeinſame
beider Schilderungen. Es thut nichts zur Sache, daß der zweite
Erzähler ſich der Namen „Bild Gottes‟, oder „Gleichniß‟ (zelem,
d’mut
) nicht bedient. Wenn er den Menſchen durch unmittelbare
Schöpferthätigkeit Gottes, als Seiner Hände Werk, ſein Daſein
empfangen läßt, und zwar nicht wie die übrigen Creaturen durch
bloß äußerliche Erſchaffung oder Bildung, ſondern mittelſt innerlichen
Eingehens in ſeinen Weſensbeſtand, mittelſt Einhauchung Seines
göttlichen Lebensodems und Bildung einer lebendigen Seele: ſo
beſagt er damit weſentlich daſſelbe wie ſein Vorgänger in Kap. 1
mit Hervorhebung des Geſchaffenſeins in Gottes Bilde und Gleichniß;
denn freies Herrſchen über die niedere Creaturenwelt nach Gottes-
weiſe, nach dem Muſter des himmliſchen Weltherrſchers, wird ja als
Jnhalt dieſer Gottbildlichkeit angegeben. Erſcheint doch auch nach
dem zweiten Erzähler das Herrſchen über die belebten Creaturen
der Erde, als ein weſentlicher Ausfluß und Hauptzweck der vom
Schöpfer dem Menſchen verliehenen Stellung; ſoll doch der geiſt-
durchhauchte Erdenkloß ebenſo gut königlicher Beherrſcher der Erde
ſein, wie der nach Gottes Bilde Geſchaffene! Soll doch ferner der
Eine wie der Andere dieſe ſeine Herrſcherſtellung nicht in abſtracter
Vereinzelung verwirklichen, ſondern gleich der göttlichen Urperſönlichkeit
in liebendem Gemeinſchaftsleben und thätigem Geiſtesverkehr mit
Seinesgleichen, ebendamit aber aus der Ureinheit ſich entwickelnd zur
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[59/0069] II. Die Schriftlehre vom Urſtande. I. Belanglos iſt die Differenz zwiſchen elohiſti- ſcher und jehoviſtiſcher Faſſung des Begriffs der Gott- bildlichkeit. Was in Gen. 1, 26 f. direct und in gedrängter Kürze ausgeſagt wird, daß das Menſchengeſchlecht nach des heiligen Gottes Bilde geſchaffen ſei, eben dieß erſcheint in Gen. 2, 7 ff. indirect ausgeſagt und umſtändlicher in ſeine einzelnen Momente zerlegt. Die freie, geiſtesmächtige Perſönlichkeit des Menſchen, ſeine gottähnliche Herrſcherwürde im Gegenſatze zum un- freien, ihm unterworfenen Creaturenleben, bildet das Gemeinſame beider Schilderungen. Es thut nichts zur Sache, daß der zweite Erzähler ſich der Namen „Bild Gottes‟, oder „Gleichniß‟ (zelem, d’mut) nicht bedient. Wenn er den Menſchen durch unmittelbare Schöpferthätigkeit Gottes, als Seiner Hände Werk, ſein Daſein empfangen läßt, und zwar nicht wie die übrigen Creaturen durch bloß äußerliche Erſchaffung oder Bildung, ſondern mittelſt innerlichen Eingehens in ſeinen Weſensbeſtand, mittelſt Einhauchung Seines göttlichen Lebensodems und Bildung einer lebendigen Seele: ſo beſagt er damit weſentlich daſſelbe wie ſein Vorgänger in Kap. 1 mit Hervorhebung des Geſchaffenſeins in Gottes Bilde und Gleichniß; denn freies Herrſchen über die niedere Creaturenwelt nach Gottes- weiſe, nach dem Muſter des himmliſchen Weltherrſchers, wird ja als Jnhalt dieſer Gottbildlichkeit angegeben. Erſcheint doch auch nach dem zweiten Erzähler das Herrſchen über die belebten Creaturen der Erde, als ein weſentlicher Ausfluß und Hauptzweck der vom Schöpfer dem Menſchen verliehenen Stellung; ſoll doch der geiſt- durchhauchte Erdenkloß ebenſo gut königlicher Beherrſcher der Erde ſein, wie der nach Gottes Bilde Geſchaffene! Soll doch ferner der Eine wie der Andere dieſe ſeine Herrſcherſtellung nicht in abſtracter Vereinzelung verwirklichen, ſondern gleich der göttlichen Urperſönlichkeit in liebendem Gemeinſchaftsleben und thätigem Geiſtesverkehr mit Seinesgleichen, ebendamit aber aus der Ureinheit ſich entwickelnd zur Familie und alſo die Erde erfüllend! Soll doch endlich nach der einen wie der anderen Darſtellung Sünde ausgeſchloſſen ſein von

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/69>, abgerufen am 21.11.2024.