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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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II. Die Schriftlehre vom Urstande.
selber, und ebendarum kein einsamer Gott, sondern ein von Ewigkeit
her seine Liebesfülle in seinen Sohn ausgießender und seinen heiligen
Geist mit diesem zusammen aushauchender dreifaltiger Gott, der erst
als Vater Jesu Christi und als Geber des Geistes die ganze Fülle
seines göttlichen Wesens erschlossen und bekannt gegeben hat. Es
ist in der That etwas Wahres und Berechtigtes an jenen Versuchen
der älteren kirchlichen Dogmatik, welche Gott schon in seinem welt-
schöpferischen Thun und zumal da, wo er den Menschen nach seinem
Bilde schafft, als Dreieinigen begreifen wollen. Anders freilich als
im Lichte des Neuen Testaments läßt sich sein dreieiniges Wesen
aus den Schöpfungsberichten nicht erkennen. Es heißt eine exegetische
Gewaltthat verüben, wenn man, wie viele ältere Ausleger der
Kirche thaten, das "Lasset uns Menschen machen" 1. Mos. 1, 26
als eine Berathschlagung zwischen Vater und Sohn faßt, oder das
"ein Bild, das uns gleich sei" (Bild wie unser Gleichniß) in ent-
sprechendem Sinne, als auf die Personen der Trinität hinweisend
deutet. Eine innere göttliche Wesensfülle, eine unendliche Mannig-
faltigkeit ewiger Lebenskräfte in Gott mag man in diesen pluralischen
Ausdrücken angedeutet finden: trinitarisch im neutestamentlichen oder
gar im kirchlichen Sinne können sie nicht gemeint sein. Eher schon
darf in der Angabe des zweiten Schöpfungsberichtes, daß der Mensch
durch Einhauchung göttlichen Odems in irdisches Staubgebilde zur
lebendigen Seele geworden sei, eine Hindeutung auf das trinitarische
Wesen des göttlichen Urbilds erblickt werden, doch bedarf auch diese
Deutung vorsichtiger Umgrenzung und Restriction. Drei Wesens-
factoren des Menschen werden in Gen. 2, 7 allerdings genannt:
der Staub der Erde, aus welchem er gebildet wird, der Geist, der
ihm von Gott eingehaucht wird, die lebende Seele, welche er in
Folge dessen ist; allein diese Factoren, geschöpflich bedingter und
beschränkter Art wie sie nun einmal sind, constituiren keine derartige
Einheit wie die drei Personen des göttlichen Wesens. Sie ergeben
keine Trinität, sondern lediglich eine Trichotomie; nicht eine ewig
untheilbare und absolut unauflösliche Dreieinigkeit stellt das mensch-

II. Die Schriftlehre vom Urſtande.
ſelber, und ebendarum kein einſamer Gott, ſondern ein von Ewigkeit
her ſeine Liebesfülle in ſeinen Sohn ausgießender und ſeinen heiligen
Geiſt mit dieſem zuſammen aushauchender dreifaltiger Gott, der erſt
als Vater Jeſu Chriſti und als Geber des Geiſtes die ganze Fülle
ſeines göttlichen Weſens erſchloſſen und bekannt gegeben hat. Es
iſt in der That etwas Wahres und Berechtigtes an jenen Verſuchen
der älteren kirchlichen Dogmatik, welche Gott ſchon in ſeinem welt-
ſchöpferiſchen Thun und zumal da, wo er den Menſchen nach ſeinem
Bilde ſchafft, als Dreieinigen begreifen wollen. Anders freilich als
im Lichte des Neuen Teſtaments läßt ſich ſein dreieiniges Weſen
aus den Schöpfungsberichten nicht erkennen. Es heißt eine exegetiſche
Gewaltthat verüben, wenn man, wie viele ältere Ausleger der
Kirche thaten, das „Laſſet uns Menſchen machen‟ 1. Moſ. 1, 26
als eine Berathſchlagung zwiſchen Vater und Sohn faßt, oder das
„ein Bild, das uns gleich ſei‟ (Bild wie unſer Gleichniß) in ent-
ſprechendem Sinne, als auf die Perſonen der Trinität hinweiſend
deutet. Eine innere göttliche Weſensfülle, eine unendliche Mannig-
faltigkeit ewiger Lebenskräfte in Gott mag man in dieſen pluraliſchen
Ausdrücken angedeutet finden: trinitariſch im neuteſtamentlichen oder
gar im kirchlichen Sinne können ſie nicht gemeint ſein. Eher ſchon
darf in der Angabe des zweiten Schöpfungsberichtes, daß der Menſch
durch Einhauchung göttlichen Odems in irdiſches Staubgebilde zur
lebendigen Seele geworden ſei, eine Hindeutung auf das trinitariſche
Weſen des göttlichen Urbilds erblickt werden, doch bedarf auch dieſe
Deutung vorſichtiger Umgrenzung und Reſtriction. Drei Weſens-
factoren des Menſchen werden in Gen. 2, 7 allerdings genannt:
der Staub der Erde, aus welchem er gebildet wird, der Geiſt, der
ihm von Gott eingehaucht wird, die lebende Seele, welche er in
Folge deſſen iſt; allein dieſe Factoren, geſchöpflich bedingter und
beſchränkter Art wie ſie nun einmal ſind, conſtituiren keine derartige
Einheit wie die drei Perſonen des göttlichen Weſens. Sie ergeben
keine Trinität, ſondern lediglich eine Trichotomie; nicht eine ewig
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[62/0072] II. Die Schriftlehre vom Urſtande. ſelber, und ebendarum kein einſamer Gott, ſondern ein von Ewigkeit her ſeine Liebesfülle in ſeinen Sohn ausgießender und ſeinen heiligen Geiſt mit dieſem zuſammen aushauchender dreifaltiger Gott, der erſt als Vater Jeſu Chriſti und als Geber des Geiſtes die ganze Fülle ſeines göttlichen Weſens erſchloſſen und bekannt gegeben hat. Es iſt in der That etwas Wahres und Berechtigtes an jenen Verſuchen der älteren kirchlichen Dogmatik, welche Gott ſchon in ſeinem welt- ſchöpferiſchen Thun und zumal da, wo er den Menſchen nach ſeinem Bilde ſchafft, als Dreieinigen begreifen wollen. Anders freilich als im Lichte des Neuen Teſtaments läßt ſich ſein dreieiniges Weſen aus den Schöpfungsberichten nicht erkennen. Es heißt eine exegetiſche Gewaltthat verüben, wenn man, wie viele ältere Ausleger der Kirche thaten, das „Laſſet uns Menſchen machen‟ 1. Moſ. 1, 26 als eine Berathſchlagung zwiſchen Vater und Sohn faßt, oder das „ein Bild, das uns gleich ſei‟ (Bild wie unſer Gleichniß) in ent- ſprechendem Sinne, als auf die Perſonen der Trinität hinweiſend deutet. Eine innere göttliche Weſensfülle, eine unendliche Mannig- faltigkeit ewiger Lebenskräfte in Gott mag man in dieſen pluraliſchen Ausdrücken angedeutet finden: trinitariſch im neuteſtamentlichen oder gar im kirchlichen Sinne können ſie nicht gemeint ſein. Eher ſchon darf in der Angabe des zweiten Schöpfungsberichtes, daß der Menſch durch Einhauchung göttlichen Odems in irdiſches Staubgebilde zur lebendigen Seele geworden ſei, eine Hindeutung auf das trinitariſche Weſen des göttlichen Urbilds erblickt werden, doch bedarf auch dieſe Deutung vorſichtiger Umgrenzung und Reſtriction. Drei Weſens- factoren des Menſchen werden in Gen. 2, 7 allerdings genannt: der Staub der Erde, aus welchem er gebildet wird, der Geiſt, der ihm von Gott eingehaucht wird, die lebende Seele, welche er in Folge deſſen iſt; allein dieſe Factoren, geſchöpflich bedingter und beſchränkter Art wie ſie nun einmal ſind, conſtituiren keine derartige Einheit wie die drei Perſonen des göttlichen Weſens. Sie ergeben keine Trinität, ſondern lediglich eine Trichotomie; nicht eine ewig untheilbare und abſolut unauflösliche Dreieinigkeit ſtellt das menſch-

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/72>, abgerufen am 21.11.2024.