Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.II. Die Schriftlehre vom Urstande. "Geister vollendeter Gerechter" (Hebr. 12, 23), sollen wir einst desewigen Lebens theilhaftig werden. Von diesem Entwickluns ziele aus begreift sich der Entwicklungs anfang des menschlichen Wesens, wie er in Gen. 2, 7 angedeutet ist. Gleichwie der göttliche Schöpfer von Ewigkeit her seine unergründliche Wesensfülle in den drei Existenzformen und Heilsgründen: als Vater, als Sohn und als Geist, zur Darstellung bringt, so soll auch das menschliche Ebenbild des Schöpfers, wenn es dereinst vollständig gereinigt sein wird von den Trübungen und Störungen der Sünde, sich in seiner aner- schaffenen Jntegrität (Holoklerie) darstellen: als seelisches und leib- liches Wesen nicht nur, sondern vor allem als geistliches. Der Mensch als Gottes Bild ist Seele, er hat einen Leib, er soll Geist werden; Geist, göttlich eingegebner Lebensodem, ist der tiefste Grund seines Wesens, aber auch das hehre Ziel, zu welchem er, genährt und gelehrt vom heiligen Gottesgeiste, heranwachsen und sich bilden soll1) III. Nicht als individuelle Einzelperson, sondern 1) Vgl. Schöberlein, Die Geheimnisse des Glaubens, (Heidelberg 1872),
S. 303: "Der Leib ist das Substrat des menschlichen Lebens, der Geist das Princip, von welchem die Kraft des Lebens ausgeht, und die Seele das Leben selbst, welches ein ebenso leibgetragenes als geistgewirktes ist" etc. Aehnlich J. P. Lange, Posit. Dogmatik, S. 298 ff., besonders 301: "Der Mensch als Leiblichkeit wird irdisch geboren, der Mensch als Seele wird himmlisch geschaffen; der Mensch als Geist wird von Gott gehaucht und von Gott gesandt. Der Geist bildet ein Jenseits für die Natur, mithin auch für die Form des Werdens; in dem Begriff des werdenden Geistes ist der Begriff des Geistes nicht ganz erreicht", u. s. f. II. Die Schriftlehre vom Urſtande. „Geiſter vollendeter Gerechter‟ (Hebr. 12, 23), ſollen wir einſt desewigen Lebens theilhaftig werden. Von dieſem Entwickluns ziele aus begreift ſich der Entwicklungs anfang des menſchlichen Weſens, wie er in Gen. 2, 7 angedeutet iſt. Gleichwie der göttliche Schöpfer von Ewigkeit her ſeine unergründliche Weſensfülle in den drei Exiſtenzformen und Heilsgründen: als Vater, als Sohn und als Geiſt, zur Darſtellung bringt, ſo ſoll auch das menſchliche Ebenbild des Schöpfers, wenn es dereinſt vollſtändig gereinigt ſein wird von den Trübungen und Störungen der Sünde, ſich in ſeiner aner- ſchaffenen Jntegrität (Holoklerie) darſtellen: als ſeeliſches und leib- liches Weſen nicht nur, ſondern vor allem als geiſtliches. Der Menſch als Gottes Bild iſt Seele, er hat einen Leib, er ſoll Geiſt werden; Geiſt, göttlich eingegebner Lebensodem, iſt der tiefſte Grund ſeines Weſens, aber auch das hehre Ziel, zu welchem er, genährt und gelehrt vom heiligen Gottesgeiſte, heranwachſen und ſich bilden ſoll1) III. Nicht als individuelle Einzelperſon, ſondern 1) Vgl. Schöberlein, Die Geheimniſſe des Glaubens, (Heidelberg 1872),
S. 303: „Der Leib iſt das Subſtrat des menſchlichen Lebens, der Geiſt das Princip, von welchem die Kraft des Lebens ausgeht, und die Seele das Leben ſelbſt, welches ein ebenſo leibgetragenes als geiſtgewirktes iſt‟ ꝛc. Aehnlich J. P. Lange, Poſit. Dogmatik, S. 298 ff., beſonders 301: „Der Menſch als Leiblichkeit wird irdiſch geboren, der Menſch als Seele wird himmliſch geſchaffen; der Menſch als Geiſt wird von Gott gehaucht und von Gott geſandt. Der Geiſt bildet ein Jenſeits für die Natur, mithin auch für die Form des Werdens; in dem Begriff des werdenden Geiſtes iſt der Begriff des Geiſtes nicht ganz erreicht‟, u. ſ. f. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0074" n="64"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Die Schriftlehre vom Urſtande.</fw><lb/> „Geiſter vollendeter Gerechter‟ (Hebr. 12, 23), ſollen wir einſt des<lb/> ewigen Lebens theilhaftig werden. Von dieſem Entwickluns <hi rendition="#g">ziele</hi><lb/> aus begreift ſich der Entwicklungs <hi rendition="#g">anfang</hi> des menſchlichen Weſens,<lb/> wie er in Gen. 2, 7 angedeutet iſt. Gleichwie der göttliche Schöpfer<lb/> von Ewigkeit her ſeine unergründliche Weſensfülle in den drei<lb/> Exiſtenzformen und Heilsgründen: als Vater, als Sohn und als<lb/> Geiſt, zur Darſtellung bringt, ſo ſoll auch das menſchliche Ebenbild<lb/> des Schöpfers, wenn es dereinſt vollſtändig gereinigt ſein wird von<lb/> den Trübungen und Störungen der Sünde, ſich in ſeiner aner-<lb/> ſchaffenen Jntegrität (Holoklerie) darſtellen: als ſeeliſches und leib-<lb/> liches Weſen nicht nur, ſondern vor allem als geiſtliches. Der<lb/> Menſch als Gottes Bild <hi rendition="#g">iſt</hi> Seele, er <hi rendition="#g">hat</hi> einen Leib, er <hi rendition="#g">ſoll</hi><lb/> Geiſt <hi rendition="#g">werden;</hi> Geiſt, göttlich eingegebner Lebensodem, iſt der<lb/> tiefſte Grund ſeines Weſens, aber auch das hehre Ziel, zu welchem<lb/> er, genährt und gelehrt vom heiligen Gottesgeiſte, heranwachſen und<lb/> ſich bilden ſoll<note place="foot" n="1)">Vgl. <hi rendition="#g">Schöberlein,</hi> Die Geheimniſſe des Glaubens, (Heidelberg 1872),<lb/> S. 303: „Der Leib iſt das Subſtrat des menſchlichen Lebens, der Geiſt das<lb/> Princip, von welchem die Kraft des Lebens ausgeht, und die Seele das Leben<lb/> ſelbſt, welches ein ebenſo leibgetragenes als geiſtgewirktes iſt‟ ꝛc. Aehnlich<lb/> J. P. <hi rendition="#g">Lange,</hi> Poſit. Dogmatik, S. 298 ff., beſonders 301: „Der Menſch als<lb/> Leiblichkeit wird <hi rendition="#g">irdiſch geboren,</hi> der Menſch als Seele wird <hi rendition="#g">himmliſch<lb/> geſchaffen;</hi> der Menſch als Geiſt wird <hi rendition="#g">von Gott gehaucht</hi> und von Gott<lb/> geſandt. Der Geiſt bildet ein <hi rendition="#g">Jenſeits</hi> für die Natur, mithin auch für die<lb/> Form des <hi rendition="#g">Werdens;</hi> in dem Begriff des <hi rendition="#g">werdenden</hi> Geiſtes iſt der Begriff<lb/> des Geiſtes nicht ganz erreicht‟, u. ſ. f.</note></p><lb/> <p><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Nicht als individuelle Einzelperſon, ſondern<lb/> als Vielheit menſchlicher Jndividuen, als Menſch-<lb/> heitsfamilie, ſoll der Menſch die Gottheit abbildlich<lb/> darſtellen.</hi> Der Gottesſegen, welcher ihn auf Gemeinſchaftsbildung,<lb/> auf Vermehrung bis zu völliger Füllung ſeiner irdiſchen Wohnſtätte<lb/> hinweiſt, begleitet ihn vom erſten Beginn ſeines Erdendaſeins an.<lb/> Seine Erſchaffung iſt erſt da vollendet, wo die ihm entſprechende<lb/> Lebensgefährtin als „Mutter der Lebendigen‟, ihm zugeſellt worden.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [64/0074]
II. Die Schriftlehre vom Urſtande.
„Geiſter vollendeter Gerechter‟ (Hebr. 12, 23), ſollen wir einſt des
ewigen Lebens theilhaftig werden. Von dieſem Entwickluns ziele
aus begreift ſich der Entwicklungs anfang des menſchlichen Weſens,
wie er in Gen. 2, 7 angedeutet iſt. Gleichwie der göttliche Schöpfer
von Ewigkeit her ſeine unergründliche Weſensfülle in den drei
Exiſtenzformen und Heilsgründen: als Vater, als Sohn und als
Geiſt, zur Darſtellung bringt, ſo ſoll auch das menſchliche Ebenbild
des Schöpfers, wenn es dereinſt vollſtändig gereinigt ſein wird von
den Trübungen und Störungen der Sünde, ſich in ſeiner aner-
ſchaffenen Jntegrität (Holoklerie) darſtellen: als ſeeliſches und leib-
liches Weſen nicht nur, ſondern vor allem als geiſtliches. Der
Menſch als Gottes Bild iſt Seele, er hat einen Leib, er ſoll
Geiſt werden; Geiſt, göttlich eingegebner Lebensodem, iſt der
tiefſte Grund ſeines Weſens, aber auch das hehre Ziel, zu welchem
er, genährt und gelehrt vom heiligen Gottesgeiſte, heranwachſen und
ſich bilden ſoll 1)
III. Nicht als individuelle Einzelperſon, ſondern
als Vielheit menſchlicher Jndividuen, als Menſch-
heitsfamilie, ſoll der Menſch die Gottheit abbildlich
darſtellen. Der Gottesſegen, welcher ihn auf Gemeinſchaftsbildung,
auf Vermehrung bis zu völliger Füllung ſeiner irdiſchen Wohnſtätte
hinweiſt, begleitet ihn vom erſten Beginn ſeines Erdendaſeins an.
Seine Erſchaffung iſt erſt da vollendet, wo die ihm entſprechende
Lebensgefährtin als „Mutter der Lebendigen‟, ihm zugeſellt worden.
1) Vgl. Schöberlein, Die Geheimniſſe des Glaubens, (Heidelberg 1872),
S. 303: „Der Leib iſt das Subſtrat des menſchlichen Lebens, der Geiſt das
Princip, von welchem die Kraft des Lebens ausgeht, und die Seele das Leben
ſelbſt, welches ein ebenſo leibgetragenes als geiſtgewirktes iſt‟ ꝛc. Aehnlich
J. P. Lange, Poſit. Dogmatik, S. 298 ff., beſonders 301: „Der Menſch als
Leiblichkeit wird irdiſch geboren, der Menſch als Seele wird himmliſch
geſchaffen; der Menſch als Geiſt wird von Gott gehaucht und von Gott
geſandt. Der Geiſt bildet ein Jenſeits für die Natur, mithin auch für die
Form des Werdens; in dem Begriff des werdenden Geiſtes iſt der Begriff
des Geiſtes nicht ganz erreicht‟, u. ſ. f.
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