Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.II. Die Schriftlehre vom Urstande. überhaupt 1 Mos. 4, 17--22). -- Die Durchsichtigkeit der hebräi-schen Namenbildungen reizt dazu, auch in der sethitischen Patriarchen- reihe etwelche derartige Anspielungen auf Culturanfänge und -Fort- schritte zu muthmaaßen; wie es denn geradezu versucht worden ist, mittelst solcher etymologischer Deutungen in den Erzvätern zwischen Seth und Noah bedeutungsvolle Embleme culturgeschichtlicher Ent- wicklungsmomente nachzuweisen.1) Wissenschaftlich undurchführbar, wie dieser Versuch jedenfalls ist, schließt er doch wohl einzelne Wahr- heitsmomente in sich; es kann immerhin als bedeutsam gelten, daß der Name Kenan's (Gen. 5, 9) s. v. a. "Handel, Erwerb" besagt, oder daß Thubalkains sethitischer Zeitgenosse, der Längstlebende aller Makrobier, Metuschelach, d. i. "Mann des Geschosses" heißt (5, 21). Auf jeden Fall tritt, als Resultat der sethitisch-erzväterlichen Ent- wicklung, statt etwaiger Unwissenheit und roher Barbarei im Archen- baue Noahs ein nicht unbeträchtliches Fortgeschrittensein in kunst- vollen technischen Verrichtungen zu Tage (6, 14 ff.). Und alsbald nach der Fluth gesellt sich eine Reihe weiterer cultureller Fortschritte hinzu, anhebend mit Noahs Pflanzung und Pflege des Weinstocks (9, 20) und besonders im Kreise der hamitischen Völker ausgedehnte und vielseitig bedeutsame Erfolge erzielend (1 Mos. 10, 8--12). Wie denn auch schon das große Unternehmen des Thurmbaus in der Ebene Sinear hauptsächlich auf Rechnung von Angehörigen dieses Menschheitsastes gekommen sein dürfte (1 Mos. 11, 1--9). Es unterliegt nach dem Allem keinem Zweifel, daß die Bibel 1) So beispielsweise Böttcher, De inferis etc. (Dresden 1846), § 245, und Ewald, in 23. I seiner Geschichte Jsraels. Vgl. dagegen Delitzsch, Genesis, 4. A., S. 184. Zöckler, Urstand. 6
II. Die Schriftlehre vom Urſtande. überhaupt 1 Moſ. 4, 17—22). — Die Durchſichtigkeit der hebräi-ſchen Namenbildungen reizt dazu, auch in der ſethitiſchen Patriarchen- reihe etwelche derartige Anſpielungen auf Culturanfänge und -Fort- ſchritte zu muthmaaßen; wie es denn geradezu verſucht worden iſt, mittelſt ſolcher etymologiſcher Deutungen in den Erzvätern zwiſchen Seth und Noah bedeutungsvolle Embleme culturgeſchichtlicher Ent- wicklungsmomente nachzuweiſen.1) Wiſſenſchaftlich undurchführbar, wie dieſer Verſuch jedenfalls iſt, ſchließt er doch wohl einzelne Wahr- heitsmomente in ſich; es kann immerhin als bedeutſam gelten, daß der Name Kenan’s (Gen. 5, 9) ſ. v. a. „Handel, Erwerb‟ beſagt, oder daß Thubalkains ſethitiſcher Zeitgenoſſe, der Längſtlebende aller Makrobier, Metuſchelach, d. i. „Mann des Geſchoſſes‟ heißt (5, 21). Auf jeden Fall tritt, als Reſultat der ſethitiſch-erzväterlichen Ent- wicklung, ſtatt etwaiger Unwiſſenheit und roher Barbarei im Archen- baue Noahs ein nicht unbeträchtliches Fortgeſchrittenſein in kunſt- vollen techniſchen Verrichtungen zu Tage (6, 14 ff.). Und alsbald nach der Fluth geſellt ſich eine Reihe weiterer cultureller Fortſchritte hinzu, anhebend mit Noahs Pflanzung und Pflege des Weinſtocks (9, 20) und beſonders im Kreiſe der hamitiſchen Völker ausgedehnte und vielſeitig bedeutſame Erfolge erzielend (1 Moſ. 10, 8—12). Wie denn auch ſchon das große Unternehmen des Thurmbaus in der Ebene Sinear hauptſächlich auf Rechnung von Angehörigen dieſes Menſchheitsaſtes gekommen ſein dürfte (1 Moſ. 11, 1—9). Es unterliegt nach dem Allem keinem Zweifel, daß die Bibel 1) So beiſpielsweiſe Böttcher, De inferis etc. (Dresden 1846), § 245, und Ewald, in 23. I ſeiner Geſchichte Jsraels. Vgl. dagegen Delitzſch, Geneſis, 4. A., S. 184. Zöckler, Urſtand. 6
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II. Die Schriftlehre vom Urſtande.
überhaupt 1 Moſ. 4, 17—22). — Die Durchſichtigkeit der hebräi-
ſchen Namenbildungen reizt dazu, auch in der ſethitiſchen Patriarchen-
reihe etwelche derartige Anſpielungen auf Culturanfänge und -Fort-
ſchritte zu muthmaaßen; wie es denn geradezu verſucht worden iſt,
mittelſt ſolcher etymologiſcher Deutungen in den Erzvätern zwiſchen
Seth und Noah bedeutungsvolle Embleme culturgeſchichtlicher Ent-
wicklungsmomente nachzuweiſen. 1) Wiſſenſchaftlich undurchführbar,
wie dieſer Verſuch jedenfalls iſt, ſchließt er doch wohl einzelne Wahr-
heitsmomente in ſich; es kann immerhin als bedeutſam gelten, daß
der Name Kenan’s (Gen. 5, 9) ſ. v. a. „Handel, Erwerb‟ beſagt,
oder daß Thubalkains ſethitiſcher Zeitgenoſſe, der Längſtlebende aller
Makrobier, Metuſchelach, d. i. „Mann des Geſchoſſes‟ heißt (5, 21).
Auf jeden Fall tritt, als Reſultat der ſethitiſch-erzväterlichen Ent-
wicklung, ſtatt etwaiger Unwiſſenheit und roher Barbarei im Archen-
baue Noahs ein nicht unbeträchtliches Fortgeſchrittenſein in kunſt-
vollen techniſchen Verrichtungen zu Tage (6, 14 ff.). Und alsbald
nach der Fluth geſellt ſich eine Reihe weiterer cultureller Fortſchritte
hinzu, anhebend mit Noahs Pflanzung und Pflege des Weinſtocks
(9, 20) und beſonders im Kreiſe der hamitiſchen Völker ausgedehnte
und vielſeitig bedeutſame Erfolge erzielend (1 Moſ. 10, 8—12).
Wie denn auch ſchon das große Unternehmen des Thurmbaus in
der Ebene Sinear hauptſächlich auf Rechnung von Angehörigen
dieſes Menſchheitsaſtes gekommen ſein dürfte (1 Moſ. 11, 1—9).
Es unterliegt nach dem Allem keinem Zweifel, daß die Bibel
beiderlei Vorſtellungsweiſen zugleich begünſtigt, die degradationiſtiſche
und die progreſſiſtiſche. Sie lehrt außer dem langſamen Herabſinken
in phyſiſch-ſittlicher Hinſicht auch ein langſames Aufſteigen in ökono-
miſcher und gewerblicher Hinſicht. Entdeckungen der modernen
1) So beiſpielsweiſe Böttcher, De inferis etc. (Dresden 1846), § 245,
und Ewald, in 23. I ſeiner Geſchichte Jsraels. Vgl. dagegen Delitzſch,
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