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Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Sein Regiment machte auch den zweiten Zug gegen Frankreich mit und kehrte endlich, nach vollbrachtem Werke, unter Paukenschlag und Sing und Sang in die Heimath zurück.

Waldrich, der in zwei Schlachten und mehreren Gefechten gestritten hatte, war so glücklich gewesen, ohne alle Wunden davonzukommen. Er schmeichelte sich, als einer der Vaterlandshelden zur Belohnung bald vorzugsweise eine bürgerliche Anstellung zu erhalten. Er war beim Regiments wegen seiner Liebenswürdigkeit und vielen Kenntnisse sehr geachtet. Allein mit der Anstellung ging es nicht so schnell, als er hoffte. Es waren zu viele Söhne und Vettern von Geheimräthen, Präsidenten u. s. w. zu versorgen, welche so klug gewesen waren, zu Hause zu bleiben und den Zusammenhang zu behalten; auch hatten sie wohl vor ihm das Ansehen der Geburt voraus. Denn Waldrich stammte von bürgerlichen Eltern.

So ließ es sich nicht ändern. Er blieb Oberlieutenant, und um so lieber, weil ihm Herr Bantes, sein gewesener Vormund, längst den winzigen Rest seines väterlichen Erbtheils ausgehändigt hatte, und dieses längst zu allen Heiden ausgewandert war. Er trieb sich also in der Besatzung umher, machte in den Wachtstuben Gedichte und auf den Paraden philosophische Betrachtungen. Dies gab ihm bittere Langeweile, bis einmal die Truppen verlegt wurden. Da traf es

Sein Regiment machte auch den zweiten Zug gegen Frankreich mit und kehrte endlich, nach vollbrachtem Werke, unter Paukenschlag und Sing und Sang in die Heimath zurück.

Waldrich, der in zwei Schlachten und mehreren Gefechten gestritten hatte, war so glücklich gewesen, ohne alle Wunden davonzukommen. Er schmeichelte sich, als einer der Vaterlandshelden zur Belohnung bald vorzugsweise eine bürgerliche Anstellung zu erhalten. Er war beim Regiments wegen seiner Liebenswürdigkeit und vielen Kenntnisse sehr geachtet. Allein mit der Anstellung ging es nicht so schnell, als er hoffte. Es waren zu viele Söhne und Vettern von Geheimräthen, Präsidenten u. s. w. zu versorgen, welche so klug gewesen waren, zu Hause zu bleiben und den Zusammenhang zu behalten; auch hatten sie wohl vor ihm das Ansehen der Geburt voraus. Denn Waldrich stammte von bürgerlichen Eltern.

So ließ es sich nicht ändern. Er blieb Oberlieutenant, und um so lieber, weil ihm Herr Bantes, sein gewesener Vormund, längst den winzigen Rest seines väterlichen Erbtheils ausgehändigt hatte, und dieses längst zu allen Heiden ausgewandert war. Er trieb sich also in der Besatzung umher, machte in den Wachtstuben Gedichte und auf den Paraden philosophische Betrachtungen. Dies gab ihm bittere Langeweile, bis einmal die Truppen verlegt wurden. Da traf es

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[0010] Sein Regiment machte auch den zweiten Zug gegen Frankreich mit und kehrte endlich, nach vollbrachtem Werke, unter Paukenschlag und Sing und Sang in die Heimath zurück. Waldrich, der in zwei Schlachten und mehreren Gefechten gestritten hatte, war so glücklich gewesen, ohne alle Wunden davonzukommen. Er schmeichelte sich, als einer der Vaterlandshelden zur Belohnung bald vorzugsweise eine bürgerliche Anstellung zu erhalten. Er war beim Regiments wegen seiner Liebenswürdigkeit und vielen Kenntnisse sehr geachtet. Allein mit der Anstellung ging es nicht so schnell, als er hoffte. Es waren zu viele Söhne und Vettern von Geheimräthen, Präsidenten u. s. w. zu versorgen, welche so klug gewesen waren, zu Hause zu bleiben und den Zusammenhang zu behalten; auch hatten sie wohl vor ihm das Ansehen der Geburt voraus. Denn Waldrich stammte von bürgerlichen Eltern. So ließ es sich nicht ändern. Er blieb Oberlieutenant, und um so lieber, weil ihm Herr Bantes, sein gewesener Vormund, längst den winzigen Rest seines väterlichen Erbtheils ausgehändigt hatte, und dieses längst zu allen Heiden ausgewandert war. Er trieb sich also in der Besatzung umher, machte in den Wachtstuben Gedichte und auf den Paraden philosophische Betrachtungen. Dies gab ihm bittere Langeweile, bis einmal die Truppen verlegt wurden. Da traf es

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:15:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:15:44Z)

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Zitationshilfe: Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/10>, abgerufen am 21.11.2024.