Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Thore der Stadt zu. Ein schneidender Wind sausete ihnen im Nacken. Wenige Tage nach Diesem, im traurigsten Wetter, verließ der Baron von Roren sein Landgut. Nie kehrte aus seiner Familie Einer wieder hierher zurück. Die Gärten verwilderten. Das Schloß stand unbewohnt und verlassen, bis es, der Himmel weiß wie, ein Raub der Flammen ward. Gegenseitige Erklärungen. So schloß Waldrich seine Erzählung. Es war sichtbar, daß die aufmerksamen Zuhörer und Zuhörerinnen diesmal weniger von der Erzählung ergriffen ihre Plätze verließen, als das erste Mal, und sich mit ungezwungener Munterkeit unter einander mischten. Indessen schien der zweite Theil der Sage doch auch nicht ohne Eindruck geblieben zu sein; denn man unterhielt sich den ganzen Abend davon, und Einige gar ernsthaft über die Möglichkeit solchen Spuks. Am kecksten jedoch spottete der alte Herr Bantes über das Märchen. Sein Witz und Spott aber wirkte bei den Wenigsten; denn man kannte ihn schon als eine Art Freigeist, und man wußte, daß der ehemalige alte Pfarrer deutlich auf ihn gezielt habe, wenn in der Predigt von Arianern, Naturalisten, Deisten, Atheisten und Socinianern Rede gewesen war. Thore der Stadt zu. Ein schneidender Wind sausete ihnen im Nacken. Wenige Tage nach Diesem, im traurigsten Wetter, verließ der Baron von Roren sein Landgut. Nie kehrte aus seiner Familie Einer wieder hierher zurück. Die Gärten verwilderten. Das Schloß stand unbewohnt und verlassen, bis es, der Himmel weiß wie, ein Raub der Flammen ward. Gegenseitige Erklärungen. So schloß Waldrich seine Erzählung. Es war sichtbar, daß die aufmerksamen Zuhörer und Zuhörerinnen diesmal weniger von der Erzählung ergriffen ihre Plätze verließen, als das erste Mal, und sich mit ungezwungener Munterkeit unter einander mischten. Indessen schien der zweite Theil der Sage doch auch nicht ohne Eindruck geblieben zu sein; denn man unterhielt sich den ganzen Abend davon, und Einige gar ernsthaft über die Möglichkeit solchen Spuks. Am kecksten jedoch spottete der alte Herr Bantes über das Märchen. Sein Witz und Spott aber wirkte bei den Wenigsten; denn man kannte ihn schon als eine Art Freigeist, und man wußte, daß der ehemalige alte Pfarrer deutlich auf ihn gezielt habe, wenn in der Predigt von Arianern, Naturalisten, Deisten, Atheisten und Socinianern Rede gewesen war. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="10"> <p><pb facs="#f0100"/> Thore der Stadt zu. Ein schneidender Wind sausete ihnen im Nacken.</p><lb/> <p>Wenige Tage nach Diesem, im traurigsten Wetter, verließ der Baron von Roren sein Landgut. Nie kehrte aus seiner Familie Einer wieder hierher zurück. Die Gärten verwilderten. Das Schloß stand unbewohnt und verlassen, bis es, der Himmel weiß wie, ein Raub der Flammen ward.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="11"> <head>Gegenseitige Erklärungen.</head> <p>So schloß Waldrich seine Erzählung. Es war sichtbar, daß die aufmerksamen Zuhörer und Zuhörerinnen diesmal weniger von der Erzählung ergriffen ihre Plätze verließen, als das erste Mal, und sich mit ungezwungener Munterkeit unter einander mischten. Indessen schien der zweite Theil der Sage doch auch nicht ohne Eindruck geblieben zu sein; denn man unterhielt sich den ganzen Abend davon, und Einige gar ernsthaft über die Möglichkeit solchen Spuks. Am kecksten jedoch spottete der alte Herr Bantes über das Märchen. Sein Witz und Spott aber wirkte bei den Wenigsten; denn man kannte ihn schon als eine Art Freigeist, und man wußte, daß der ehemalige alte Pfarrer deutlich auf ihn gezielt habe, wenn in der Predigt von Arianern, Naturalisten, Deisten, Atheisten und Socinianern Rede gewesen war.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0100]
Thore der Stadt zu. Ein schneidender Wind sausete ihnen im Nacken.
Wenige Tage nach Diesem, im traurigsten Wetter, verließ der Baron von Roren sein Landgut. Nie kehrte aus seiner Familie Einer wieder hierher zurück. Die Gärten verwilderten. Das Schloß stand unbewohnt und verlassen, bis es, der Himmel weiß wie, ein Raub der Flammen ward.
Gegenseitige Erklärungen. So schloß Waldrich seine Erzählung. Es war sichtbar, daß die aufmerksamen Zuhörer und Zuhörerinnen diesmal weniger von der Erzählung ergriffen ihre Plätze verließen, als das erste Mal, und sich mit ungezwungener Munterkeit unter einander mischten. Indessen schien der zweite Theil der Sage doch auch nicht ohne Eindruck geblieben zu sein; denn man unterhielt sich den ganzen Abend davon, und Einige gar ernsthaft über die Möglichkeit solchen Spuks. Am kecksten jedoch spottete der alte Herr Bantes über das Märchen. Sein Witz und Spott aber wirkte bei den Wenigsten; denn man kannte ihn schon als eine Art Freigeist, und man wußte, daß der ehemalige alte Pfarrer deutlich auf ihn gezielt habe, wenn in der Predigt von Arianern, Naturalisten, Deisten, Atheisten und Socinianern Rede gewesen war.
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Zitationshilfe: | Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/100>, abgerufen am 16.02.2025. |