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Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Friederike hüpfte lachend hinaus zur Küche und rief: So arg soll er's uns doch nicht treiben!

Das sind, sagte Herr Bantes, die saubern Früchte des Aberglaubens, der Pöbelweisheit. Alles Pöbelweisheit, von unten bis oben, vom Stallknecht bis zum Minister! Da schimpfen mir jetzt Schulknaben und Priester, Hebammen und Professoren, geheime Räthe und geheime Speichellecker auf die Aufklärung, sagen, sie bringe Insubordination, Irreligion, Revolution, und wollen das Volk wieder in die alte Dummheit zurückklecksen. Und die Esel von modischen Versemachern hahnen ihre Wunder- und Heiligenlieder dazwischen, und die Esel von Bücherfabrikanten machen sich mit Ammenmärchen breit, und wollen Heiden und Türken katholisch machen, den Papst zum Herrgott der Könige, den Staat zum Nothstall. Lumpenpack! Da geben sie kaum einen rothen Kreuzer für Verbesserung der Schulen, aber Millionen für die Soldaten hin, und für Ueppigkeit; da schnüren sie vernünftigen Leuten das Maul zu, wo nicht den Hals; aber wer Unsinn und Knechterei und Schlächterei lobpreiset, den behängen sie mit Orden, Titeln und Tressen. Da haben wir's nun. Aberglaube oben und unten. Erster Advent, Winterwetter -- sieh da, kriechen die Narren in die Winkel und kreuzigen und segnen sich, meinen, der todte Gast mache den Sonntagsregen und dergleichen.

Frau Bantes lächelte sanft und sprach: Papa, nicht so eifrig, nicht so böse! die Sache verdient's nicht.

Friederike hüpfte lachend hinaus zur Küche und rief: So arg soll er's uns doch nicht treiben!

Das sind, sagte Herr Bantes, die saubern Früchte des Aberglaubens, der Pöbelweisheit. Alles Pöbelweisheit, von unten bis oben, vom Stallknecht bis zum Minister! Da schimpfen mir jetzt Schulknaben und Priester, Hebammen und Professoren, geheime Räthe und geheime Speichellecker auf die Aufklärung, sagen, sie bringe Insubordination, Irreligion, Revolution, und wollen das Volk wieder in die alte Dummheit zurückklecksen. Und die Esel von modischen Versemachern hahnen ihre Wunder- und Heiligenlieder dazwischen, und die Esel von Bücherfabrikanten machen sich mit Ammenmärchen breit, und wollen Heiden und Türken katholisch machen, den Papst zum Herrgott der Könige, den Staat zum Nothstall. Lumpenpack! Da geben sie kaum einen rothen Kreuzer für Verbesserung der Schulen, aber Millionen für die Soldaten hin, und für Ueppigkeit; da schnüren sie vernünftigen Leuten das Maul zu, wo nicht den Hals; aber wer Unsinn und Knechterei und Schlächterei lobpreiset, den behängen sie mit Orden, Titeln und Tressen. Da haben wir's nun. Aberglaube oben und unten. Erster Advent, Winterwetter — sieh da, kriechen die Narren in die Winkel und kreuzigen und segnen sich, meinen, der todte Gast mache den Sonntagsregen und dergleichen.

Frau Bantes lächelte sanft und sprach: Papa, nicht so eifrig, nicht so böse! die Sache verdient's nicht.

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[0111] Friederike hüpfte lachend hinaus zur Küche und rief: So arg soll er's uns doch nicht treiben! Das sind, sagte Herr Bantes, die saubern Früchte des Aberglaubens, der Pöbelweisheit. Alles Pöbelweisheit, von unten bis oben, vom Stallknecht bis zum Minister! Da schimpfen mir jetzt Schulknaben und Priester, Hebammen und Professoren, geheime Räthe und geheime Speichellecker auf die Aufklärung, sagen, sie bringe Insubordination, Irreligion, Revolution, und wollen das Volk wieder in die alte Dummheit zurückklecksen. Und die Esel von modischen Versemachern hahnen ihre Wunder- und Heiligenlieder dazwischen, und die Esel von Bücherfabrikanten machen sich mit Ammenmärchen breit, und wollen Heiden und Türken katholisch machen, den Papst zum Herrgott der Könige, den Staat zum Nothstall. Lumpenpack! Da geben sie kaum einen rothen Kreuzer für Verbesserung der Schulen, aber Millionen für die Soldaten hin, und für Ueppigkeit; da schnüren sie vernünftigen Leuten das Maul zu, wo nicht den Hals; aber wer Unsinn und Knechterei und Schlächterei lobpreiset, den behängen sie mit Orden, Titeln und Tressen. Da haben wir's nun. Aberglaube oben und unten. Erster Advent, Winterwetter — sieh da, kriechen die Narren in die Winkel und kreuzigen und segnen sich, meinen, der todte Gast mache den Sonntagsregen und dergleichen. Frau Bantes lächelte sanft und sprach: Papa, nicht so eifrig, nicht so böse! die Sache verdient's nicht.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:15:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:15:44Z)

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Zitationshilfe: Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/111>, abgerufen am 29.04.2024.