Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Seid ruhig. Ich geb' Euch gern mein Ehrenwort, das artige Mädchen am Leben zu lassen. Aber sagt mir, wie springt Eure Furcht gleich zum ärgsten Stück über? Wer in aller Welt will denn einem schönen Kinde gleich ans Leben? Sie haben Ihr Ehrenwort gegeben, gnädiger Herr. Ich bin zufrieden. Was kann Ihnen auch daran liegen, dem guten Kätherle das Genick umzudrehen? Ich gehe, und lasse Sie allein gehen. Auch die Hölle muß Wort halten. Mit diesen Worten war der arme Mensch zur Thür hinaus. Er hörte hinter sich den todten Gast laut lachen. Das Lachen drang ihm schneidend durch die Ohren. Es kam ihm wie ein Hohngelächter des Satans vor. Er lief zum Amtsbürgermeister und erzählte zum Erstaunen desselben seine ganze Geschichte. Das Verhör. Herr von Hahn nahm Hut und Stock und ging. Noch mußte er heimlich über die Herzensangst des Polizeibeamten lächeln, dessen Eifersucht er erregt zu haben glaubte. Er bemerkte bald, wie er über die Straße ging, daß er in einer kleinen Stadt sei, wo man jeden Fremden wie ein Wunderthier angafft und mit Begrüßtwerden und Wiedergrüßen im Jahre ein Dutzend Seid ruhig. Ich geb' Euch gern mein Ehrenwort, das artige Mädchen am Leben zu lassen. Aber sagt mir, wie springt Eure Furcht gleich zum ärgsten Stück über? Wer in aller Welt will denn einem schönen Kinde gleich ans Leben? Sie haben Ihr Ehrenwort gegeben, gnädiger Herr. Ich bin zufrieden. Was kann Ihnen auch daran liegen, dem guten Kätherle das Genick umzudrehen? Ich gehe, und lasse Sie allein gehen. Auch die Hölle muß Wort halten. Mit diesen Worten war der arme Mensch zur Thür hinaus. Er hörte hinter sich den todten Gast laut lachen. Das Lachen drang ihm schneidend durch die Ohren. Es kam ihm wie ein Hohngelächter des Satans vor. Er lief zum Amtsbürgermeister und erzählte zum Erstaunen desselben seine ganze Geschichte. Das Verhör. Herr von Hahn nahm Hut und Stock und ging. Noch mußte er heimlich über die Herzensangst des Polizeibeamten lächeln, dessen Eifersucht er erregt zu haben glaubte. Er bemerkte bald, wie er über die Straße ging, daß er in einer kleinen Stadt sei, wo man jeden Fremden wie ein Wunderthier angafft und mit Begrüßtwerden und Wiedergrüßen im Jahre ein Dutzend <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="15"> <pb facs="#f0137"/> <p>Seid ruhig. Ich geb' Euch gern mein Ehrenwort, das artige Mädchen am Leben zu lassen. Aber sagt mir, wie springt Eure Furcht gleich zum ärgsten Stück über? Wer in aller Welt will denn einem schönen Kinde gleich ans Leben?</p><lb/> <p>Sie haben Ihr Ehrenwort gegeben, gnädiger Herr. Ich bin zufrieden. Was kann Ihnen auch daran liegen, dem guten Kätherle das Genick umzudrehen? Ich gehe, und lasse Sie allein gehen. Auch die Hölle muß Wort halten.</p><lb/> <p>Mit diesen Worten war der arme Mensch zur Thür hinaus. Er hörte hinter sich den todten Gast laut lachen. Das Lachen drang ihm schneidend durch die Ohren. Es kam ihm wie ein Hohngelächter des Satans vor. Er lief zum Amtsbürgermeister und erzählte zum Erstaunen desselben seine ganze Geschichte.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="16"> <head>Das Verhör.</head> <p>Herr von Hahn nahm Hut und Stock und ging. Noch mußte er heimlich über die Herzensangst des Polizeibeamten lächeln, dessen Eifersucht er erregt zu haben glaubte.</p><lb/> <p>Er bemerkte bald, wie er über die Straße ging, daß er in einer kleinen Stadt sei, wo man jeden Fremden wie ein Wunderthier angafft und mit Begrüßtwerden und Wiedergrüßen im Jahre ein Dutzend<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0137]
Seid ruhig. Ich geb' Euch gern mein Ehrenwort, das artige Mädchen am Leben zu lassen. Aber sagt mir, wie springt Eure Furcht gleich zum ärgsten Stück über? Wer in aller Welt will denn einem schönen Kinde gleich ans Leben?
Sie haben Ihr Ehrenwort gegeben, gnädiger Herr. Ich bin zufrieden. Was kann Ihnen auch daran liegen, dem guten Kätherle das Genick umzudrehen? Ich gehe, und lasse Sie allein gehen. Auch die Hölle muß Wort halten.
Mit diesen Worten war der arme Mensch zur Thür hinaus. Er hörte hinter sich den todten Gast laut lachen. Das Lachen drang ihm schneidend durch die Ohren. Es kam ihm wie ein Hohngelächter des Satans vor. Er lief zum Amtsbürgermeister und erzählte zum Erstaunen desselben seine ganze Geschichte.
Das Verhör. Herr von Hahn nahm Hut und Stock und ging. Noch mußte er heimlich über die Herzensangst des Polizeibeamten lächeln, dessen Eifersucht er erregt zu haben glaubte.
Er bemerkte bald, wie er über die Straße ging, daß er in einer kleinen Stadt sei, wo man jeden Fremden wie ein Wunderthier angafft und mit Begrüßtwerden und Wiedergrüßen im Jahre ein Dutzend
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T14:15:44Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T14:15:44Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |