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Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Der Bediente ward entlassen. Das sieht mir doch, etwas gespenstig aus! brummte der Bürgermeister verlegen lächelnd vor sich hin und lag wieder im Fenster. Nach einiger Zeit trat der Bediente ungerufen herein und meldete, das Kammermädchen sitze todten blaß und weinend in der Küche und erzähle, der todte Gast sei beim Fräulein Tochter des Herrn Bürgermeisters. Das Fräulein thue mit der schrecklichen Gestalt sehr bekannt; der Unbekannte habe dem Fräulein ein Paar prächtige Armbänder überreicht und dazu etwas leise mit dem Fräulein gesprochen. Das Kammermädchen habe zwar Alles gesehen, aber nichts verstanden; es wäre auch vom Fräulein sogleich aus dem Zimmer fortgeschickt worden.

Der Bürgermeister lachte zuerst; dann verging ihm bei den Armbändern, bei dem Leisemiteinanderreden, bei dem Fortschicken des Kammermädchens, alle Neigung zum Lachen. Er hieß den Bedienten ärgerlich sich fortmachen. Armbänder? Flüstern mit meinem Minchen? Woher kennt er sie? Jesus Maria! Wie wird das Mädchen mit dem Manne so schnell vertraut? Wahrhaftig, der legt's darauf an, den todten Gast zu machen. So sprach er bei sich. Bald lief er zur Stubenthür, öffnete und wollte hinaus, um seine Tochter und den Fremden zu überraschen; bald schämte er sich seines keimenden Aberglaubens, und legte er seiner Aengstlichkeit Zaum und Gebiß an. Darüber verging eine Viertelstunde. Endlich ward ihm die

Der Bediente ward entlassen. Das sieht mir doch, etwas gespenstig aus! brummte der Bürgermeister verlegen lächelnd vor sich hin und lag wieder im Fenster. Nach einiger Zeit trat der Bediente ungerufen herein und meldete, das Kammermädchen sitze todten blaß und weinend in der Küche und erzähle, der todte Gast sei beim Fräulein Tochter des Herrn Bürgermeisters. Das Fräulein thue mit der schrecklichen Gestalt sehr bekannt; der Unbekannte habe dem Fräulein ein Paar prächtige Armbänder überreicht und dazu etwas leise mit dem Fräulein gesprochen. Das Kammermädchen habe zwar Alles gesehen, aber nichts verstanden; es wäre auch vom Fräulein sogleich aus dem Zimmer fortgeschickt worden.

Der Bürgermeister lachte zuerst; dann verging ihm bei den Armbändern, bei dem Leisemiteinanderreden, bei dem Fortschicken des Kammermädchens, alle Neigung zum Lachen. Er hieß den Bedienten ärgerlich sich fortmachen. Armbänder? Flüstern mit meinem Minchen? Woher kennt er sie? Jesus Maria! Wie wird das Mädchen mit dem Manne so schnell vertraut? Wahrhaftig, der legt's darauf an, den todten Gast zu machen. So sprach er bei sich. Bald lief er zur Stubenthür, öffnete und wollte hinaus, um seine Tochter und den Fremden zu überraschen; bald schämte er sich seines keimenden Aberglaubens, und legte er seiner Aengstlichkeit Zaum und Gebiß an. Darüber verging eine Viertelstunde. Endlich ward ihm die

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[0147] Der Bediente ward entlassen. Das sieht mir doch, etwas gespenstig aus! brummte der Bürgermeister verlegen lächelnd vor sich hin und lag wieder im Fenster. Nach einiger Zeit trat der Bediente ungerufen herein und meldete, das Kammermädchen sitze todten blaß und weinend in der Küche und erzähle, der todte Gast sei beim Fräulein Tochter des Herrn Bürgermeisters. Das Fräulein thue mit der schrecklichen Gestalt sehr bekannt; der Unbekannte habe dem Fräulein ein Paar prächtige Armbänder überreicht und dazu etwas leise mit dem Fräulein gesprochen. Das Kammermädchen habe zwar Alles gesehen, aber nichts verstanden; es wäre auch vom Fräulein sogleich aus dem Zimmer fortgeschickt worden. Der Bürgermeister lachte zuerst; dann verging ihm bei den Armbändern, bei dem Leisemiteinanderreden, bei dem Fortschicken des Kammermädchens, alle Neigung zum Lachen. Er hieß den Bedienten ärgerlich sich fortmachen. Armbänder? Flüstern mit meinem Minchen? Woher kennt er sie? Jesus Maria! Wie wird das Mädchen mit dem Manne so schnell vertraut? Wahrhaftig, der legt's darauf an, den todten Gast zu machen. So sprach er bei sich. Bald lief er zur Stubenthür, öffnete und wollte hinaus, um seine Tochter und den Fremden zu überraschen; bald schämte er sich seines keimenden Aberglaubens, und legte er seiner Aengstlichkeit Zaum und Gebiß an. Darüber verging eine Viertelstunde. Endlich ward ihm die

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:15:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:15:44Z)

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Zitationshilfe: Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/147>, abgerufen am 21.11.2024.