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Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Niemand konnte angeben, woher diese Sage entstanden sei. Im Kirchenbuche der Pfarrei las man noch die Namen von drei Jungfrauen, welche zur Adventzeit im Jahre 1720 plötzlich gestorben waren. Als Glosse lies't man daneben die Worte: "Mit dem Angesicht im Nacken, wie vor hundert Jahren. Gott möge ihren armen Seelen gnädig sein." Wenn nun auch diese Anmerkung auf dem Rande des Kirchenbuches keinem vernünftigen Manne ein Beweis der Thatsache war, so bewies sie doch wenigstens, daß die Sage schon älter als hundert Jahre gewesen sei, ja daß vielleicht vor zweihundert Jahren irgend etwas Aehnliches begegnet sein müsse, weil sich das Kirchenbuch darauf beruft. Die ältern Kirchenbücher sind leider nicht mehr vorhanden. Sie gingen bei einer Feuersbrunst im spanischen Erbfolgekrieg verloren.

Wie dem nun auch sei, Jedem war die Sage bekannt; Jeder behauptete, sie sei ein lächerliches Gespenster- und Ammenmärchen, und fast Jeder dachte doch mit, ich möchte sagen, neugieriger Aengstlichkeit an die bevorstehende Adventzeit, um zu erfahren, was an der Sache sei. Denn, meinten bei sich im Stillen selbst die aufgeklärtesten Köpfe, es gibt ja, laut Hamlet's Zeugniß, am Ende noch vielerlei Dinge zwischen Erde und Himmel, von denen sich unsere Philosophie nichts träumen läßt. Der alte Stadtpfarrer, zu dem man nun häufiger besuchsweise kam, um die wunderliche Stelle im Kirchenbuche mit eigenen Augen zu lesen,

Niemand konnte angeben, woher diese Sage entstanden sei. Im Kirchenbuche der Pfarrei las man noch die Namen von drei Jungfrauen, welche zur Adventzeit im Jahre 1720 plötzlich gestorben waren. Als Glosse lies't man daneben die Worte: „Mit dem Angesicht im Nacken, wie vor hundert Jahren. Gott möge ihren armen Seelen gnädig sein.“ Wenn nun auch diese Anmerkung auf dem Rande des Kirchenbuches keinem vernünftigen Manne ein Beweis der Thatsache war, so bewies sie doch wenigstens, daß die Sage schon älter als hundert Jahre gewesen sei, ja daß vielleicht vor zweihundert Jahren irgend etwas Aehnliches begegnet sein müsse, weil sich das Kirchenbuch darauf beruft. Die ältern Kirchenbücher sind leider nicht mehr vorhanden. Sie gingen bei einer Feuersbrunst im spanischen Erbfolgekrieg verloren.

Wie dem nun auch sei, Jedem war die Sage bekannt; Jeder behauptete, sie sei ein lächerliches Gespenster- und Ammenmärchen, und fast Jeder dachte doch mit, ich möchte sagen, neugieriger Aengstlichkeit an die bevorstehende Adventzeit, um zu erfahren, was an der Sache sei. Denn, meinten bei sich im Stillen selbst die aufgeklärtesten Köpfe, es gibt ja, laut Hamlet's Zeugniß, am Ende noch vielerlei Dinge zwischen Erde und Himmel, von denen sich unsere Philosophie nichts träumen läßt. Der alte Stadtpfarrer, zu dem man nun häufiger besuchsweise kam, um die wunderliche Stelle im Kirchenbuche mit eigenen Augen zu lesen,

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[0025] Niemand konnte angeben, woher diese Sage entstanden sei. Im Kirchenbuche der Pfarrei las man noch die Namen von drei Jungfrauen, welche zur Adventzeit im Jahre 1720 plötzlich gestorben waren. Als Glosse lies't man daneben die Worte: „Mit dem Angesicht im Nacken, wie vor hundert Jahren. Gott möge ihren armen Seelen gnädig sein.“ Wenn nun auch diese Anmerkung auf dem Rande des Kirchenbuches keinem vernünftigen Manne ein Beweis der Thatsache war, so bewies sie doch wenigstens, daß die Sage schon älter als hundert Jahre gewesen sei, ja daß vielleicht vor zweihundert Jahren irgend etwas Aehnliches begegnet sein müsse, weil sich das Kirchenbuch darauf beruft. Die ältern Kirchenbücher sind leider nicht mehr vorhanden. Sie gingen bei einer Feuersbrunst im spanischen Erbfolgekrieg verloren. Wie dem nun auch sei, Jedem war die Sage bekannt; Jeder behauptete, sie sei ein lächerliches Gespenster- und Ammenmärchen, und fast Jeder dachte doch mit, ich möchte sagen, neugieriger Aengstlichkeit an die bevorstehende Adventzeit, um zu erfahren, was an der Sache sei. Denn, meinten bei sich im Stillen selbst die aufgeklärtesten Köpfe, es gibt ja, laut Hamlet's Zeugniß, am Ende noch vielerlei Dinge zwischen Erde und Himmel, von denen sich unsere Philosophie nichts träumen läßt. Der alte Stadtpfarrer, zu dem man nun häufiger besuchsweise kam, um die wunderliche Stelle im Kirchenbuche mit eigenen Augen zu lesen,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:15:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:15:44Z)

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Zitationshilfe: Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/25>, abgerufen am 21.11.2024.