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Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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glauben; und doch ist sie unläugbar wahr, je unwahrscheinlicher sie ist.

Es war nämlich dies Jahr die hundertjährige Jubel- oder Jammerfeier des sogenannten todten Gastes, der besonders allen Bräuten in der Stadt ein böser Geselle zu sein schien. Niemand wußte genau, welch eine Bewandtniß es mit diesem Gaste habe. Aber man erzählte sich, es sei ein Gespenst, das alle hundert Jahre einmal in die Stadt Herbesheim wieder komme, vom ersten Advent bis zum letzten Advent darin hause, zwar kein Kind beleidige, aber richtig jeder Braut den Hof mache, und damit ende, ihr das Gesicht in den Nacken zu drehen. Des Morgens finde man sie, das Antlitz im Rücken stehend, todt im Bette. Was dies Gespenst aber noch von allen Gespenstern in der Welt auszeichnet, ist, daß es nicht etwa nur in der gesetzlichen Geisterstunde, Nachts zwischen eilf und zwölf Uhr, sein Wesen treibt, sondern es soll am heitern, lichten Tage in wahrer Menschengestalt auftreten, ganz modisch wie andere Erdensöhne gekleidet einhergehen, überall hinkommen und sich einführen. Dieser Gast soll Geld vollauf haben und, was das Aergste ist, wenn er keine Braut eines Andern findet, selbst die Gestalt eines Freiers annehmen, die armen Herzen der Mädchen behexen, bloß um diesen nachher, wenn er ihnen mit Liebesgrillen das Köpfchen ein wenig verrückt hat, des Nachts den Kopf umdrehen zu können.

glauben; und doch ist sie unläugbar wahr, je unwahrscheinlicher sie ist.

Es war nämlich dies Jahr die hundertjährige Jubel- oder Jammerfeier des sogenannten todten Gastes, der besonders allen Bräuten in der Stadt ein böser Geselle zu sein schien. Niemand wußte genau, welch eine Bewandtniß es mit diesem Gaste habe. Aber man erzählte sich, es sei ein Gespenst, das alle hundert Jahre einmal in die Stadt Herbesheim wieder komme, vom ersten Advent bis zum letzten Advent darin hause, zwar kein Kind beleidige, aber richtig jeder Braut den Hof mache, und damit ende, ihr das Gesicht in den Nacken zu drehen. Des Morgens finde man sie, das Antlitz im Rücken stehend, todt im Bette. Was dies Gespenst aber noch von allen Gespenstern in der Welt auszeichnet, ist, daß es nicht etwa nur in der gesetzlichen Geisterstunde, Nachts zwischen eilf und zwölf Uhr, sein Wesen treibt, sondern es soll am heitern, lichten Tage in wahrer Menschengestalt auftreten, ganz modisch wie andere Erdensöhne gekleidet einhergehen, überall hinkommen und sich einführen. Dieser Gast soll Geld vollauf haben und, was das Aergste ist, wenn er keine Braut eines Andern findet, selbst die Gestalt eines Freiers annehmen, die armen Herzen der Mädchen behexen, bloß um diesen nachher, wenn er ihnen mit Liebesgrillen das Köpfchen ein wenig verrückt hat, des Nachts den Kopf umdrehen zu können.

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[0024] glauben; und doch ist sie unläugbar wahr, je unwahrscheinlicher sie ist. Es war nämlich dies Jahr die hundertjährige Jubel- oder Jammerfeier des sogenannten todten Gastes, der besonders allen Bräuten in der Stadt ein böser Geselle zu sein schien. Niemand wußte genau, welch eine Bewandtniß es mit diesem Gaste habe. Aber man erzählte sich, es sei ein Gespenst, das alle hundert Jahre einmal in die Stadt Herbesheim wieder komme, vom ersten Advent bis zum letzten Advent darin hause, zwar kein Kind beleidige, aber richtig jeder Braut den Hof mache, und damit ende, ihr das Gesicht in den Nacken zu drehen. Des Morgens finde man sie, das Antlitz im Rücken stehend, todt im Bette. Was dies Gespenst aber noch von allen Gespenstern in der Welt auszeichnet, ist, daß es nicht etwa nur in der gesetzlichen Geisterstunde, Nachts zwischen eilf und zwölf Uhr, sein Wesen treibt, sondern es soll am heitern, lichten Tage in wahrer Menschengestalt auftreten, ganz modisch wie andere Erdensöhne gekleidet einhergehen, überall hinkommen und sich einführen. Dieser Gast soll Geld vollauf haben und, was das Aergste ist, wenn er keine Braut eines Andern findet, selbst die Gestalt eines Freiers annehmen, die armen Herzen der Mädchen behexen, bloß um diesen nachher, wenn er ihnen mit Liebesgrillen das Köpfchen ein wenig verrückt hat, des Nachts den Kopf umdrehen zu können.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:15:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:15:44Z)

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Zitationshilfe: Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/24>, abgerufen am 21.11.2024.