Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Frau Bantes schwieg; aber sie beschloß, dem Commandanten nie wieder einen Auftrag an das Mädchen zu geben. Die Sage vom todten Gaste. Am folgenden Abend war im Hause des Herrn Bantes die gewöhnliche erste Wintergesellschaft; so hieß in Herbesheim, was in andern Städten auch Kränzchen, Soiree, Thee u. s. w. genannt wird. Unter den besten Familien der kleinen Stadt ging es nämlich der Reihe nach herum, sich jede Winterwoche einmal freundlich und einfach zu bewirthen und. mit Musik, Gesang, Gespräch, Spiel und Scherz den langen Abend zu erheitern. Zu bemerken ist übrigens im Vorbeigehen, daß unter Spiel kein Kartenspiel verstanden ward, wie es gewöhnlich die armselige Unterhaltung von Leuten zu sein pflegt, die zwischen Medisiren und Langeweilehaben keinen Mittelweg durch ein anderes erheiterndes Gesellschaftsspiel kennen. Diesen Abend beim Herrn Bantes war aber weder an Gesang noch Musik, weder an Spiel noch Scherz zu denken. Man sah sich in diesem Kreise und diesen Winter das erste Mal. Man hatte sich einander sehr viel zu sagen, und weil in drei Tagen der erste Advent war, kann man denken, daß der todte Gast die Kosten der Unterhaltung bestreiten mußte. Die jungen Frauenzimmer rümpften die Rüschen oder stellten sich doch Frau Bantes schwieg; aber sie beschloß, dem Commandanten nie wieder einen Auftrag an das Mädchen zu geben. Die Sage vom todten Gaste. Am folgenden Abend war im Hause des Herrn Bantes die gewöhnliche erste Wintergesellschaft; so hieß in Herbesheim, was in andern Städten auch Kränzchen, Soirée, Thee u. s. w. genannt wird. Unter den besten Familien der kleinen Stadt ging es nämlich der Reihe nach herum, sich jede Winterwoche einmal freundlich und einfach zu bewirthen und. mit Musik, Gesang, Gespräch, Spiel und Scherz den langen Abend zu erheitern. Zu bemerken ist übrigens im Vorbeigehen, daß unter Spiel kein Kartenspiel verstanden ward, wie es gewöhnlich die armselige Unterhaltung von Leuten zu sein pflegt, die zwischen Medisiren und Langeweilehaben keinen Mittelweg durch ein anderes erheiterndes Gesellschaftsspiel kennen. Diesen Abend beim Herrn Bantes war aber weder an Gesang noch Musik, weder an Spiel noch Scherz zu denken. Man sah sich in diesem Kreise und diesen Winter das erste Mal. Man hatte sich einander sehr viel zu sagen, und weil in drei Tagen der erste Advent war, kann man denken, daß der todte Gast die Kosten der Unterhaltung bestreiten mußte. Die jungen Frauenzimmer rümpften die Rüschen oder stellten sich doch <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="9"> <pb facs="#f0059"/> <p>Frau Bantes schwieg; aber sie beschloß, dem Commandanten nie wieder einen Auftrag an das Mädchen zu geben.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="10"> <head>Die Sage vom todten Gaste.</head> <p>Am folgenden Abend war im Hause des Herrn Bantes die gewöhnliche erste Wintergesellschaft; so hieß in Herbesheim, was in andern Städten auch Kränzchen, Soirée, Thee u. s. w. genannt wird. Unter den besten Familien der kleinen Stadt ging es nämlich der Reihe nach herum, sich jede Winterwoche einmal freundlich und einfach zu bewirthen und. mit Musik, Gesang, Gespräch, Spiel und Scherz den langen Abend zu erheitern. Zu bemerken ist übrigens im Vorbeigehen, daß unter Spiel kein Kartenspiel verstanden ward, wie es gewöhnlich die armselige Unterhaltung von Leuten zu sein pflegt, die zwischen Medisiren und Langeweilehaben keinen Mittelweg durch ein anderes erheiterndes Gesellschaftsspiel kennen.</p><lb/> <p>Diesen Abend beim Herrn Bantes war aber weder an Gesang noch Musik, weder an Spiel noch Scherz zu denken. Man sah sich in diesem Kreise und diesen Winter das erste Mal. Man hatte sich einander sehr viel zu sagen, und weil in drei Tagen der erste Advent war, kann man denken, daß der todte Gast die Kosten der Unterhaltung bestreiten mußte. Die jungen Frauenzimmer rümpften die Rüschen oder stellten sich doch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0059]
Frau Bantes schwieg; aber sie beschloß, dem Commandanten nie wieder einen Auftrag an das Mädchen zu geben.
Die Sage vom todten Gaste. Am folgenden Abend war im Hause des Herrn Bantes die gewöhnliche erste Wintergesellschaft; so hieß in Herbesheim, was in andern Städten auch Kränzchen, Soirée, Thee u. s. w. genannt wird. Unter den besten Familien der kleinen Stadt ging es nämlich der Reihe nach herum, sich jede Winterwoche einmal freundlich und einfach zu bewirthen und. mit Musik, Gesang, Gespräch, Spiel und Scherz den langen Abend zu erheitern. Zu bemerken ist übrigens im Vorbeigehen, daß unter Spiel kein Kartenspiel verstanden ward, wie es gewöhnlich die armselige Unterhaltung von Leuten zu sein pflegt, die zwischen Medisiren und Langeweilehaben keinen Mittelweg durch ein anderes erheiterndes Gesellschaftsspiel kennen.
Diesen Abend beim Herrn Bantes war aber weder an Gesang noch Musik, weder an Spiel noch Scherz zu denken. Man sah sich in diesem Kreise und diesen Winter das erste Mal. Man hatte sich einander sehr viel zu sagen, und weil in drei Tagen der erste Advent war, kann man denken, daß der todte Gast die Kosten der Unterhaltung bestreiten mußte. Die jungen Frauenzimmer rümpften die Rüschen oder stellten sich doch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T14:15:44Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T14:15:44Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |