Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Der Schneider stutzte anfangs. So viel Ehre hatte er nicht erwarten können. Er verbeugte sich vielmals und konnte kein Wort hervorbringen. Henriette soll es nicht bereuen, fuhr Altenkreuz fort; die Kleider, in denen sie tanzt, bleiben ihr Eigenthum, und ich will ihr, was in einer glänzenden Gesellschaft noch nöthig sein mag, um würdig zu erscheinen, mit Freuden anschaffen. Ew. Gnaden sind allzu gütig! rief Meister Vogel. Ich muß Ew. Gnaden auch noch ohne Selbstlob sagen, das Mädchen tanzt vortrefflich. Sie sollten sie nur in der Hochzeit meines Nachbars, des Zinngießers, gesehen haben. Ich bin starr und steif geworden, wie ich das Mädchen so tanzen sah. Es hat nichts zu sagen. Bleiben Ew. Gnaden nur im Zimmer hier. Ich will das Mädchen herschicken. Tragen's Ew. Gnaden vor und an mir soll's nicht fehlen. Aber, Meister, versetzte Altenkreuz, Henriettens Bräutigam ist vielleicht eifersüchtig, woran er sehr Unrecht hätte. Ihr müsset ihm ein gutes Wort geben. Oh! rief Meister Vogel, der Lümmel darf mir nicht mucksen. Er ging. Nach einem Weilchen trat Henriette erröthend ins Zimmer. Der Graf bedeckte ihre Hand mit seinen Küssen. Er sagte ihr seine Wünsche, seine Verlegenheiten, und daß er sie bäte, auf seine Kosten Alles anzuschaffen, was sie für unentbehrlich halte, um gleich dem geschmücktesten Fräulein zu erscheinen. Sie Der Schneider stutzte anfangs. So viel Ehre hatte er nicht erwarten können. Er verbeugte sich vielmals und konnte kein Wort hervorbringen. Henriette soll es nicht bereuen, fuhr Altenkreuz fort; die Kleider, in denen sie tanzt, bleiben ihr Eigenthum, und ich will ihr, was in einer glänzenden Gesellschaft noch nöthig sein mag, um würdig zu erscheinen, mit Freuden anschaffen. Ew. Gnaden sind allzu gütig! rief Meister Vogel. Ich muß Ew. Gnaden auch noch ohne Selbstlob sagen, das Mädchen tanzt vortrefflich. Sie sollten sie nur in der Hochzeit meines Nachbars, des Zinngießers, gesehen haben. Ich bin starr und steif geworden, wie ich das Mädchen so tanzen sah. Es hat nichts zu sagen. Bleiben Ew. Gnaden nur im Zimmer hier. Ich will das Mädchen herschicken. Tragen's Ew. Gnaden vor und an mir soll's nicht fehlen. Aber, Meister, versetzte Altenkreuz, Henriettens Bräutigam ist vielleicht eifersüchtig, woran er sehr Unrecht hätte. Ihr müsset ihm ein gutes Wort geben. Oh! rief Meister Vogel, der Lümmel darf mir nicht mucksen. Er ging. Nach einem Weilchen trat Henriette erröthend ins Zimmer. Der Graf bedeckte ihre Hand mit seinen Küssen. Er sagte ihr seine Wünsche, seine Verlegenheiten, und daß er sie bäte, auf seine Kosten Alles anzuschaffen, was sie für unentbehrlich halte, um gleich dem geschmücktesten Fräulein zu erscheinen. Sie <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="10"> <pb facs="#f0083"/> <p>Der Schneider stutzte anfangs. So viel Ehre hatte er nicht erwarten können. Er verbeugte sich vielmals und konnte kein Wort hervorbringen.</p><lb/> <p>Henriette soll es nicht bereuen, fuhr Altenkreuz fort; die Kleider, in denen sie tanzt, bleiben ihr Eigenthum, und ich will ihr, was in einer glänzenden Gesellschaft noch nöthig sein mag, um würdig zu erscheinen, mit Freuden anschaffen.</p><lb/> <p>Ew. Gnaden sind allzu gütig! rief Meister Vogel. Ich muß Ew. Gnaden auch noch ohne Selbstlob sagen, das Mädchen tanzt vortrefflich. Sie sollten sie nur in der Hochzeit meines Nachbars, des Zinngießers, gesehen haben. Ich bin starr und steif geworden, wie ich das Mädchen so tanzen sah. Es hat nichts zu sagen. Bleiben Ew. Gnaden nur im Zimmer hier. Ich will das Mädchen herschicken. Tragen's Ew. Gnaden vor und an mir soll's nicht fehlen.</p><lb/> <p>Aber, Meister, versetzte Altenkreuz, Henriettens Bräutigam ist vielleicht eifersüchtig, woran er sehr Unrecht hätte. Ihr müsset ihm ein gutes Wort geben.</p><lb/> <p>Oh! rief Meister Vogel, der Lümmel darf mir nicht mucksen.</p><lb/> <p>Er ging. Nach einem Weilchen trat Henriette erröthend ins Zimmer. Der Graf bedeckte ihre Hand mit seinen Küssen. Er sagte ihr seine Wünsche, seine Verlegenheiten, und daß er sie bäte, auf seine Kosten Alles anzuschaffen, was sie für unentbehrlich halte, um gleich dem geschmücktesten Fräulein zu erscheinen. Sie<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0083]
Der Schneider stutzte anfangs. So viel Ehre hatte er nicht erwarten können. Er verbeugte sich vielmals und konnte kein Wort hervorbringen.
Henriette soll es nicht bereuen, fuhr Altenkreuz fort; die Kleider, in denen sie tanzt, bleiben ihr Eigenthum, und ich will ihr, was in einer glänzenden Gesellschaft noch nöthig sein mag, um würdig zu erscheinen, mit Freuden anschaffen.
Ew. Gnaden sind allzu gütig! rief Meister Vogel. Ich muß Ew. Gnaden auch noch ohne Selbstlob sagen, das Mädchen tanzt vortrefflich. Sie sollten sie nur in der Hochzeit meines Nachbars, des Zinngießers, gesehen haben. Ich bin starr und steif geworden, wie ich das Mädchen so tanzen sah. Es hat nichts zu sagen. Bleiben Ew. Gnaden nur im Zimmer hier. Ich will das Mädchen herschicken. Tragen's Ew. Gnaden vor und an mir soll's nicht fehlen.
Aber, Meister, versetzte Altenkreuz, Henriettens Bräutigam ist vielleicht eifersüchtig, woran er sehr Unrecht hätte. Ihr müsset ihm ein gutes Wort geben.
Oh! rief Meister Vogel, der Lümmel darf mir nicht mucksen.
Er ging. Nach einem Weilchen trat Henriette erröthend ins Zimmer. Der Graf bedeckte ihre Hand mit seinen Küssen. Er sagte ihr seine Wünsche, seine Verlegenheiten, und daß er sie bäte, auf seine Kosten Alles anzuschaffen, was sie für unentbehrlich halte, um gleich dem geschmücktesten Fräulein zu erscheinen. Sie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T14:15:44Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T14:15:44Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |