Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

sehr gut, daß von beiden Seiten Alles blutlos abgelaufen war.

Aber, rief sie, bester Graf, was haben Sie begonnen? Sie sind doch nicht verwundet? Um Gotteswillen, wie Sie mich erschreckt haben!

Meine Gnädige, und wenn ich nun für Sie verwundet wäre, wie stolz würde ich sein! Fürchten Sie nichts; mich verwundet solch ein Geck, wie der Vicomte, nicht leicht. Wollen Sie aber doch ein wenig Mitleiden mit mir haben, so haben Sie es immerhin, denn verwundet bin ich doch, an gefährlicher Stelle; -- in diesem Herzen -- und noch dazu durch Sie. Aber dafür haben Sie kein Mitleiden.

Tändler! Bis jetzt hat Ihnen die ganze Welt noch keinen Wundenschmerz angesehen.

Ich schwieg und litt, und wollte gern eines der vielen Opfer Ihrer Reize sein. Ich schwieg und war glücklich, Sie mit Hinwagen meines Lebens an einem Frevler zu rächen. Ich werde schweigen, und werde einst mit Freuden für Sie sterben.

Schweigen Sie, sagte die Baronin lächelnd und vergalt seine Worte mit einem leisen Händedruck: führen Sie mich lieber zum Tanz.

Sie tanzten. Beide wurden nun vertraulicher, da er das schwere Geständniß, das schwerste für jeden Liebenden, schüchtern ausgesprochen, und sie es nicht verworfen hatte. Als sie ihn ihren vielgetreuen Kämpen und Ritter im Scherze nannte, verlangte er auch

sehr gut, daß von beiden Seiten Alles blutlos abgelaufen war.

Aber, rief sie, bester Graf, was haben Sie begonnen? Sie sind doch nicht verwundet? Um Gotteswillen, wie Sie mich erschreckt haben!

Meine Gnädige, und wenn ich nun für Sie verwundet wäre, wie stolz würde ich sein! Fürchten Sie nichts; mich verwundet solch ein Geck, wie der Vicomte, nicht leicht. Wollen Sie aber doch ein wenig Mitleiden mit mir haben, so haben Sie es immerhin, denn verwundet bin ich doch, an gefährlicher Stelle; — in diesem Herzen — und noch dazu durch Sie. Aber dafür haben Sie kein Mitleiden.

Tändler! Bis jetzt hat Ihnen die ganze Welt noch keinen Wundenschmerz angesehen.

Ich schwieg und litt, und wollte gern eines der vielen Opfer Ihrer Reize sein. Ich schwieg und war glücklich, Sie mit Hinwagen meines Lebens an einem Frevler zu rächen. Ich werde schweigen, und werde einst mit Freuden für Sie sterben.

Schweigen Sie, sagte die Baronin lächelnd und vergalt seine Worte mit einem leisen Händedruck: führen Sie mich lieber zum Tanz.

Sie tanzten. Beide wurden nun vertraulicher, da er das schwere Geständniß, das schwerste für jeden Liebenden, schüchtern ausgesprochen, und sie es nicht verworfen hatte. Als sie ihn ihren vielgetreuen Kämpen und Ritter im Scherze nannte, verlangte er auch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="10">
        <p><pb facs="#f0092"/>
sehr gut, daß von beiden Seiten Alles      blutlos abgelaufen war.</p><lb/>
        <p>Aber, rief sie, bester Graf, was haben Sie begonnen? Sie sind doch nicht verwundet? Um      Gotteswillen, wie Sie mich erschreckt haben!</p><lb/>
        <p>Meine Gnädige, und wenn ich nun für Sie verwundet wäre, wie stolz würde ich sein! Fürchten      Sie nichts; mich verwundet solch ein Geck, wie der Vicomte, nicht leicht. Wollen Sie aber doch      ein wenig Mitleiden mit mir haben, so haben Sie es immerhin, denn verwundet bin ich doch, an      gefährlicher Stelle; &#x2014; in diesem Herzen &#x2014; und noch dazu durch Sie. Aber dafür haben Sie kein      Mitleiden.</p><lb/>
        <p>Tändler! Bis jetzt hat Ihnen die ganze Welt noch keinen Wundenschmerz angesehen.</p><lb/>
        <p>Ich schwieg und litt, und wollte gern eines der vielen Opfer Ihrer Reize sein. Ich schwieg      und war glücklich, Sie mit Hinwagen meines Lebens an einem Frevler zu rächen. Ich werde      schweigen, und werde einst mit Freuden für Sie sterben.</p><lb/>
        <p>Schweigen Sie, sagte die Baronin lächelnd und vergalt seine Worte mit einem leisen      Händedruck: führen Sie mich lieber zum Tanz.</p><lb/>
        <p>Sie tanzten. Beide wurden nun vertraulicher, da er das schwere Geständniß, das schwerste für      jeden Liebenden, schüchtern ausgesprochen, und sie es nicht verworfen hatte. Als sie ihn ihren      vielgetreuen Kämpen und Ritter im Scherze nannte, verlangte er auch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0092] sehr gut, daß von beiden Seiten Alles blutlos abgelaufen war. Aber, rief sie, bester Graf, was haben Sie begonnen? Sie sind doch nicht verwundet? Um Gotteswillen, wie Sie mich erschreckt haben! Meine Gnädige, und wenn ich nun für Sie verwundet wäre, wie stolz würde ich sein! Fürchten Sie nichts; mich verwundet solch ein Geck, wie der Vicomte, nicht leicht. Wollen Sie aber doch ein wenig Mitleiden mit mir haben, so haben Sie es immerhin, denn verwundet bin ich doch, an gefährlicher Stelle; — in diesem Herzen — und noch dazu durch Sie. Aber dafür haben Sie kein Mitleiden. Tändler! Bis jetzt hat Ihnen die ganze Welt noch keinen Wundenschmerz angesehen. Ich schwieg und litt, und wollte gern eines der vielen Opfer Ihrer Reize sein. Ich schwieg und war glücklich, Sie mit Hinwagen meines Lebens an einem Frevler zu rächen. Ich werde schweigen, und werde einst mit Freuden für Sie sterben. Schweigen Sie, sagte die Baronin lächelnd und vergalt seine Worte mit einem leisen Händedruck: führen Sie mich lieber zum Tanz. Sie tanzten. Beide wurden nun vertraulicher, da er das schwere Geständniß, das schwerste für jeden Liebenden, schüchtern ausgesprochen, und sie es nicht verworfen hatte. Als sie ihn ihren vielgetreuen Kämpen und Ritter im Scherze nannte, verlangte er auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:15:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:15:44Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/92
Zitationshilfe: Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/92>, abgerufen am 21.11.2024.