Etliche Weiber machen auß den blättern Fliessender Erbgrind.Hütlein/ und setzen sie denen mit dem flies- senden Erbgrind behaffteten Kindern auff das Haupt/ denn sie durch jhren alcalischen Safft und Feuchtigkeit das versaltzene und scharffe fließwasser des Erbgrinds wohl ver- süssen/ tröcknen/ und heilen können.
Fontanel- len.
Die Blätter des Ephews gebraucht man gar nutzlich zu den Fontanellen, weilen sie nicht nur alle böse Feuchtigkeiten herauß zie- hen/ sonderen auch den ort stercken/ und nichts böses darzu schlagen lassen: umb so viel desto mehr/ so man an statt der Erbsen runde kügelein von Ephew-holtz gedrähet in die Fontanellen hinein schiebet.
Frische Ephew-blätter zerhackt und in süssem Butter ein wenig gekocht/ und durch Brand zu löschen.ein tuch getruckt/ gibt ein grüne salbe ab/ welche sehr dienlich und bewährt zu denen mit allerhand Fewr gebranten Gliederen.
Es werden drey Geschlecht der Steinlin- den von den Botanicis beschrieben/ deren er- stes ist die schmalblättige Steinlinden/ Phyl- lirea, angustifolia prima, C. B. i. e. 4. Clusii item angustifolia secunda. Ejusdem. Ein Bäum- lein so über Manns höhe wächst/ dessen kur- tze und vielfaltige äste mit schwartzlich- ter rinde bedecket/ und weissem holtz begabet. Seine blätter sind ablang/ schmal/ außge- spitzt/ sattgrün/ eines bitterlichten Ge- schmacks/ stehen gegen einander fürüber. [Spaltenumbruch]
Bey dem ursprung der blättern/ entsprin- gen zu beyden seiten viel kleine mosicht-weis- se blümlein; auff welche die runden/ und wenn sie reiff/ schwartze oder violenfärbi- ge/ süßbitterlichte Beere folgen/ in der grös- se der Myrten-beeren/ wächst in dem Flo- rentinischen/ wie auch umb Montpelier in Franckreich. Die Phyllirea quarta und quin- ta Clusii sind einerley Gewächs/ und nur durch die grösse von einander underscheiden.
Das andere Geschlecht ist die breitblätti- ge Steinlinde/ Phyllirea latiusculo folio, vel folio Ligustri, C. B. Jst ein Baum/ so doppel- te Manns höhe erreichet/ dessen äste mit weißlichter/ und etwas runtzlichter rinde umbgeben. Seine blätter sind ablang/ und breiter als obiges Geschlechts/ underkerfft/ zusammen ziehenden Geschmacks. Die blü- the ist dem Blust deß Oelbaums gleich/ a- ber klein/ moosicht weiß/ wächst häuffig zwischen denen gegen einander stehenden blättern. Die Beere sind den obigen ähn- lich/ wächst auch häuffig umb Montpelier. Dise gattung Steinlinden änderet sich sehr an der figur der Blättern/ farb und grösse.
Das dritte Geschlecht ist die Steinlinde mit zerkerfften blättern/ Phyllirea latifolia spinosa s. 1. Clus. C. B. item folio serrato s. 2. Cl. Ejusdem. Phyllirea latifolia aculeata, Park. item folio latoserrato, Ejusdem. Phyllirea folio Alater- ni, item folio Ilicis, I. B. Jst ein Gestände/ so bald höher/ bald nidriger gefunden wird hat breite/ dicklichte/ sattgrüne/ an dem umbkreiß etwas stachlichte und zerkerffte blätter/ welche eines scharffen/ bitterlichten und etwas zusammenziehenden Geschmacks. Die Beere oder Frucht hanget Trauben- weiß zwischen den Blättern/ in der grösse der Pfefferkörnlein/ ist schwartz/ und eines scharffen Geschmacks/ auch mit einem stein- harten Kernen begabet/ wächst in dem Kö- nigreich Portugal hin und wider in den Hägen: Johannes Rajus hat sie auch in J- talien/ in dem Florentinischen Groß-Her- tzogthumb auff felsichten orten gefunden.
Alle diese Steinlinden grünen immerdar/ daher man die Häge der Gärten damit zie- ret/ und obwolen sie ein flüchtiges/ ölichtes/ nutzliches saltz neben irdischen rauchen thei- len in sich verborgen halten/ so werden sie dennoch in der Artzney eben nicht gebraucht.
CAPUT CXXXV. Mistel.Viscum.
Namen.
MIstel oder Mispel heißt Griechisch/ [fremdsprachliches Material - 1 Wort fehlt]. Lateinisch/ Viscum, Viscus. Jta- liänisch/ Visco. Frantzösisch/ Bois dont on fait du glu. Spanisch/ Liga, Litia, Visco. Englisch/ Mistletoe/ and Mistel. Ni- derländisch/ Marentacken.
Gestalt.
Der Mistel ist männiglich bekant. Er wächst auff vielen Bäumen/ mit zähen/ biß- weilen eines kleinen fingers dicken/ und durch einander geschrenckten ästlein. Die blätter sind bleichgrün/ ablang/ dick/ rundlicht/ fett/ eines süssen/ scharfflichten geschmacks. Er bringt auch seine blüthe/ theils bey den knöd-
lein/
Das Erſte Buch/
[Spaltenumbruch]
Etliche Weiber machen auß den blaͤttern Flieſſendeꝛ Erbgrind.Huͤtlein/ und ſetzen ſie denen mit dem flieſ- ſenden Erbgrind behaffteten Kindern auff das Haupt/ denn ſie durch jhren alcaliſchen Safft und Feuchtigkeit das verſaltzene und ſcharffe fließwaſſer des Erbgrinds wohl ver- ſuͤſſen/ troͤcknen/ und heilen koͤnnen.
Fontanel- len.
Die Blaͤtter des Ephews gebraucht man gar nutzlich zu den Fontanellen, weilen ſie nicht nur alle boͤſe Feuchtigkeiten herauß zie- hen/ ſonderen auch den ort ſtercken/ und nichts boͤſes darzu ſchlagen laſſen: umb ſo viel deſto mehr/ ſo man an ſtatt der Erbſen runde kuͤgelein von Ephew-holtz gedraͤhet in die Fontanellen hinein ſchiebet.
Friſche Ephew-blaͤtter zerhackt und in ſuͤſſem Butter ein wenig gekocht/ und durch Brand zu loͤſchen.ein tuch getruckt/ gibt ein gruͤne ſalbe ab/ welche ſehr dienlich und bewaͤhrt zu denen mit allerhand Fewr gebranten Gliederen.
Es werden drey Geſchlecht der Steinlin- den von den Botanicis beſchrieben/ deren er- ſtes iſt die ſchmalblaͤttige Steinlinden/ Phyl- lirea, anguſtifolia prima, C. B. i. e. 4. Cluſii item anguſtifolia ſecunda. Ejuſdem. Ein Baͤum- lein ſo uͤber Manns hoͤhe waͤchſt/ deſſen kur- tze und vielfaltige aͤſte mit ſchwartzlich- ter rinde bedecket/ und weiſſem holtz begabet. Seine blaͤtter ſind ablang/ ſchmal/ außge- ſpitzt/ ſattgruͤn/ eines bitterlichten Ge- ſchmacks/ ſtehen gegen einander fuͤruͤber. [Spaltenumbruch]
Bey dem urſprung der blaͤttern/ entſprin- gen zu beyden ſeiten viel kleine moſicht-weiſ- ſe bluͤmlein; auff welche die runden/ und wenn ſie reiff/ ſchwartze oder violenfaͤrbi- ge/ ſuͤßbitterlichte Beere folgen/ in der groͤſ- ſe der Myrten-beeren/ waͤchſt in dem Flo- rentiniſchen/ wie auch umb Montpelier in Franckreich. Die Phyllirea quarta und quin- ta Cluſii ſind einerley Gewaͤchs/ und nur durch die groͤſſe von einander underſcheiden.
Das andere Geſchlecht iſt die breitblaͤtti- ge Steinlinde/ Phyllirea latiusculo folio, vel folio Liguſtri, C. B. Jſt ein Baum/ ſo doppel- te Manns hoͤhe erꝛeichet/ deſſen aͤſte mit weißlichter/ und etwas runtzlichter rinde umbgeben. Seine blaͤtter ſind ablang/ und breiter als obiges Geſchlechts/ underkerfft/ zuſammen ziehenden Geſchmacks. Die bluͤ- the iſt dem Bluſt deß Oelbaums gleich/ a- ber klein/ mooſicht weiß/ waͤchſt haͤuffig zwiſchen denen gegen einander ſtehenden blaͤttern. Die Beere ſind den obigen aͤhn- lich/ waͤchſt auch haͤuffig umb Montpelier. Diſe gattung Steinlinden aͤnderet ſich ſehr an der figur der Blaͤttern/ farb und groͤſſe.
Das dritte Geſchlecht iſt die Steinlinde mit zerkerfften blaͤttern/ Phyllirea latifolia ſpinoſa ſ. 1. Cluſ. C. B. item folio ſerrato ſ. 2. Cl. Ejuſdem. Phyllirea latifolia aculeata, Park. item folio latoſerrato, Ejuſdem. Phyllirea folio Alater- ni, item folio Ilicis, I. B. Jſt ein Geſtaͤnde/ ſo bald hoͤher/ bald nidriger gefunden wird hat breite/ dicklichte/ ſattgruͤne/ an dem umbkreiß etwas ſtachlichte und zerkerffte blaͤtter/ welche eines ſcharffen/ bitterlichten und etwas zuſam̃enziehenden Geſchmacks. Die Beere oder Frucht hanget Trauben- weiß zwiſchen den Blaͤttern/ in der groͤſſe der Pfefferkoͤrnlein/ iſt ſchwartz/ und eines ſcharffen Geſchmacks/ auch mit einem ſtein- harten Kernen begabet/ waͤchſt in dem Koͤ- nigreich Portugal hin und wider in den Haͤgen: Johannes Rajus hat ſie auch in J- talien/ in dem Florentiniſchen Groß-Her- tzogthumb auff felſichten orten gefunden.
Alle dieſe Steinlinden gruͤnen immerdar/ daher man die Haͤge der Gaͤrten damit zie- ret/ und obwolen ſie ein fluͤchtiges/ oͤlichtes/ nutzliches ſaltz neben irdiſchen rauchen thei- len in ſich verborgen halten/ ſo werden ſie dennoch in der Artzney eben nicht gebraucht.
CAPUT CXXXV. Miſtel.Viſcum.
Namen.
MIſtel oder Miſpel heißt Griechiſch/ [fremdsprachliches Material – 1 Wort fehlt]. Lateiniſch/ Viſcum, Viſcus. Jta- liaͤniſch/ Viſco. Frantzoͤſiſch/ Bois dont on fait du glu. Spaniſch/ Liga, Litia, Viſco. Engliſch/ Miſtletoe/ and Miſtel. Ni- derlaͤndiſch/ Marentacken.
Geſtalt.
Der Miſtel iſt maͤnniglich bekant. Er waͤchſt auff vielen Baͤumen/ mit zaͤhen/ biß- weilen eines kleinen fingers dicken/ und durch einander geſchrenckten aͤſtlein. Die blaͤtter ſind bleichgruͤn/ ablang/ dick/ rundlicht/ fett/ eines ſuͤſſen/ ſcharfflichten geſchmacks. Er bringt auch ſeine bluͤthe/ theils bey den knoͤd-
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[246/0262]
Das Erſte Buch/
Etliche Weiber machen auß den blaͤttern
Huͤtlein/ und ſetzen ſie denen mit dem flieſ-
ſenden Erbgrind behaffteten Kindern auff
das Haupt/ denn ſie durch jhren alcaliſchen
Safft und Feuchtigkeit das verſaltzene und
ſcharffe fließwaſſer des Erbgrinds wohl ver-
ſuͤſſen/ troͤcknen/ und heilen koͤnnen.
Flieſſendeꝛ
Erbgrind.
Die Blaͤtter des Ephews gebraucht man
gar nutzlich zu den Fontanellen, weilen ſie
nicht nur alle boͤſe Feuchtigkeiten herauß zie-
hen/ ſonderen auch den ort ſtercken/ und
nichts boͤſes darzu ſchlagen laſſen: umb ſo
viel deſto mehr/ ſo man an ſtatt der Erbſen
runde kuͤgelein von Ephew-holtz gedraͤhet in
die Fontanellen hinein ſchiebet.
Friſche Ephew-blaͤtter zerhackt und in
ſuͤſſem Butter ein wenig gekocht/ und durch
ein tuch getruckt/ gibt ein gruͤne ſalbe ab/
welche ſehr dienlich und bewaͤhrt zu denen
mit allerhand Fewr gebranten Gliederen.
Brand zu
loͤſchen.
CAPUT CXXXIV.
[Abbildung Steinlinden. Phyllirea.
]
Namen.
STeinlinden heißt Lateiniſch/ Phylli-
rea. Engliſch/ Narrow-leaved/
Mock-privet.
Geſchlecht und Geſtalt.
Es werden drey Geſchlecht der Steinlin-
den von den Botanicis beſchrieben/ deren er-
ſtes iſt die ſchmalblaͤttige Steinlinden/ Phyl-
lirea, anguſtifolia prima, C. B. i. e. 4. Cluſii
item anguſtifolia ſecunda. Ejuſdem. Ein Baͤum-
lein ſo uͤber Manns hoͤhe waͤchſt/ deſſen kur-
tze und vielfaltige aͤſte mit ſchwartzlich-
ter rinde bedecket/ und weiſſem holtz begabet.
Seine blaͤtter ſind ablang/ ſchmal/ außge-
ſpitzt/ ſattgruͤn/ eines bitterlichten Ge-
ſchmacks/ ſtehen gegen einander fuͤruͤber.
Bey dem urſprung der blaͤttern/ entſprin-
gen zu beyden ſeiten viel kleine moſicht-weiſ-
ſe bluͤmlein; auff welche die runden/ und
wenn ſie reiff/ ſchwartze oder violenfaͤrbi-
ge/ ſuͤßbitterlichte Beere folgen/ in der groͤſ-
ſe der Myrten-beeren/ waͤchſt in dem Flo-
rentiniſchen/ wie auch umb Montpelier in
Franckreich. Die Phyllirea quarta und quin-
ta Cluſii ſind einerley Gewaͤchs/ und nur
durch die groͤſſe von einander underſcheiden.
Das andere Geſchlecht iſt die breitblaͤtti-
ge Steinlinde/ Phyllirea latiusculo folio, vel
folio Liguſtri, C. B. Jſt ein Baum/ ſo doppel-
te Manns hoͤhe erꝛeichet/ deſſen aͤſte mit
weißlichter/ und etwas runtzlichter rinde
umbgeben. Seine blaͤtter ſind ablang/ und
breiter als obiges Geſchlechts/ underkerfft/
zuſammen ziehenden Geſchmacks. Die bluͤ-
the iſt dem Bluſt deß Oelbaums gleich/ a-
ber klein/ mooſicht weiß/ waͤchſt haͤuffig
zwiſchen denen gegen einander ſtehenden
blaͤttern. Die Beere ſind den obigen aͤhn-
lich/ waͤchſt auch haͤuffig umb Montpelier.
Diſe gattung Steinlinden aͤnderet ſich ſehr
an der figur der Blaͤttern/ farb und groͤſſe.
Das dritte Geſchlecht iſt die Steinlinde
mit zerkerfften blaͤttern/ Phyllirea latifolia
ſpinoſa ſ. 1. Cluſ. C. B. item folio ſerrato ſ. 2. Cl.
Ejuſdem. Phyllirea latifolia aculeata, Park. item
folio latoſerrato, Ejuſdem. Phyllirea folio Alater-
ni, item folio Ilicis, I. B. Jſt ein Geſtaͤnde/
ſo bald hoͤher/ bald nidriger gefunden wird
hat breite/ dicklichte/ ſattgruͤne/ an dem
umbkreiß etwas ſtachlichte und zerkerffte
blaͤtter/ welche eines ſcharffen/ bitterlichten
und etwas zuſam̃enziehenden Geſchmacks.
Die Beere oder Frucht hanget Trauben-
weiß zwiſchen den Blaͤttern/ in der groͤſſe
der Pfefferkoͤrnlein/ iſt ſchwartz/ und eines
ſcharffen Geſchmacks/ auch mit einem ſtein-
harten Kernen begabet/ waͤchſt in dem Koͤ-
nigreich Portugal hin und wider in den
Haͤgen: Johannes Rajus hat ſie auch in J-
talien/ in dem Florentiniſchen Groß-Her-
tzogthumb auff felſichten orten gefunden.
Alle dieſe Steinlinden gruͤnen immerdar/
daher man die Haͤge der Gaͤrten damit zie-
ret/ und obwolen ſie ein fluͤchtiges/ oͤlichtes/
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len in ſich verborgen halten/ ſo werden ſie
dennoch in der Artzney eben nicht gebraucht.
CAPUT CXXXV.
Miſtel. Viſcum.
Namen.
MIſtel oder Miſpel heißt Griechiſch/
_. Lateiniſch/ Viſcum, Viſcus. Jta-
liaͤniſch/ Viſco. Frantzoͤſiſch/ Bois
dont on fait du glu. Spaniſch/ Liga, Litia,
Viſco. Engliſch/ Miſtletoe/ and Miſtel. Ni-
derlaͤndiſch/ Marentacken.
Geſtalt.
Der Miſtel iſt maͤnniglich bekant. Er
waͤchſt auff vielen Baͤumen/ mit zaͤhen/ biß-
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ſind bleichgruͤn/ ablang/ dick/ rundlicht/ fett/
eines ſuͤſſen/ ſcharfflichten geſchmacks. Er
bringt auch ſeine bluͤthe/ theils bey den knoͤd-
lein/
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Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690/262>, abgerufen am 22.11.2024.
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