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Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690.

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Von den Baum- und Staud-Gewächsen.
[Spaltenumbruch] [Abbildung] Mistel. Viscum.
ein/ theils an den aussersten ästlein; diese
blümlein sind klein/ gelb/ und in vier theil
zertrennet/ welche hernach in kleine/ weisse/
durchsichtige/ gestreiffte beerlein außwach-
sen/ die mit einem schleimichten klebigen safft
angefüllet/ eines nicht unlieblichen weini-
gen Geruchs/ und etwas anmütigen Ge-
schmacks. Jn einem jeden beerlein steckt ein
silberfarber breiter flacher samen/ in der fi-
gur eines Hertzens. Auß dem safft solcher
Beeren wird der Vogel-leim zubereitet. Er
wächst auff vielen Bäumen/ als auff der
Haselstauden/ dem Linden- und Eych-baum/
welche drey für die besten gehalten werden;
Jtem auff dem Ahorn/ Aesch/ Weiden- und
Ulmen-baum. Ja die Apffel- und Birn-
bäum sind davon auch nicht befreyet. Jo-
hannes Bauhinus
meldet annoch viel andere
Bäume/ darauff er diesen Mistel gefunden.
Er grünet immerdar/ auch den Winter
durch auff den Bäumen/ und ist also schwer
zu glauben/ daß er auff dem Eychbaum sei-
ne blätter in dem Winter fallen lasse. Er
blühet im Frühling/ gegen dem Herbst
bringt er seine Beerlein/ welche hernach den
Winter durch dauren/ und an dem Ge-
wächs bleiben.

Wenn nun hierauß klärlich zu sehen/ daß
der Mistel ein vollkommenes Gewächs ist/
so soll man auch dem Aristotele, Plinio, und
übrigen alten Naturkündigern die Ehre ge-
ben/ und demjenigen/ was sie in jhren
Schrifften hinderlassen/ glauben zustellen/
daß nemlich der Mistel nicht auß dem un-
raht gewisser Vögeln/ welche andere Bee-
ren essen/ sonderen vielmehr auß seinem ei-
genen samen/ der von den Vögeln/ welche
die Mistelbeer geessen/ auff die Bäum durch
den unrath geworffen wird herkommen.
Welches dann ein jeder erfahren kan/ wenn
[Spaltenumbruch] [Abbildung] Schweitzerische Mistel mit vielen Beren.
Helveticum viscum polycoccon.

er nur die samen des Mistels in die auffge-
rissene rinde anderer Bäume vergrabet/ wo-
rauß sie bald wachsen werden. Es hat auch
noch eine art deß Mistels mit rothen beer-
lein/ welches nach Clusii bericht in Hispa-
nien auff den Oelbäumen wachsen solle. Vi-
scum baccis rubris, C. B.

So hat man in Jndien auch Mistel auff
den Bäumen gefunden/ welcher unseren
Mistlen gantz nicht ungleich ist/ Viscum se-
nis circulis utrinque insculptis, C. B. Viscum
Indicum, Ger. J. B. Park.

Der berühmte Bontius beschreibet inglei-
chem ein Geschlecht des auff dem Eych-
baum/ Kiati von den Jndianeren genant/
wachsenden Mistels/ welcher der Haußwur-
tzeln ähnlich seyn solle/ und deßwegen von
jhme Sedum arborescens; von anderen aber
Frutex parasiticus, semperviva Malus flore o-
doratissimo,
genennet wird.

Eigenschafft.

Aller Mistel ins gemein/ sonderlich aber
der Eychen/ Linden- und Haselstauden-Mi-
stel/ hat in seinem schleimichten safft ein al-
kalisches flüchtiges saltz verborgen/ und da-
her die Eigenschafft alles saure zu versüssen/
die verstopffungen der Krößaderen zueröf-
nen/ der fallenden Sucht zu steuren/ und
solche nach und nach zu stillen/ dem abneh-
men des Leibs zu wehren. Viel Abergläu-
bige Leuth halten den Eichen-Mistel für den
besten/ welcher auff den jenigen Mittag ab-
gehawen worden/ da Sonn und Mond in
den Krebs gehen/ so alle 7. Jahr einmahl
geschichet.

Gebrauch.

Der Eychen-mistel hat eine sonderlicheFallende
Sucht.

Krafft der fallenden Sucht zu widerstehen/
daher Gentilis und Jacobus de partibus jhne

Lignum

Von den Baum- und Staud-Gewaͤchſen.
[Spaltenumbruch] [Abbildung] Miſtel. Viſcum.
ein/ theils an den auſſerſten aͤſtlein; dieſe
bluͤmlein ſind klein/ gelb/ und in vier theil
zertrennet/ welche hernach in kleine/ weiſſe/
durchſichtige/ geſtreiffte beerlein außwach-
ſen/ die mit einem ſchleimichten klebigen ſafft
angefuͤllet/ eines nicht unlieblichen weini-
gen Geruchs/ und etwas anmuͤtigen Ge-
ſchmacks. Jn einem jeden beerlein ſteckt ein
ſilberfarber breiter flacher ſamen/ in der fi-
gur eines Hertzens. Auß dem ſafft ſolcher
Beeren wird der Vogel-leim zubereitet. Er
waͤchſt auff vielen Baͤumen/ als auff der
Haſelſtauden/ dem Linden- und Eych-baum/
welche drey fuͤr die beſten gehalten werden;
Jtem auff dem Ahorn/ Aeſch/ Weiden- und
Ulmen-baum. Ja die Apffel- und Birn-
baͤum ſind davon auch nicht befreyet. Jo-
hannes Bauhinus
meldet annoch viel andere
Baͤume/ darauff er dieſen Miſtel gefunden.
Er gruͤnet immerdar/ auch den Winter
durch auff den Baͤumen/ und iſt alſo ſchwer
zu glauben/ daß er auff dem Eychbaum ſei-
ne blaͤtter in dem Winter fallen laſſe. Er
bluͤhet im Fruͤhling/ gegen dem Herbſt
bringt er ſeine Beerlein/ welche hernach den
Winter durch dauren/ und an dem Ge-
waͤchs bleiben.

Wenn nun hierauß klaͤrlich zu ſehen/ daß
der Miſtel ein vollkommenes Gewaͤchs iſt/
ſo ſoll man auch dem Ariſtotele, Plinio, und
uͤbrigen alten Naturkuͤndigern die Ehre ge-
ben/ und demjenigen/ was ſie in jhren
Schrifften hinderlaſſen/ glauben zuſtellen/
daß nemlich der Miſtel nicht auß dem un-
raht gewiſſer Voͤgeln/ welche andere Bee-
ren eſſen/ ſonderen vielmehr auß ſeinem ei-
genen ſamen/ der von den Voͤgeln/ welche
die Miſtelbeer geeſſen/ auff die Baͤum durch
den unrath geworffen wird herkommen.
Welches dann ein jeder erfahren kan/ wenn
[Spaltenumbruch] [Abbildung] Schweitzeriſche Miſtel mit vielen Beren.
Helveticum viſcum polycoccon.

er nur die ſamen des Miſtels in die auffge-
riſſene rinde anderer Baͤume vergrabet/ wo-
rauß ſie bald wachſen werden. Es hat auch
noch eine art deß Miſtels mit rothen beer-
lein/ welches nach Cluſii bericht in Hiſpa-
nien auff den Oelbaͤumen wachſen ſolle. Vi-
ſcum baccis rubris, C. B.

So hat man in Jndien auch Miſtel auff
den Baͤumen gefunden/ welcher unſeren
Miſtlen gantz nicht ungleich iſt/ Viſcum ſe-
nis circulis utrinque inſculptis, C. B. Viſcum
Indicum, Ger. J. B. Park.

Der beruͤhmte Bontius beſchreibet inglei-
chem ein Geſchlecht des auff dem Eych-
baum/ Kiati von den Jndianeren genant/
wachſenden Miſtels/ welcher der Haußwur-
tzeln aͤhnlich ſeyn ſolle/ und deßwegen von
jhme Sedum arboreſcens; von anderen aber
Frutex paraſiticus, ſemperviva Malus flore o-
doratiſſimo,
genennet wird.

Eigenſchafft.

Aller Miſtel ins gemein/ ſonderlich aber
der Eychen/ Linden- und Haſelſtauden-Mi-
ſtel/ hat in ſeinem ſchleimichten ſafft ein al-
kaliſches fluͤchtiges ſaltz verborgen/ und da-
her die Eigenſchafft alles ſaure zu verſuͤſſen/
die verſtopffungen der Kroͤßaderen zueroͤf-
nen/ der fallenden Sucht zu ſteuren/ und
ſolche nach und nach zu ſtillen/ dem abneh-
men des Leibs zu wehren. Viel Aberglaͤu-
bige Leuth halten den Eichen-Miſtel fuͤr den
beſten/ welcher auff den jenigen Mittag ab-
gehawen worden/ da Sonn und Mond in
den Krebs gehen/ ſo alle 7. Jahr einmahl
geſchichet.

Gebrauch.

Der Eychen-miſtel hat eine ſonderlicheFallende
Sucht.

Krafft der fallenden Sucht zu widerſtehen/
daher Gentilis und Jacobus de partibus jhne

Lignum
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[247/0263] Von den Baum- und Staud-Gewaͤchſen. [Abbildung Miſtel. Viſcum. ] ein/ theils an den auſſerſten aͤſtlein; dieſe bluͤmlein ſind klein/ gelb/ und in vier theil zertrennet/ welche hernach in kleine/ weiſſe/ durchſichtige/ geſtreiffte beerlein außwach- ſen/ die mit einem ſchleimichten klebigen ſafft angefuͤllet/ eines nicht unlieblichen weini- gen Geruchs/ und etwas anmuͤtigen Ge- ſchmacks. Jn einem jeden beerlein ſteckt ein ſilberfarber breiter flacher ſamen/ in der fi- gur eines Hertzens. Auß dem ſafft ſolcher Beeren wird der Vogel-leim zubereitet. Er waͤchſt auff vielen Baͤumen/ als auff der Haſelſtauden/ dem Linden- und Eych-baum/ welche drey fuͤr die beſten gehalten werden; Jtem auff dem Ahorn/ Aeſch/ Weiden- und Ulmen-baum. Ja die Apffel- und Birn- baͤum ſind davon auch nicht befreyet. Jo- hannes Bauhinus meldet annoch viel andere Baͤume/ darauff er dieſen Miſtel gefunden. Er gruͤnet immerdar/ auch den Winter durch auff den Baͤumen/ und iſt alſo ſchwer zu glauben/ daß er auff dem Eychbaum ſei- ne blaͤtter in dem Winter fallen laſſe. Er bluͤhet im Fruͤhling/ gegen dem Herbſt bringt er ſeine Beerlein/ welche hernach den Winter durch dauren/ und an dem Ge- waͤchs bleiben. Wenn nun hierauß klaͤrlich zu ſehen/ daß der Miſtel ein vollkommenes Gewaͤchs iſt/ ſo ſoll man auch dem Ariſtotele, Plinio, und uͤbrigen alten Naturkuͤndigern die Ehre ge- ben/ und demjenigen/ was ſie in jhren Schrifften hinderlaſſen/ glauben zuſtellen/ daß nemlich der Miſtel nicht auß dem un- raht gewiſſer Voͤgeln/ welche andere Bee- ren eſſen/ ſonderen vielmehr auß ſeinem ei- genen ſamen/ der von den Voͤgeln/ welche die Miſtelbeer geeſſen/ auff die Baͤum durch den unrath geworffen wird herkommen. Welches dann ein jeder erfahren kan/ wenn [Abbildung Schweitzeriſche Miſtel mit vielen Beren. Helveticum viſcum polycoccon. ] er nur die ſamen des Miſtels in die auffge- riſſene rinde anderer Baͤume vergrabet/ wo- rauß ſie bald wachſen werden. Es hat auch noch eine art deß Miſtels mit rothen beer- lein/ welches nach Cluſii bericht in Hiſpa- nien auff den Oelbaͤumen wachſen ſolle. Vi- ſcum baccis rubris, C. B. So hat man in Jndien auch Miſtel auff den Baͤumen gefunden/ welcher unſeren Miſtlen gantz nicht ungleich iſt/ Viſcum ſe- nis circulis utrinque inſculptis, C. B. Viſcum Indicum, Ger. J. B. Park. Der beruͤhmte Bontius beſchreibet inglei- chem ein Geſchlecht des auff dem Eych- baum/ Kiati von den Jndianeren genant/ wachſenden Miſtels/ welcher der Haußwur- tzeln aͤhnlich ſeyn ſolle/ und deßwegen von jhme Sedum arboreſcens; von anderen aber Frutex paraſiticus, ſemperviva Malus flore o- doratiſſimo, genennet wird. Eigenſchafft. Aller Miſtel ins gemein/ ſonderlich aber der Eychen/ Linden- und Haſelſtauden-Mi- ſtel/ hat in ſeinem ſchleimichten ſafft ein al- kaliſches fluͤchtiges ſaltz verborgen/ und da- her die Eigenſchafft alles ſaure zu verſuͤſſen/ die verſtopffungen der Kroͤßaderen zueroͤf- nen/ der fallenden Sucht zu ſteuren/ und ſolche nach und nach zu ſtillen/ dem abneh- men des Leibs zu wehren. Viel Aberglaͤu- bige Leuth halten den Eichen-Miſtel fuͤr den beſten/ welcher auff den jenigen Mittag ab- gehawen worden/ da Sonn und Mond in den Krebs gehen/ ſo alle 7. Jahr einmahl geſchichet. Gebrauch. Der Eychen-miſtel hat eine ſonderliche Krafft der fallenden Sucht zu widerſtehen/ daher Gentilis und Jacobus de partibus jhne Lignum Fallende Sucht.

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Zitationshilfe: Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690/263>, abgerufen am 22.11.2024.