II. Das andere Geschlecht/ Periclymenum rectum folio serrato, I. B. Chamaecerasus Alpi- na fructu gemino nigro, C. B. ist kleiner als das vorige/ und steigt selten auff Manns- höhe/ hat aber zartere und längere/ an dem umbkreiß etwas zerkerffte blätter/ so oben auff grün/ unden aber nicht so graw. Be- komt kleine purpurfarbe Blümlein/ auff welche zwey an einem stiel hangende schwar- tze/ safftige/ und mit widrigem Geschmack begabte beer folgen. Man findet dieses sel- ten/ doch hat es Johannes Rajus in Savoyen bey dem fürnembsten Carthauser Closter/ nahe an der Capellen Brunonis gesehen.
III. Das dritte Geschlecht/ Chamaecera- sus alpina fructu rubro gemino duobus pun- ctis notato, C. B. Chamaecerasus Gesneri, vel Chamaepericlymenum quoddam alpinum J. B. Jst ein Staude mit zerbrüchlichen ästen/ äschfarber rinde; zugespitzten haarigen blät- tern; länglichten rothen Waldwinde-blüm- lein; darauff eine doppelte rothe Frucht fol- get/ so gleichsam mit zwey augen/ oder fle- cken bezeichnet/ und einen bittern unliebli- chen Safft/ neben 6. 7. oder mehr weissen/ breiten samenkörnlein in sich haben. Wächst viel in den Burgundischen/ Savoyischtn und Pyrenaeischen/ wie auch sonderlich in den Steyrmärckischen/ Oesterreichischen und Pannonischen Gebürgen.
IV. Das vierte Geschlecht. Periclymenum rectum fructu coeruleo, I. B. Chamaecerasus mon- tana fructu singulari coeruleo, C. B. Jst eine Staude Mannshöhe/ mit einem dicklichten Stamm/ vielen ästen/ schwartzlichter Rinde; die jungen schoß ziehen auff purpurfarb. Hat gegenstehende bittere trucknende blät- ter: seine blümlein sind klein/ bleich/ hol/ und in fünf theil geschnitten/ hat nur einfache an einem kurtzen stiel hangende blaue beer/ so mit einem weinigen/ saurlichten/ die hän- de rothfärbenden safft angefüllet/ und viel samen-körnlein in sich haben. Wächst gern in den Steyrmärck- und Saltzburgischen Gebürgen/ alwo die Früchten fleissig auff- geläsen und zu der Färberey von den Ein- wohneren gebraucht werden.
Alle diese auffrechte Waldwinden sind bißher in der Artzney zu keinem nutz gezo- gen worden.
CAPUT CXXXIX. Hinschkraut.Amara dulcis.
Namen.
HInschkraut wird daher genant/ die- weil die Hirten dem Rindvieh dieses Kraut anhengen vor die Hinsch; man nennt es auch Je lenger Je lieber/ weil die rinde/ wenn man sie im Mund käwet/ eines bitteren Geschmacks ist/ darnach aber je län- ger je süsser schmacket. Griechisch heißt es/ [fremdsprachliches Material - 1 Wort fehlt]. Lateinisch/ Dulcis amara, Dul- camara, Amara dulcis, Vitis sylvestris Matthio- li, Solanum scandens s. Dulcamara, C. B. Jta- liänisch/ Vite salvatica. Frantzösisch/ Amer doux. Niderländisch/ Alfsraucke. Englisch/ Wooden/ Nightschaden or Bittersweet.
Gestalt.
Das Hinschkraut/ so under die Nacht- [Spaltenumbruch]
[Abbildung]
Hinschkraut.Amara dulcis. schatten Kräuter billich mag gezehlet wer- den/ ist ein hochästig steigend Gewächs/ wel- ches sich auff die nächsten Bäum schwin- get/ und flichtet/ wächst gern an Wasser- gestaden/ wird mit der zeit ein lange holtzich- te Rebe/ von farben gleich und grau- schwartz. Die wurtzeln sind gantz zasicht und haarig; seine schwancke dünne/ zerbrüchli- che schößlinge/ bleiben stäts grün/ sind bey- derseits mit schwartz-grünen/ wechselweiß stehenden blätteren bekleidet/ an gestalt fast wie der Nachtschatten; dazu gewinnen et- liche blätter zwey öhrlin oder spitzlein wie die kleine spitze Salbey. Jm Sommer erschei- nen purpur-braune/ und bißweilen weisse Blumen/ etwan zehen/ oder bißweilen zwolf an einem stiel. Jedes blümlein hat 5. spitzige rumb gebogene blätlein/ und in der mitte ein goldgelb zäpflein/ so bald die Blumen verfallen/ folgen länglichte beere hernach/ die sind erstlich grün/ darnach so sie zeitig worden/ schön roth/ und voller saffts/ wie Nachtschatten-beer/ aber am Geschmack unlieblich/ mit weißlichten körnlein ange- füllet/ blühet im Brach-und Heumonat.
Eigenschafft.
Das Hinschkraut hat ein flüchtig/ balsa- misches/ alkalisches saltz in seinem safft/ da- hero die Eigenschafft zu zertheilen/ säuberen und reinigen/ innerliche verstopffungen auf- zulösen/ den Harn und Wasser auß dem Leib zu treiben/ und gerunden Blut zu zertheilen.
Gebrauch.
Ein handvoll Hinschkraut in einer maaßVerstopf- fung der Leber/ gelb- und wasser- sucht. Wasser gesotten/ und davon getruncken/ ist gut für die verstopffung der Leber/ Gelb- und Wassersucht: dazu ist das destillierte Wasser noch besser/ wenn man dessen 5. oder 6. loth offt Morgens nuchteren trincket.
Hinschkraut grün gestossen/ und über-
geschla-
J i 2
Von den Baum- und Staud-Gewaͤchſen.
[Spaltenumbruch]
II. Das andere Geſchlecht/ Periclymenum rectum folio ſerrato, I. B. Chamæceraſus Alpi- na fructu gemino nigro, C. B. iſt kleiner als das vorige/ und ſteigt ſelten auff Manns- hoͤhe/ hat aber zartere und laͤngere/ an dem umbkreiß etwas zerkerffte blaͤtter/ ſo oben auff gruͤn/ unden aber nicht ſo graw. Be- komt kleine purpurfarbe Bluͤmlein/ auff welche zwey an einem ſtiel hangende ſchwar- tze/ ſafftige/ und mit widrigem Geſchmack begabte beer folgen. Man findet dieſes ſel- ten/ doch hat es Johannes Rajus in Savoyen bey dem fuͤrnembſten Carthauſer Cloſter/ nahe an der Capellen Brunonis geſehen.
III. Das dritte Geſchlecht/ Chamæcera- ſus alpina fructu rubro gemino duobus pun- ctis notato, C. B. Chamæceraſus Geſneri, vel Chamæpericlymenum quoddam alpinum J. B. Jſt ein Staude mit zerbruͤchlichen aͤſten/ aͤſchfarber rinde; zugeſpitzten haarigen blaͤt- tern; laͤnglichten rothen Waldwinde-bluͤm- lein; darauff eine doppelte rothe Frucht fol- get/ ſo gleichſam mit zwey augen/ oder fle- cken bezeichnet/ und einen bittern unliebli- chen Safft/ neben 6. 7. oder mehr weiſſen/ breiten ſamenkoͤrnlein in ſich habẽ. Waͤchſt viel in den Burgundiſchen/ Savoyiſchtn und Pyrenæiſchen/ wie auch ſonderlich in den Steyrmaͤrckiſchen/ Oeſterꝛeichiſchen und Pannoniſchen Gebuͤrgen.
IV. Das vierte Geſchlecht. Periclymenum rectum fructu cœruleo, I. B. Chamæceraſus mon- tana fructu ſingulari cœruleo, C. B. Jſt eine Staude Mannshoͤhe/ mit einem dicklichten Stam̃/ vielen aͤſten/ ſchwartzlichter Rinde; die jungen ſchoß ziehen auff purpurfarb. Hat gegenſtehende bittere trucknende blaͤt- ter: ſeine bluͤmlein ſind klein/ bleich/ hol/ und in fuͤnf theil geſchnitten/ hat nur einfache an einem kurtzen ſtiel hangende blaue beer/ ſo mit einem weinigen/ ſaurlichten/ die haͤn- de rothfaͤrbenden ſafft angefuͤllet/ und viel ſamen-koͤrnlein in ſich haben. Waͤchſt gern in den Steyrmaͤrck- und Saltzburgiſchen Gebuͤrgen/ alwo die Fruͤchten fleiſſig auff- gelaͤſen und zu der Faͤrberey von den Ein- wohneren gebraucht werden.
Alle dieſe auffrechte Waldwinden ſind bißher in der Artzney zu keinem nutz gezo- gen worden.
CAPUT CXXXIX. Hinſchkraut.Amara dulcis.
Namen.
HInſchkraut wird daher genant/ die- weil die Hirten dem Rindvieh dieſes Kraut anhengen vor die Hinſch; man nennt es auch Je lenger Je lieber/ weil die rinde/ wenn man ſie im Mund kaͤwet/ eines bitteren Geſchmacks iſt/ darnach aber je laͤn- ger je ſuͤſſer ſchmacket. Griechiſch heißt es/ [fremdsprachliches Material – 1 Wort fehlt]. Lateiniſch/ Dulcis amara, Dul- camara, Amara dulcis, Vitis ſylveſtris Matthio- li, Solanum ſcandens ſ. Dulcamara, C. B. Jta- liaͤniſch/ Vite ſalvatica. Frantzoͤſiſch/ Amer doux. Niderlaͤndiſch/ Alfsraucke. Engliſch/ Wooden/ Nightſchaden or Bittersweet.
Geſtalt.
Das Hinſchkraut/ ſo under die Nacht- [Spaltenumbruch]
[Abbildung]
Hinſchkraut.Amara dulcis. ſchatten Kraͤuter billich mag gezehlet wer- den/ iſt ein hochaͤſtig ſteigend Gewaͤchs/ wel- ches ſich auff die naͤchſten Baͤum ſchwin- get/ und flichtet/ waͤchſt gern an Waſſer- geſtaden/ wird mit der zeit ein lange holtzich- te Rebe/ von farben gleich und grau- ſchwartz. Die wurtzeln ſind gantz zaſicht und haarig; ſeine ſchwancke duͤnne/ zerbruͤchli- che ſchoͤßlinge/ bleiben ſtaͤts gruͤn/ ſind bey- derſeits mit ſchwartz-gruͤnen/ wechſelweiß ſtehenden blaͤtteren bekleidet/ an geſtalt faſt wie der Nachtſchatten; dazu gewinnen et- liche blaͤtter zwey oͤhrlin oder ſpitzlein wie die kleine ſpitze Salbey. Jm Som̃er erſchei- nen purpur-braune/ und bißweilen weiſſe Blumen/ etwan zehen/ oder bißweilen zwolf an einem ſtiel. Jedes bluͤmlein hat 5. ſpitzige rumb gebogene blaͤtlein/ und in der mitte ein goldgelb zaͤpflein/ ſo bald die Blumen verfallen/ folgen laͤnglichte beere hernach/ die ſind erſtlich gruͤn/ darnach ſo ſie zeitig worden/ ſchoͤn roth/ und voller ſaffts/ wie Nachtſchatten-beer/ aber am Geſchmack unlieblich/ mit weißlichten koͤrnlein ange- fuͤllet/ bluͤhet im Brach-und Heumonat.
Eigenſchafft.
Das Hinſchkraut hat ein fluͤchtig/ balſa- miſches/ alkaliſches ſaltz in ſeinem ſafft/ da- hero die Eigenſchafft zu zertheilen/ ſaͤuberen und reinigen/ innerliche verſtopffungen auf- zuloͤſen/ den Harn und Waſſer auß dem Leib zu treiben/ und geruñen Blut zu zertheilen.
Gebrauch.
Ein handvoll Hinſchkraut in einer maaßVerſtopf- fung der Leber/ gelb- und waſſer- ſucht. Waſſer geſotten/ und davon getruncken/ iſt gut fuͤr die verſtopffung der Leber/ Gelb- und Waſſerſucht: dazu iſt das deſtillierte Waſſer noch beſſer/ wenn man deſſen 5. oder 6. loth offt Morgens nůchteren trincket.
Hinſchkraut gruͤn geſtoſſen/ und uͤber-
geſchla-
J i 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0267"n="251"/><fwplace="top"type="header">Von den Baum- und Staud-Gewaͤchſen.</fw><lb/><cb/><p><hirendition="#aq"><hirendition="#g">II.</hi></hi> Das andere Geſchlecht/ <hirendition="#aq">Periclymenum<lb/>
rectum folio ſerrato, <hirendition="#i">I. B.</hi> Chamæceraſus Alpi-<lb/>
na fructu gemino nigro, <hirendition="#i">C. B.</hi></hi> iſt kleiner als<lb/>
das vorige/ und ſteigt ſelten auff Manns-<lb/>
hoͤhe/ hat aber zartere und laͤngere/ an dem<lb/>
umbkreiß etwas zerkerffte blaͤtter/ ſo oben<lb/>
auff gruͤn/ unden aber nicht ſo graw. Be-<lb/>
komt kleine purpurfarbe Bluͤmlein/ auff<lb/>
welche zwey an einem ſtiel hangende ſchwar-<lb/>
tze/ ſafftige/ und mit widrigem Geſchmack<lb/>
begabte beer folgen. Man findet dieſes ſel-<lb/>
ten/ doch hat es <hirendition="#aq">Johannes Rajus</hi> in Savoyen<lb/>
bey dem fuͤrnembſten Carthauſer Cloſter/<lb/>
nahe an der Capellen <hirendition="#aq">Brunonis</hi> geſehen.</p><lb/><p><hirendition="#aq">III.</hi> Das dritte Geſchlecht/ <hirendition="#aq">Chamæcera-<lb/>ſus alpina fructu rubro gemino duobus pun-<lb/>
ctis notato, <hirendition="#i">C. B.</hi> Chamæceraſus Geſneri, vel<lb/>
Chamæpericlymenum quoddam alpinum <hirendition="#i">J.</hi> B.</hi><lb/>
Jſt ein Staude mit zerbruͤchlichen aͤſten/<lb/>
aͤſchfarber rinde; zugeſpitzten haarigen blaͤt-<lb/>
tern; laͤnglichten rothen Waldwinde-bluͤm-<lb/>
lein; darauff eine doppelte rothe Frucht fol-<lb/>
get/ ſo gleichſam mit zwey augen/ oder fle-<lb/>
cken bezeichnet/ und einen bittern unliebli-<lb/>
chen Safft/ neben 6. 7. oder mehr weiſſen/<lb/>
breiten ſamenkoͤrnlein in ſich habẽ. Waͤchſt<lb/>
viel in den Burgundiſchen/ Savoyiſchtn<lb/>
und Pyren<hirendition="#aq">æ</hi>iſchen/ wie auch ſonderlich in<lb/>
den Steyrmaͤrckiſchen/ Oeſterꝛeichiſchen<lb/>
und Pannoniſchen Gebuͤrgen.</p><lb/><p><hirendition="#aq">IV.</hi> Das vierte Geſchlecht. <hirendition="#aq">Periclymenum<lb/>
rectum fructu cœruleo, <hirendition="#i">I. B.</hi> Chamæceraſus mon-<lb/>
tana fructu ſingulari cœruleo, <hirendition="#i">C. B.</hi></hi> Jſt eine<lb/>
Staude Mannshoͤhe/ mit einem dicklichten<lb/>
Stam̃/ vielen aͤſten/ ſchwartzlichter Rinde;<lb/>
die jungen ſchoß ziehen auff purpurfarb.<lb/>
Hat gegenſtehende bittere trucknende blaͤt-<lb/>
ter: ſeine bluͤmlein ſind klein/ bleich/ hol/ und<lb/>
in fuͤnf theil geſchnitten/ hat nur einfache<lb/>
an einem kurtzen ſtiel hangende blaue beer/<lb/>ſo mit einem weinigen/ ſaurlichten/ die haͤn-<lb/>
de rothfaͤrbenden ſafft angefuͤllet/ und viel<lb/>ſamen-koͤrnlein in ſich haben. Waͤchſt gern<lb/>
in den Steyrmaͤrck- und Saltzburgiſchen<lb/>
Gebuͤrgen/ alwo die Fruͤchten fleiſſig auff-<lb/>
gelaͤſen und zu der Faͤrberey von den Ein-<lb/>
wohneren gebraucht werden.</p><lb/><p>Alle dieſe auffrechte Waldwinden ſind<lb/>
bißher in der Artzney zu keinem nutz gezo-<lb/>
gen worden.</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#aq"><hirendition="#g">CAPUT CXXXIX</hi>.</hi><lb/><hirendition="#b">Hinſchkraut.</hi><hirendition="#aq">Amara dulcis.</hi></head><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Namen.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">H</hi>Inſchkraut wird daher genant/ die-<lb/>
weil die Hirten dem Rindvieh dieſes<lb/>
Kraut anhengen vor die Hinſch; man<lb/>
nennt es auch Je lenger Je lieber/ weil die<lb/>
rinde/ wenn man ſie im Mund kaͤwet/ eines<lb/>
bitteren Geſchmacks iſt/ darnach aber je laͤn-<lb/>
ger je ſuͤſſer ſchmacket. Griechiſch heißt es/<lb/><foreignxml:lang="ell"><gapreason="fm"unit="words"quantity="1"/></foreign>. Lateiniſch/ <hirendition="#aq">Dulcis amara, Dul-<lb/>
camara, Amara dulcis, Vitis ſylveſtris Matthio-<lb/>
li, Solanum ſcandens ſ. Dulcamara, <hirendition="#i">C. B.</hi></hi> Jta-<lb/>
liaͤniſch/ <hirendition="#aq">Vite ſalvatica.</hi> Frantzoͤſiſch/ <hirendition="#aq">Amer<lb/>
doux.</hi> Niderlaͤndiſch/ Alfsraucke. Engliſch/<lb/>
Wooden/ Nightſchaden or Bittersweet.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Geſtalt.</hi></head><lb/><p>Das Hinſchkraut/ ſo under die Nacht-<lb/><cb/><figure><head><hirendition="#c"><hirendition="#fr">Hinſchkraut.</hi><hirendition="#aq">Amara dulcis.</hi></hi></head><lb/></figure>ſchatten Kraͤuter billich mag gezehlet wer-<lb/>
den/ iſt ein hochaͤſtig ſteigend Gewaͤchs/ wel-<lb/>
ches ſich auff die naͤchſten Baͤum ſchwin-<lb/>
get/ und flichtet/ waͤchſt gern an Waſſer-<lb/>
geſtaden/ wird mit der zeit ein lange holtzich-<lb/>
te Rebe/ von farben gleich und grau-<lb/>ſchwartz. Die wurtzeln ſind gantz zaſicht und<lb/>
haarig; ſeine ſchwancke duͤnne/ zerbruͤchli-<lb/>
che ſchoͤßlinge/ bleiben ſtaͤts gruͤn/ ſind bey-<lb/>
derſeits mit ſchwartz-gruͤnen/ wechſelweiß<lb/>ſtehenden blaͤtteren bekleidet/ an geſtalt faſt<lb/>
wie der Nachtſchatten; dazu gewinnen et-<lb/>
liche blaͤtter zwey oͤhrlin oder ſpitzlein wie<lb/>
die kleine ſpitze Salbey. Jm Som̃er erſchei-<lb/>
nen purpur-braune/ und bißweilen weiſſe<lb/>
Blumen/ etwan zehen/ oder bißweilen zwolf<lb/>
an einem ſtiel. Jedes bluͤmlein hat 5. ſpitzige<lb/>
rumb gebogene blaͤtlein/ und in der mitte<lb/>
ein goldgelb zaͤpflein/ ſo bald die Blumen<lb/>
verfallen/ folgen laͤnglichte beere hernach/<lb/>
die ſind erſtlich gruͤn/ darnach ſo ſie zeitig<lb/>
worden/ ſchoͤn roth/ und voller ſaffts/ wie<lb/>
Nachtſchatten-beer/ aber am Geſchmack<lb/>
unlieblich/ mit weißlichten koͤrnlein ange-<lb/>
fuͤllet/ bluͤhet im Brach-und Heumonat.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Eigenſchafft.</hi></head><lb/><p>Das Hinſchkraut hat ein fluͤchtig/ balſa-<lb/>
miſches/ alkaliſches ſaltz in ſeinem ſafft/ da-<lb/>
hero die Eigenſchafft zu zertheilen/ ſaͤuberen<lb/>
und reinigen/ innerliche verſtopffungen auf-<lb/>
zuloͤſen/ den Harn und Waſſer auß dem Leib<lb/>
zu treiben/ und geruñen Blut zu zertheilen.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">Gebrauch.</hi></head><lb/><p>Ein handvoll Hinſchkraut in einer maaß<noteplace="right">Verſtopf-<lb/>
fung der<lb/>
Leber/<lb/>
gelb- und<lb/>
waſſer-<lb/>ſucht.</note><lb/>
Waſſer geſotten/ und davon getruncken/ iſt<lb/>
gut fuͤr die verſtopffung der Leber/ Gelb-<lb/>
und Waſſerſucht: dazu iſt das deſtillierte<lb/>
Waſſer noch beſſer/ wenn man deſſen 5. oder<lb/>
6. loth offt Morgens nůchteren trincket.</p><lb/><p>Hinſchkraut gruͤn geſtoſſen/ und uͤber-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">J i 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">geſchla-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[251/0267]
Von den Baum- und Staud-Gewaͤchſen.
II. Das andere Geſchlecht/ Periclymenum
rectum folio ſerrato, I. B. Chamæceraſus Alpi-
na fructu gemino nigro, C. B. iſt kleiner als
das vorige/ und ſteigt ſelten auff Manns-
hoͤhe/ hat aber zartere und laͤngere/ an dem
umbkreiß etwas zerkerffte blaͤtter/ ſo oben
auff gruͤn/ unden aber nicht ſo graw. Be-
komt kleine purpurfarbe Bluͤmlein/ auff
welche zwey an einem ſtiel hangende ſchwar-
tze/ ſafftige/ und mit widrigem Geſchmack
begabte beer folgen. Man findet dieſes ſel-
ten/ doch hat es Johannes Rajus in Savoyen
bey dem fuͤrnembſten Carthauſer Cloſter/
nahe an der Capellen Brunonis geſehen.
III. Das dritte Geſchlecht/ Chamæcera-
ſus alpina fructu rubro gemino duobus pun-
ctis notato, C. B. Chamæceraſus Geſneri, vel
Chamæpericlymenum quoddam alpinum J. B.
Jſt ein Staude mit zerbruͤchlichen aͤſten/
aͤſchfarber rinde; zugeſpitzten haarigen blaͤt-
tern; laͤnglichten rothen Waldwinde-bluͤm-
lein; darauff eine doppelte rothe Frucht fol-
get/ ſo gleichſam mit zwey augen/ oder fle-
cken bezeichnet/ und einen bittern unliebli-
chen Safft/ neben 6. 7. oder mehr weiſſen/
breiten ſamenkoͤrnlein in ſich habẽ. Waͤchſt
viel in den Burgundiſchen/ Savoyiſchtn
und Pyrenæiſchen/ wie auch ſonderlich in
den Steyrmaͤrckiſchen/ Oeſterꝛeichiſchen
und Pannoniſchen Gebuͤrgen.
IV. Das vierte Geſchlecht. Periclymenum
rectum fructu cœruleo, I. B. Chamæceraſus mon-
tana fructu ſingulari cœruleo, C. B. Jſt eine
Staude Mannshoͤhe/ mit einem dicklichten
Stam̃/ vielen aͤſten/ ſchwartzlichter Rinde;
die jungen ſchoß ziehen auff purpurfarb.
Hat gegenſtehende bittere trucknende blaͤt-
ter: ſeine bluͤmlein ſind klein/ bleich/ hol/ und
in fuͤnf theil geſchnitten/ hat nur einfache
an einem kurtzen ſtiel hangende blaue beer/
ſo mit einem weinigen/ ſaurlichten/ die haͤn-
de rothfaͤrbenden ſafft angefuͤllet/ und viel
ſamen-koͤrnlein in ſich haben. Waͤchſt gern
in den Steyrmaͤrck- und Saltzburgiſchen
Gebuͤrgen/ alwo die Fruͤchten fleiſſig auff-
gelaͤſen und zu der Faͤrberey von den Ein-
wohneren gebraucht werden.
Alle dieſe auffrechte Waldwinden ſind
bißher in der Artzney zu keinem nutz gezo-
gen worden.
CAPUT CXXXIX.
Hinſchkraut. Amara dulcis.
Namen.
HInſchkraut wird daher genant/ die-
weil die Hirten dem Rindvieh dieſes
Kraut anhengen vor die Hinſch; man
nennt es auch Je lenger Je lieber/ weil die
rinde/ wenn man ſie im Mund kaͤwet/ eines
bitteren Geſchmacks iſt/ darnach aber je laͤn-
ger je ſuͤſſer ſchmacket. Griechiſch heißt es/
_. Lateiniſch/ Dulcis amara, Dul-
camara, Amara dulcis, Vitis ſylveſtris Matthio-
li, Solanum ſcandens ſ. Dulcamara, C. B. Jta-
liaͤniſch/ Vite ſalvatica. Frantzoͤſiſch/ Amer
doux. Niderlaͤndiſch/ Alfsraucke. Engliſch/
Wooden/ Nightſchaden or Bittersweet.
Geſtalt.
Das Hinſchkraut/ ſo under die Nacht-
[Abbildung Hinſchkraut. Amara dulcis.
]
ſchatten Kraͤuter billich mag gezehlet wer-
den/ iſt ein hochaͤſtig ſteigend Gewaͤchs/ wel-
ches ſich auff die naͤchſten Baͤum ſchwin-
get/ und flichtet/ waͤchſt gern an Waſſer-
geſtaden/ wird mit der zeit ein lange holtzich-
te Rebe/ von farben gleich und grau-
ſchwartz. Die wurtzeln ſind gantz zaſicht und
haarig; ſeine ſchwancke duͤnne/ zerbruͤchli-
che ſchoͤßlinge/ bleiben ſtaͤts gruͤn/ ſind bey-
derſeits mit ſchwartz-gruͤnen/ wechſelweiß
ſtehenden blaͤtteren bekleidet/ an geſtalt faſt
wie der Nachtſchatten; dazu gewinnen et-
liche blaͤtter zwey oͤhrlin oder ſpitzlein wie
die kleine ſpitze Salbey. Jm Som̃er erſchei-
nen purpur-braune/ und bißweilen weiſſe
Blumen/ etwan zehen/ oder bißweilen zwolf
an einem ſtiel. Jedes bluͤmlein hat 5. ſpitzige
rumb gebogene blaͤtlein/ und in der mitte
ein goldgelb zaͤpflein/ ſo bald die Blumen
verfallen/ folgen laͤnglichte beere hernach/
die ſind erſtlich gruͤn/ darnach ſo ſie zeitig
worden/ ſchoͤn roth/ und voller ſaffts/ wie
Nachtſchatten-beer/ aber am Geſchmack
unlieblich/ mit weißlichten koͤrnlein ange-
fuͤllet/ bluͤhet im Brach-und Heumonat.
Eigenſchafft.
Das Hinſchkraut hat ein fluͤchtig/ balſa-
miſches/ alkaliſches ſaltz in ſeinem ſafft/ da-
hero die Eigenſchafft zu zertheilen/ ſaͤuberen
und reinigen/ innerliche verſtopffungen auf-
zuloͤſen/ den Harn und Waſſer auß dem Leib
zu treiben/ und geruñen Blut zu zertheilen.
Gebrauch.
Ein handvoll Hinſchkraut in einer maaß
Waſſer geſotten/ und davon getruncken/ iſt
gut fuͤr die verſtopffung der Leber/ Gelb-
und Waſſerſucht: dazu iſt das deſtillierte
Waſſer noch beſſer/ wenn man deſſen 5. oder
6. loth offt Morgens nůchteren trincket.
Verſtopf-
fung der
Leber/
gelb- und
waſſer-
ſucht.
Hinſchkraut gruͤn geſtoſſen/ und uͤber-
geſchla-
J i 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690/267>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.