[Spaltenumbruch]
den. Auff den gipffeln der Reben erscheinen fast den Sommer durch viel weisse oder gelb- lichte ablange und wolriechende Blumen/ die werden inwendig hol/ etwas zertheilt/ und von einem ort herumb gebogen/ auß de- ren mitte etliche zäserlein herfür hangen. Wenn die Blumen abfallen/ folget die Frucht wie Träublein hernach/ so erstlich grün/ nach der zeitigung aber roth wird/ in deren ein harter same liget. Man findet jhn auch in Engelland und Holland.
Diese Teutsche Waldwinde findet sich auch mit purpurrothen Blumen/ und ist sol- che Staude etwas höher/ und ästichter. Pe- riclymenum sive Caprifolium Germanicum flo- re rubello, Park.
Die frembde Waldwinde Periclymenum perfoliatum, C. B. I. B. perfoliatum sive Italicum, Park. Vergleicht sich mit jhren Räben und Blatteren der vorigen/ außgenommen daß diese am stiel gar zusammen gewachsen/ und etwas liechtroth/ auch eines scharfflichten Geschmacks sind. Jhre braun-weisse Blu- men kommen auch mit der Teutschen über- ein/ jedoch sind sie kürtzer/ geringer und der Bonen-blüth nicht ungleich/ auch ist der Geruch an dieser etwas anmütiger/ als an der ersten. Der bleichrothe samen/ so den kernen deß Holders gleichet/ wächst gleich- sam zusammen gewunden. Sie wächst in J- talien und der Narbonensischen Provintz in Franckreich.
Uber diß hat es noch ein Virginische im- mer grünend und blühende Waldwinden/ Periclymenum perfoliatum Virginianum sem- per virens & florens, Herman. Hort. Lugd. Bat. Di- se ist der vorgehenden frembden Waldwin- de gantz gleich/ aber an allen theilen etwas kleiner. Jhre blätter sind etwas runder/ glän- tzend/ unden grawlichter grünen stäts. Die auff den gipfelen herfürkommende Blumen haben keinen Geruch/ sind aber gantz anmü- tiger rothgläntzender farb/ und vergleichen sich der Figur nach einem Jägerhorn/ zu ausserst sind sie in fünff theil zerspalten. Jn mitte dieser Blumen hat es gelbe fäserlein/ mit einem bleichen länglichten stiel. Under je- der Blumen sihet man ein kleines grünlich- tes köpflein/ alß den anfang der folgenden Beer oder Frucht.
Eigenschafft.
Es haben diese Kräuter viel scharffen et- was ölichten/ flüchtigen/ und brennenden saltzes bey sich/ dannenher die Eigenschafft zu wärmen/ zu zertheilen/ zu tröcknen/ und den Harn zu treiben/ weilen aber jhre theile etwas zu scharff sind/ als werden sie eben nicht viel in der Artzney gebraucht.
Gebrauch.
Galenus schreibet/ die Blätter und Frücht der Waldwinden treiben den Harn so stark/ das auch das Blut mitgehe/ wenn man sie zu viel brauche.
Etliche pflegen unbedachtsamer weiß die- ses hitzigen Krauts blätter zu den Gurgel- wassern/ für die Bräune und andere hitzige versehrungen des Hals zu kochen/ welches ein grosser fehler. Dieser ist auch nicht ge- ringer/ daß jhrer viel das safft auß den blät- [Spaltenumbruch]
tern/ und rothen Träublein außtrucken/ und für den kühlen und hefftig zusammenziehen- den Lycium, nicht ohne mercklichen schaden verkauffen/ wie D. Agerius berichtet.
Von den wohlriechenden Blumen diesesSchlag- flüß/ Eng- brüstigkeit. Husten/ schwäre ge- burt. Gewächs wird ein wasser destillirt, zu stär- ckung des Haupts/ und verhütung des Schlags/ ist gut wider die Engbrüstigkeit und den Husten/ und befürderet die schwäre Geburt.
DIe Auffrechte Waldwinde wird ge- nennt auff Lateinisch/ Periclyme- num rectum, Chamaecerasus dume- torum. Englisch/ Vpright/ Houy-stuckle.
Geschlecht und Gestalt.
I. Das erste Geschlecht dieser auffrechten Waldwinde/ Periclymenum rectum fructu rubro & nigro, I. B. Chamaecerasus dumeto- rum fructu gemino rubro, C. B. Jst eine auß eigenem Stamm gerad auffwachsende staud/ hat an seinen ästen zwey gegen einander ste- hende/ beyderseits haarichte blätter/ auß de- ren flügel bleichgelbe Blümlein/ in form der gemeinen Waldwinde-blumen/ aber etwas kleiner herfür wachsen/ deren oberes blätlein über sich geweltzet/ und geschnitzt/ das un- dere aber ist gantz und etwas schmäler; auf solche blümlein folgen allezeit zwey zusam- menstehende und an einem stiel hangende rothe beer/ in der grösse der Holderbeer/ wel- che einen sehr widrigen Geschmack haben. Wächst in Teutschland an den Hägen und Wäldern.
II. Das
Das Erſte Buch/
[Spaltenumbruch]
den. Auff den gipffeln der Reben erſcheinen faſt den Som̃er durch viel weiſſe oder gelb- lichte ablange und wolriechende Blumen/ die werden inwendig hol/ etwas zertheilt/ und von einem ort herumb gebogen/ auß de- ren mitte etliche zaͤſerlein herfuͤr hangen. Wenn die Blumen abfallen/ folget die Frucht wie Traͤublein hernach/ ſo erſtlich gruͤn/ nach der zeitigung aber roth wird/ in deren ein harter ſame liget. Man findet jhn auch in Engelland und Holland.
Dieſe Teutſche Waldwinde findet ſich auch mit purpurꝛothen Blumen/ und iſt ſol- che Staude etwas hoͤher/ und aͤſtichter. Pe- riclymenum ſive Caprifolium Germanicum flo- re rubello, Park.
Die frembde Waldwinde Periclymenum perfoliatum, C. B. I. B. perfoliatum ſive Italicum, Park. Vergleicht ſich mit jhren Raͤben und Blatteren der vorigen/ außgenommen daß dieſe am ſtiel gar zuſammen gewachſen/ und etwas liechtroth/ auch eines ſcharfflichten Geſchmacks ſind. Jhre braun-weiſſe Blu- men kommen auch mit der Teutſchen uͤber- ein/ jedoch ſind ſie kuͤrtzer/ geringer und der Bonen-bluͤth nicht ungleich/ auch iſt der Geruch an dieſer etwas anmuͤtiger/ als an der erſten. Der bleichrothe ſamen/ ſo den kernen deß Holders gleichet/ waͤchſt gleich- ſam zuſam̃en gewunden. Sie waͤchſt in J- talien und der Narbonenſiſchen Provintz in Franckreich.
Uber diß hat es noch ein Virginiſche im- mer gruͤnend und bluͤhende Waldwinden/ Periclymenum perfoliatum Virginianum ſem- per virens & florens, Herman. Hort. Lugd. Bat. Di- ſe iſt der vorgehenden frembden Waldwin- de gantz gleich/ aber an allen theilen etwas kleiner. Jhre blaͤtter ſind etwas runder/ glaͤn- tzend/ unden grawlichter gruͤnen ſtaͤts. Die auff den gipfelen herfuͤrkommende Blumen haben keinen Geruch/ ſind aber gantz anmuͤ- tiger rothglaͤntzender farb/ und vergleichen ſich der Figur nach einem Jaͤgerhorn/ zu auſſerſt ſind ſie in fuͤnff theil zerſpalten. Jn mitte dieſer Blumen hat es gelbe faͤſerlein/ mit einem bleichen laͤnglichten ſtiel. Under je- der Blumen ſihet man ein kleines gruͤnlich- tes koͤpflein/ alß den anfang der folgenden Beer oder Frucht.
Eigenſchafft.
Es haben dieſe Kraͤuter viel ſcharffen et- was oͤlichten/ fluͤchtigen/ und brennenden ſaltzes bey ſich/ dannenher die Eigenſchafft zu waͤrmen/ zu zertheilen/ zu troͤcknen/ und den Harn zu treiben/ weilen aber jhre theile etwas zu ſcharff ſind/ als werden ſie eben nicht viel in der Artzney gebraucht.
Gebrauch.
Galenus ſchreibet/ die Blaͤtter und Fruͤcht der Waldwinden treiben den Harn ſo ſtark/ das auch das Blut mitgehe/ wenn man ſie zu viel brauche.
Etliche pflegen unbedachtſamer weiß die- ſes hitzigen Krauts blaͤtter zu den Gurgel- waſſern/ fuͤr die Braͤune und andere hitzige verſehrungen des Hals zu kochen/ welches ein groſſer fehler. Dieſer iſt auch nicht ge- ringer/ daß jhrer viel das ſafft auß den blaͤt- [Spaltenumbruch]
tern/ und rothen Traͤublein außtrucken/ und fuͤr den kuͤhlen und hefftig zuſam̃enziehen- den Lycium, nicht ohne mercklichen ſchaden verkauffen/ wie D. Agerius berichtet.
Von den wohlriechenden Blumen dieſesSchlag- fluͤß/ Eng- bruͤſtigkeit. Huſten/ ſchwaͤre ge- burt. Gewaͤchs wird ein waſſer deſtillirt, zu ſtaͤr- ckung des Haupts/ und verhuͤtung des Schlags/ iſt gut wider die Engbruͤſtigkeit und den Huſten/ und befuͤrderet die ſchwaͤre Geburt.
DIe Auffrechte Waldwinde wird ge- nennt auff Lateiniſch/ Periclyme- num rectum, Chamæceraſus dume- torum. Engliſch/ Vpright/ Houy-ſtuckle.
Geſchlecht und Geſtalt.
I. Das erſte Geſchlecht dieſer auffrechten Waldwinde/ Periclymenum rectum fructu rubro & nigro, I. B. Chamæceraſus dumeto- rum fructu gemino rubro, C. B. Jſt eine auß eigenem Stam̃ gerad auffwachſende ſtaud/ hat an ſeinen aͤſten zwey gegen einander ſte- hende/ beyderſeits haarichte blaͤtter/ auß de- ren fluͤgel bleichgelbe Bluͤmlein/ in form der gemeinen Waldwinde-blumen/ aber etwas kleiner herfuͤr wachſen/ deren oberes blaͤtlein uͤber ſich geweltzet/ und geſchnitzt/ das un- dere aber iſt gantz und etwas ſchmaͤler; auf ſolche bluͤmlein folgen allezeit zwey zuſam- menſtehende und an einem ſtiel hangende rothe beer/ in der groͤſſe der Holderbeer/ wel- che einen ſehr widrigen Geſchmack haben. Waͤchſt in Teutſchland an den Haͤgen und Waͤldern.
II. Das
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[250/0266]
Das Erſte Buch/
den. Auff den gipffeln der Reben erſcheinen
faſt den Som̃er durch viel weiſſe oder gelb-
lichte ablange und wolriechende Blumen/
die werden inwendig hol/ etwas zertheilt/
und von einem ort herumb gebogen/ auß de-
ren mitte etliche zaͤſerlein herfuͤr hangen.
Wenn die Blumen abfallen/ folget die
Frucht wie Traͤublein hernach/ ſo erſtlich
gruͤn/ nach der zeitigung aber roth wird/ in
deren ein harter ſame liget. Man findet jhn
auch in Engelland und Holland.
Dieſe Teutſche Waldwinde findet ſich
auch mit purpurꝛothen Blumen/ und iſt ſol-
che Staude etwas hoͤher/ und aͤſtichter. Pe-
riclymenum ſive Caprifolium Germanicum flo-
re rubello, Park.
Die frembde Waldwinde Periclymenum
perfoliatum, C. B. I. B. perfoliatum ſive Italicum,
Park. Vergleicht ſich mit jhren Raͤben und
Blatteren der vorigen/ außgenommen daß
dieſe am ſtiel gar zuſammen gewachſen/ und
etwas liechtroth/ auch eines ſcharfflichten
Geſchmacks ſind. Jhre braun-weiſſe Blu-
men kommen auch mit der Teutſchen uͤber-
ein/ jedoch ſind ſie kuͤrtzer/ geringer und der
Bonen-bluͤth nicht ungleich/ auch iſt der
Geruch an dieſer etwas anmuͤtiger/ als an
der erſten. Der bleichrothe ſamen/ ſo den
kernen deß Holders gleichet/ waͤchſt gleich-
ſam zuſam̃en gewunden. Sie waͤchſt in J-
talien und der Narbonenſiſchen Provintz in
Franckreich.
Uber diß hat es noch ein Virginiſche im-
mer gruͤnend und bluͤhende Waldwinden/
Periclymenum perfoliatum Virginianum ſem-
per virens & florens, Herman. Hort. Lugd. Bat. Di-
ſe iſt der vorgehenden frembden Waldwin-
de gantz gleich/ aber an allen theilen etwas
kleiner. Jhre blaͤtter ſind etwas runder/ glaͤn-
tzend/ unden grawlichter gruͤnen ſtaͤts. Die
auff den gipfelen herfuͤrkommende Blumen
haben keinen Geruch/ ſind aber gantz anmuͤ-
tiger rothglaͤntzender farb/ und vergleichen
ſich der Figur nach einem Jaͤgerhorn/ zu
auſſerſt ſind ſie in fuͤnff theil zerſpalten. Jn
mitte dieſer Blumen hat es gelbe faͤſerlein/
mit einem bleichen laͤnglichten ſtiel. Under je-
der Blumen ſihet man ein kleines gruͤnlich-
tes koͤpflein/ alß den anfang der folgenden
Beer oder Frucht.
Eigenſchafft.
Es haben dieſe Kraͤuter viel ſcharffen et-
was oͤlichten/ fluͤchtigen/ und brennenden
ſaltzes bey ſich/ dannenher die Eigenſchafft
zu waͤrmen/ zu zertheilen/ zu troͤcknen/ und
den Harn zu treiben/ weilen aber jhre theile
etwas zu ſcharff ſind/ als werden ſie eben
nicht viel in der Artzney gebraucht.
Gebrauch.
Galenus ſchreibet/ die Blaͤtter und Fruͤcht
der Waldwinden treiben den Harn ſo ſtark/
das auch das Blut mitgehe/ wenn man ſie
zu viel brauche.
Etliche pflegen unbedachtſamer weiß die-
ſes hitzigen Krauts blaͤtter zu den Gurgel-
waſſern/ fuͤr die Braͤune und andere hitzige
verſehrungen des Hals zu kochen/ welches
ein groſſer fehler. Dieſer iſt auch nicht ge-
ringer/ daß jhrer viel das ſafft auß den blaͤt-
tern/ und rothen Traͤublein außtrucken/ und
fuͤr den kuͤhlen und hefftig zuſam̃enziehen-
den Lycium, nicht ohne mercklichen ſchaden
verkauffen/ wie D. Agerius berichtet.
Von den wohlriechenden Blumen dieſes
Gewaͤchs wird ein waſſer deſtillirt, zu ſtaͤr-
ckung des Haupts/ und verhuͤtung des
Schlags/ iſt gut wider die Engbruͤſtigkeit
und den Huſten/ und befuͤrderet die ſchwaͤre
Geburt.
Schlag-
fluͤß/ Eng-
bruͤſtigkeit.
Huſten/
ſchwaͤre ge-
burt.
CAPUT CXXXVIII.
[Abbildung Auffrechte Waldwinde. Pericly-
menum rectum.
]
Namen.
DIe Auffrechte Waldwinde wird ge-
nennt auff Lateiniſch/ Periclyme-
num rectum, Chamæceraſus dume-
torum. Engliſch/ Vpright/ Houy-ſtuckle.
Geſchlecht und Geſtalt.
I. Das erſte Geſchlecht dieſer auffrechten
Waldwinde/ Periclymenum rectum fructu
rubro & nigro, I. B. Chamæceraſus dumeto-
rum fructu gemino rubro, C. B. Jſt eine auß
eigenem Stam̃ gerad auffwachſende ſtaud/
hat an ſeinen aͤſten zwey gegen einander ſte-
hende/ beyderſeits haarichte blaͤtter/ auß de-
ren fluͤgel bleichgelbe Bluͤmlein/ in form der
gemeinen Waldwinde-blumen/ aber etwas
kleiner herfuͤr wachſen/ deren oberes blaͤtlein
uͤber ſich geweltzet/ und geſchnitzt/ das un-
dere aber iſt gantz und etwas ſchmaͤler; auf
ſolche bluͤmlein folgen allezeit zwey zuſam-
menſtehende und an einem ſtiel hangende
rothe beer/ in der groͤſſe der Holderbeer/ wel-
che einen ſehr widrigen Geſchmack haben.
Waͤchſt in Teutſchland an den Haͤgen und
Waͤldern.
II. Das
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Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690/266>, abgerufen am 22.11.2024.
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