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Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690.

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Das Erste Buch/
[Spaltenumbruch] den. Auff den gipffeln der Reben erscheinen
fast den Sommer durch viel weisse oder gelb-
lichte ablange und wolriechende Blumen/
die werden inwendig hol/ etwas zertheilt/
und von einem ort herumb gebogen/ auß de-
ren mitte etliche zäserlein herfür hangen.
Wenn die Blumen abfallen/ folget die
Frucht wie Träublein hernach/ so erstlich
grün/ nach der zeitigung aber roth wird/ in
deren ein harter same liget. Man findet jhn
auch in Engelland und Holland.

Diese Teutsche Waldwinde findet sich
auch mit purpurrothen Blumen/ und ist sol-
che Staude etwas höher/ und ästichter. Pe-
riclymenum sive Caprifolium Germanicum flo-
re rubello, Park.

Die frembde Waldwinde Periclymenum
perfoliatum, C. B. I. B. perfoliatum sive Italicum,
Park.
Vergleicht sich mit jhren Räben und
Blatteren der vorigen/ außgenommen daß
diese am stiel gar zusammen gewachsen/ und
etwas liechtroth/ auch eines scharfflichten
Geschmacks sind. Jhre braun-weisse Blu-
men kommen auch mit der Teutschen über-
ein/ jedoch sind sie kürtzer/ geringer und der
Bonen-blüth nicht ungleich/ auch ist der
Geruch an dieser etwas anmütiger/ als an
der ersten. Der bleichrothe samen/ so den
kernen deß Holders gleichet/ wächst gleich-
sam zusammen gewunden. Sie wächst in J-
talien und der Narbonensischen Provintz in
Franckreich.

Uber diß hat es noch ein Virginische im-
mer grünend und blühende Waldwinden/
Periclymenum perfoliatum Virginianum sem-
per virens & florens, Herman. Hort. Lugd. Bat.
Di-
se ist der vorgehenden frembden Waldwin-
de gantz gleich/ aber an allen theilen etwas
kleiner. Jhre blätter sind etwas runder/ glän-
tzend/ unden grawlichter grünen stäts. Die
auff den gipfelen herfürkommende Blumen
haben keinen Geruch/ sind aber gantz anmü-
tiger rothgläntzender farb/ und vergleichen
sich der Figur nach einem Jägerhorn/ zu
ausserst sind sie in fünff theil zerspalten. Jn
mitte dieser Blumen hat es gelbe fäserlein/
mit einem bleichen länglichten stiel. Under je-
der Blumen sihet man ein kleines grünlich-
tes köpflein/ alß den anfang der folgenden
Beer oder Frucht.

Eigenschafft.

Es haben diese Kräuter viel scharffen et-
was ölichten/ flüchtigen/ und brennenden
saltzes bey sich/ dannenher die Eigenschafft
zu wärmen/ zu zertheilen/ zu tröcknen/ und
den Harn zu treiben/ weilen aber jhre theile
etwas zu scharff sind/ als werden sie eben
nicht viel in der Artzney gebraucht.

Gebrauch.

Galenus schreibet/ die Blätter und Frücht
der Waldwinden treiben den Harn so stark/
das auch das Blut mitgehe/ wenn man sie
zu viel brauche.

Etliche pflegen unbedachtsamer weiß die-
ses hitzigen Krauts blätter zu den Gurgel-
wassern/ für die Bräune und andere hitzige
versehrungen des Hals zu kochen/ welches
ein grosser fehler. Dieser ist auch nicht ge-
ringer/ daß jhrer viel das safft auß den blät-
[Spaltenumbruch] tern/ und rothen Träublein außtrucken/ und
für den kühlen und hefftig zusammenziehen-
den Lycium, nicht ohne mercklichen schaden
verkauffen/ wie D. Agerius berichtet.

Von den wohlriechenden Blumen diesesSchlag-
flüß/ Eng-
brüstigkeit.
Husten/
schwäre ge-
burt.

Gewächs wird ein wasser destillirt, zu stär-
ckung des Haupts/ und verhütung des
Schlags/ ist gut wider die Engbrüstigkeit
und den Husten/ und befürderet die schwäre
Geburt.



CAPUT CXXXVIII.
[Abbildung] Auffrechte Waldwinde. Pericly-
menum rectum.

Namen.

DIe Auffrechte Waldwinde wird ge-
nennt auff Lateinisch/ Periclyme-
num rectum, Chamaecerasus dume-
torum.
Englisch/ Vpright/ Houy-stuckle.

Geschlecht und Gestalt.

I. Das erste Geschlecht dieser auffrechten
Waldwinde/ Periclymenum rectum fructu
rubro & nigro, I. B. Chamaecerasus dumeto-
rum fructu gemino rubro, C. B.
Jst eine auß
eigenem Stamm gerad auffwachsende staud/
hat an seinen ästen zwey gegen einander ste-
hende/ beyderseits haarichte blätter/ auß de-
ren flügel bleichgelbe Blümlein/ in form der
gemeinen Waldwinde-blumen/ aber etwas
kleiner herfür wachsen/ deren oberes blätlein
über sich geweltzet/ und geschnitzt/ das un-
dere aber ist gantz und etwas schmäler; auf
solche blümlein folgen allezeit zwey zusam-
menstehende und an einem stiel hangende
rothe beer/ in der grösse der Holderbeer/ wel-
che einen sehr widrigen Geschmack haben.
Wächst in Teutschland an den Hägen und
Wäldern.

II. Das

Das Erſte Buch/
[Spaltenumbruch] den. Auff den gipffeln der Reben erſcheinen
faſt den Som̃er durch viel weiſſe oder gelb-
lichte ablange und wolriechende Blumen/
die werden inwendig hol/ etwas zertheilt/
und von einem ort herumb gebogen/ auß de-
ren mitte etliche zaͤſerlein herfuͤr hangen.
Wenn die Blumen abfallen/ folget die
Frucht wie Traͤublein hernach/ ſo erſtlich
gruͤn/ nach der zeitigung aber roth wird/ in
deren ein harter ſame liget. Man findet jhn
auch in Engelland und Holland.

Dieſe Teutſche Waldwinde findet ſich
auch mit purpurꝛothen Blumen/ und iſt ſol-
che Staude etwas hoͤher/ und aͤſtichter. Pe-
riclymenum ſive Caprifolium Germanicum flo-
re rubello, Park.

Die frembde Waldwinde Periclymenum
perfoliatum, C. B. I. B. perfoliatum ſive Italicum,
Park.
Vergleicht ſich mit jhren Raͤben und
Blatteren der vorigen/ außgenommen daß
dieſe am ſtiel gar zuſammen gewachſen/ und
etwas liechtroth/ auch eines ſcharfflichten
Geſchmacks ſind. Jhre braun-weiſſe Blu-
men kommen auch mit der Teutſchen uͤber-
ein/ jedoch ſind ſie kuͤrtzer/ geringer und der
Bonen-bluͤth nicht ungleich/ auch iſt der
Geruch an dieſer etwas anmuͤtiger/ als an
der erſten. Der bleichrothe ſamen/ ſo den
kernen deß Holders gleichet/ waͤchſt gleich-
ſam zuſam̃en gewunden. Sie waͤchſt in J-
talien und der Narbonenſiſchen Provintz in
Franckreich.

Uber diß hat es noch ein Virginiſche im-
mer gruͤnend und bluͤhende Waldwinden/
Periclymenum perfoliatum Virginianum ſem-
per virens & florens, Herman. Hort. Lugd. Bat.
Di-
ſe iſt der vorgehenden frembden Waldwin-
de gantz gleich/ aber an allen theilen etwas
kleiner. Jhre blaͤtter ſind etwas runder/ glaͤn-
tzend/ unden grawlichter gruͤnen ſtaͤts. Die
auff den gipfelen herfuͤrkommende Blumen
haben keinen Geruch/ ſind aber gantz anmuͤ-
tiger rothglaͤntzender farb/ und vergleichen
ſich der Figur nach einem Jaͤgerhorn/ zu
auſſerſt ſind ſie in fuͤnff theil zerſpalten. Jn
mitte dieſer Blumen hat es gelbe faͤſerlein/
mit einem bleichen laͤnglichten ſtiel. Under je-
der Blumen ſihet man ein kleines gruͤnlich-
tes koͤpflein/ alß den anfang der folgenden
Beer oder Frucht.

Eigenſchafft.

Es haben dieſe Kraͤuter viel ſcharffen et-
was oͤlichten/ fluͤchtigen/ und brennenden
ſaltzes bey ſich/ dannenher die Eigenſchafft
zu waͤrmen/ zu zertheilen/ zu troͤcknen/ und
den Harn zu treiben/ weilen aber jhre theile
etwas zu ſcharff ſind/ als werden ſie eben
nicht viel in der Artzney gebraucht.

Gebrauch.

Galenus ſchreibet/ die Blaͤtter und Fruͤcht
der Waldwinden treiben den Harn ſo ſtark/
das auch das Blut mitgehe/ wenn man ſie
zu viel brauche.

Etliche pflegen unbedachtſamer weiß die-
ſes hitzigen Krauts blaͤtter zu den Gurgel-
waſſern/ fuͤr die Braͤune und andere hitzige
verſehrungen des Hals zu kochen/ welches
ein groſſer fehler. Dieſer iſt auch nicht ge-
ringer/ daß jhrer viel das ſafft auß den blaͤt-
[Spaltenumbruch] tern/ und rothen Traͤublein außtrucken/ und
fuͤr den kuͤhlen und hefftig zuſam̃enziehen-
den Lycium, nicht ohne mercklichen ſchaden
verkauffen/ wie D. Agerius berichtet.

Von den wohlriechenden Blumen dieſesSchlag-
fluͤß/ Eng-
bruͤſtigkeit.
Huſten/
ſchwaͤre ge-
burt.

Gewaͤchs wird ein waſſer deſtillirt, zu ſtaͤr-
ckung des Haupts/ und verhuͤtung des
Schlags/ iſt gut wider die Engbruͤſtigkeit
und den Huſten/ und befuͤrderet die ſchwaͤre
Geburt.



CAPUT CXXXVIII.
[Abbildung] Auffrechte Waldwinde. Pericly-
menum rectum.

Namen.

DIe Auffrechte Waldwinde wird ge-
nennt auff Lateiniſch/ Periclyme-
num rectum, Chamæceraſus dume-
torum.
Engliſch/ Vpright/ Houy-ſtuckle.

Geſchlecht und Geſtalt.

I. Das erſte Geſchlecht dieſer auffrechten
Waldwinde/ Periclymenum rectum fructu
rubro & nigro, I. B. Chamæceraſus dumeto-
rum fructu gemino rubro, C. B.
Jſt eine auß
eigenem Stam̃ gerad auffwachſende ſtaud/
hat an ſeinen aͤſten zwey gegen einander ſte-
hende/ beyderſeits haarichte blaͤtter/ auß de-
ren fluͤgel bleichgelbe Bluͤmlein/ in form der
gemeinen Waldwinde-blumen/ aber etwas
kleiner herfuͤr wachſen/ deren oberes blaͤtlein
uͤber ſich geweltzet/ und geſchnitzt/ das un-
dere aber iſt gantz und etwas ſchmaͤler; auf
ſolche bluͤmlein folgen allezeit zwey zuſam-
menſtehende und an einem ſtiel hangende
rothe beer/ in der groͤſſe der Holderbeer/ wel-
che einen ſehr widrigen Geſchmack haben.
Waͤchſt in Teutſchland an den Haͤgen und
Waͤldern.

II. Das
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[250/0266] Das Erſte Buch/ den. Auff den gipffeln der Reben erſcheinen faſt den Som̃er durch viel weiſſe oder gelb- lichte ablange und wolriechende Blumen/ die werden inwendig hol/ etwas zertheilt/ und von einem ort herumb gebogen/ auß de- ren mitte etliche zaͤſerlein herfuͤr hangen. Wenn die Blumen abfallen/ folget die Frucht wie Traͤublein hernach/ ſo erſtlich gruͤn/ nach der zeitigung aber roth wird/ in deren ein harter ſame liget. Man findet jhn auch in Engelland und Holland. Dieſe Teutſche Waldwinde findet ſich auch mit purpurꝛothen Blumen/ und iſt ſol- che Staude etwas hoͤher/ und aͤſtichter. Pe- riclymenum ſive Caprifolium Germanicum flo- re rubello, Park. Die frembde Waldwinde Periclymenum perfoliatum, C. B. I. B. perfoliatum ſive Italicum, Park. Vergleicht ſich mit jhren Raͤben und Blatteren der vorigen/ außgenommen daß dieſe am ſtiel gar zuſammen gewachſen/ und etwas liechtroth/ auch eines ſcharfflichten Geſchmacks ſind. Jhre braun-weiſſe Blu- men kommen auch mit der Teutſchen uͤber- ein/ jedoch ſind ſie kuͤrtzer/ geringer und der Bonen-bluͤth nicht ungleich/ auch iſt der Geruch an dieſer etwas anmuͤtiger/ als an der erſten. Der bleichrothe ſamen/ ſo den kernen deß Holders gleichet/ waͤchſt gleich- ſam zuſam̃en gewunden. Sie waͤchſt in J- talien und der Narbonenſiſchen Provintz in Franckreich. Uber diß hat es noch ein Virginiſche im- mer gruͤnend und bluͤhende Waldwinden/ Periclymenum perfoliatum Virginianum ſem- per virens & florens, Herman. Hort. Lugd. Bat. Di- ſe iſt der vorgehenden frembden Waldwin- de gantz gleich/ aber an allen theilen etwas kleiner. Jhre blaͤtter ſind etwas runder/ glaͤn- tzend/ unden grawlichter gruͤnen ſtaͤts. Die auff den gipfelen herfuͤrkommende Blumen haben keinen Geruch/ ſind aber gantz anmuͤ- tiger rothglaͤntzender farb/ und vergleichen ſich der Figur nach einem Jaͤgerhorn/ zu auſſerſt ſind ſie in fuͤnff theil zerſpalten. Jn mitte dieſer Blumen hat es gelbe faͤſerlein/ mit einem bleichen laͤnglichten ſtiel. Under je- der Blumen ſihet man ein kleines gruͤnlich- tes koͤpflein/ alß den anfang der folgenden Beer oder Frucht. Eigenſchafft. Es haben dieſe Kraͤuter viel ſcharffen et- was oͤlichten/ fluͤchtigen/ und brennenden ſaltzes bey ſich/ dannenher die Eigenſchafft zu waͤrmen/ zu zertheilen/ zu troͤcknen/ und den Harn zu treiben/ weilen aber jhre theile etwas zu ſcharff ſind/ als werden ſie eben nicht viel in der Artzney gebraucht. Gebrauch. Galenus ſchreibet/ die Blaͤtter und Fruͤcht der Waldwinden treiben den Harn ſo ſtark/ das auch das Blut mitgehe/ wenn man ſie zu viel brauche. Etliche pflegen unbedachtſamer weiß die- ſes hitzigen Krauts blaͤtter zu den Gurgel- waſſern/ fuͤr die Braͤune und andere hitzige verſehrungen des Hals zu kochen/ welches ein groſſer fehler. Dieſer iſt auch nicht ge- ringer/ daß jhrer viel das ſafft auß den blaͤt- tern/ und rothen Traͤublein außtrucken/ und fuͤr den kuͤhlen und hefftig zuſam̃enziehen- den Lycium, nicht ohne mercklichen ſchaden verkauffen/ wie D. Agerius berichtet. Von den wohlriechenden Blumen dieſes Gewaͤchs wird ein waſſer deſtillirt, zu ſtaͤr- ckung des Haupts/ und verhuͤtung des Schlags/ iſt gut wider die Engbruͤſtigkeit und den Huſten/ und befuͤrderet die ſchwaͤre Geburt. Schlag- fluͤß/ Eng- bruͤſtigkeit. Huſten/ ſchwaͤre ge- burt. CAPUT CXXXVIII. [Abbildung Auffrechte Waldwinde. Pericly- menum rectum. ] Namen. DIe Auffrechte Waldwinde wird ge- nennt auff Lateiniſch/ Periclyme- num rectum, Chamæceraſus dume- torum. Engliſch/ Vpright/ Houy-ſtuckle. Geſchlecht und Geſtalt. I. Das erſte Geſchlecht dieſer auffrechten Waldwinde/ Periclymenum rectum fructu rubro & nigro, I. B. Chamæceraſus dumeto- rum fructu gemino rubro, C. B. Jſt eine auß eigenem Stam̃ gerad auffwachſende ſtaud/ hat an ſeinen aͤſten zwey gegen einander ſte- hende/ beyderſeits haarichte blaͤtter/ auß de- ren fluͤgel bleichgelbe Bluͤmlein/ in form der gemeinen Waldwinde-blumen/ aber etwas kleiner herfuͤr wachſen/ deren oberes blaͤtlein uͤber ſich geweltzet/ und geſchnitzt/ das un- dere aber iſt gantz und etwas ſchmaͤler; auf ſolche bluͤmlein folgen allezeit zwey zuſam- menſtehende und an einem ſtiel hangende rothe beer/ in der groͤſſe der Holderbeer/ wel- che einen ſehr widrigen Geſchmack haben. Waͤchſt in Teutſchland an den Haͤgen und Waͤldern. II. Das

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Zitationshilfe: Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690/266>, abgerufen am 22.11.2024.