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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

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Schatten der Laube auf- und abging -- beugte er sich
vertraulich zu meinem Ohr und flüsterte mir die Worte:

"So hätten Sie denn doch meine Einladung angenom-
men, und da säßen wir einmal zwei Köpfe unter einer
Kappe! -- Schon recht! schon recht! Nun geben Sie mir
aber auch mein Vogelnest zurück, Sie brauchen es nicht
mehr, und sind ein zu ehrlicher Mann, um es mir vor-
enthalten zu wollen -- doch keinen Dank dafür, ich ver-
sichere Sie, daß ich es Ihnen von Herzen gern geliehen
habe." -- Er nahm es unweigerlich aus meiner Hand,
steckte es in die Tasche und lachte mich abermals aus,
und zwar so laut, daß sich der Forstmeister nach dem
Geräusch umsah. -- Ich saß wie versteinert da.

"Sie müssen mir doch gestehen," fuhr er fort, "daß
so eine Kappe viel bequemer ist. Sie deckt doch nicht
nur ihren Mann, sondern auch seinen Schatten mit, und
noch so viele andere, als er mit zu nehmen Lust hat.
Sehen Sie, heute führ' ich wieder ihrer zwei." -- Er
lachte wieder. "Merken Sie sich's, Schlemihl, was
man anfangs mit Gutem nicht will, das muß man am
Ende doch gezwungen. Ich dächte noch, Sie kauften mir
das Ding ab, nähmen die Braut zurück, (denn noch ist
es Zeit) und wir ließen den Rascal am Galgen baumeln,
das wird uns ein Leichtes, so lange es am Stricke nicht
fehlt. -- Hören Sie, ich gebe Ihnen noch meine Mütze
in den Kauf."

Die Mutter trat heraus und das Gespräch begann. --
"Was macht Mina?" -- "Sie weint." -- "Einfältiges

13 *

Schatten der Laube auf- und abging — beugte er ſich
vertraulich zu meinem Ohr und fluͤſterte mir die Worte:

〟So haͤtten Sie denn doch meine Einladung angenom-
men, und da ſaͤßen wir einmal zwei Koͤpfe unter einer
Kappe! — Schon recht! ſchon recht! Nun geben Sie mir
aber auch mein Vogelneſt zuruͤck, Sie brauchen es nicht
mehr, und ſind ein zu ehrlicher Mann, um es mir vor-
enthalten zu wollen — doch keinen Dank dafuͤr, ich ver-
ſichere Sie, daß ich es Ihnen von Herzen gern geliehen
habe.〞 — Er nahm es unweigerlich aus meiner Hand,
ſteckte es in die Taſche und lachte mich abermals aus,
und zwar ſo laut, daß ſich der Forſtmeiſter nach dem
Geraͤuſch umſah. — Ich ſaß wie verſteinert da.

〟Sie muͤſſen mir doch geſtehen,〞 fuhr er fort, 〟daß
ſo eine Kappe viel bequemer iſt. Sie deckt doch nicht
nur ihren Mann, ſondern auch ſeinen Schatten mit, und
noch ſo viele andere, als er mit zu nehmen Luſt hat.
Sehen Sie, heute fuͤhr’ ich wieder ihrer zwei.〞 — Er
lachte wieder. 〟Merken Sie ſich’s, Schlemihl, was
man anfangs mit Gutem nicht will, das muß man am
Ende doch gezwungen. Ich daͤchte noch, Sie kauften mir
das Ding ab, naͤhmen die Braut zuruͤck, (denn noch iſt
es Zeit) und wir ließen den Rascal am Galgen baumeln,
das wird uns ein Leichtes, ſo lange es am Stricke nicht
fehlt. — Hoͤren Sie, ich gebe Ihnen noch meine Muͤtze
in den Kauf.〞

Die Mutter trat heraus und das Geſpraͤch begann. —
〟Was macht Mina?〞 — 〟Sie weint.〞 — 〟Einfaͤltiges

13 *
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[291/0079] Schatten der Laube auf- und abging — beugte er ſich vertraulich zu meinem Ohr und fluͤſterte mir die Worte: 〟So haͤtten Sie denn doch meine Einladung angenom- men, und da ſaͤßen wir einmal zwei Koͤpfe unter einer Kappe! — Schon recht! ſchon recht! Nun geben Sie mir aber auch mein Vogelneſt zuruͤck, Sie brauchen es nicht mehr, und ſind ein zu ehrlicher Mann, um es mir vor- enthalten zu wollen — doch keinen Dank dafuͤr, ich ver- ſichere Sie, daß ich es Ihnen von Herzen gern geliehen habe.〞 — Er nahm es unweigerlich aus meiner Hand, ſteckte es in die Taſche und lachte mich abermals aus, und zwar ſo laut, daß ſich der Forſtmeiſter nach dem Geraͤuſch umſah. — Ich ſaß wie verſteinert da. 〟Sie muͤſſen mir doch geſtehen,〞 fuhr er fort, 〟daß ſo eine Kappe viel bequemer iſt. Sie deckt doch nicht nur ihren Mann, ſondern auch ſeinen Schatten mit, und noch ſo viele andere, als er mit zu nehmen Luſt hat. Sehen Sie, heute fuͤhr’ ich wieder ihrer zwei.〞 — Er lachte wieder. 〟Merken Sie ſich’s, Schlemihl, was man anfangs mit Gutem nicht will, das muß man am Ende doch gezwungen. Ich daͤchte noch, Sie kauften mir das Ding ab, naͤhmen die Braut zuruͤck, (denn noch iſt es Zeit) und wir ließen den Rascal am Galgen baumeln, das wird uns ein Leichtes, ſo lange es am Stricke nicht fehlt. — Hoͤren Sie, ich gebe Ihnen noch meine Muͤtze in den Kauf.〞 Die Mutter trat heraus und das Geſpraͤch begann. — 〟Was macht Mina?〞 — 〟Sie weint.〞 — 〟Einfaͤltiges 13 *

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/79>, abgerufen am 23.11.2024.