Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827.Sie unterhielt sich einst am Bette Numero Sie unterhielt ſich einſt am Bette Numero <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0156" n="122"/> <p>Sie unterhielt ſich einſt am Bette Numero<lb/> Zwölf mit dem Herrn <hi rendition="#g">Bendel:</hi> “Warum,<lb/> edle Frau, wollen Sie ſich ſo oft der böſen Luft,<lb/> die hier herrſcht, ausſetzen? Sollte denn das Schick-<lb/> ſal mit Ihnen ſo hart ſein, daß Sie zu ſterben<lb/> begehrten?„ — “Nein, Herr <hi rendition="#g">Bendel</hi>, ſeit ich<lb/> meinen langen Traum ausgeträumt habe, und in<lb/> mir ſelber erwacht bin, geht es mir wohl, ſeitdem<lb/> wünſche ich nicht mehr und fürchte nicht mehr den<lb/> Tod. Seitdem denke ich heiter an Vergangenheit<lb/> und Zukunft. Iſt es nicht auch mit ſtillem in-<lb/> nerlichem Glück, daß Sie jetzt auf ſo gottſelige<lb/> Weiſe Ihrem Herrn und Freunde dienen?„ —<lb/> “Sei Gott gedankt, ja, edle Frau. Es iſt uns<lb/> doch wunderſam ergangen, wir haben viel Wohl<lb/> und bitt’res Weh unbedachtſam aus dem vollen Be-<lb/> cher geſchlürft. Nun iſt er leer; nun möchte Ei-<lb/> ner meinen, das ſei Alles nur die Probe geweſen,<lb/> und, mit kluger Einſicht gerüſtet, den wirklichen<lb/> Anfang erwarten. Ein anderer iſt nun der wirk-<lb/> liche Anfang, und man wünſcht das erſte Gaukel-<lb/> ſpiel nicht zurück, und iſt dennoch im Ganzen<lb/> froh, es, wie es war, gelebt zu haben. Auch find’<lb/> ich in mir das Zutrauen, daß es nun unſerm al-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [122/0156]
Sie unterhielt ſich einſt am Bette Numero
Zwölf mit dem Herrn Bendel: “Warum,
edle Frau, wollen Sie ſich ſo oft der böſen Luft,
die hier herrſcht, ausſetzen? Sollte denn das Schick-
ſal mit Ihnen ſo hart ſein, daß Sie zu ſterben
begehrten?„ — “Nein, Herr Bendel, ſeit ich
meinen langen Traum ausgeträumt habe, und in
mir ſelber erwacht bin, geht es mir wohl, ſeitdem
wünſche ich nicht mehr und fürchte nicht mehr den
Tod. Seitdem denke ich heiter an Vergangenheit
und Zukunft. Iſt es nicht auch mit ſtillem in-
nerlichem Glück, daß Sie jetzt auf ſo gottſelige
Weiſe Ihrem Herrn und Freunde dienen?„ —
“Sei Gott gedankt, ja, edle Frau. Es iſt uns
doch wunderſam ergangen, wir haben viel Wohl
und bitt’res Weh unbedachtſam aus dem vollen Be-
cher geſchlürft. Nun iſt er leer; nun möchte Ei-
ner meinen, das ſei Alles nur die Probe geweſen,
und, mit kluger Einſicht gerüſtet, den wirklichen
Anfang erwarten. Ein anderer iſt nun der wirk-
liche Anfang, und man wünſcht das erſte Gaukel-
ſpiel nicht zurück, und iſt dennoch im Ganzen
froh, es, wie es war, gelebt zu haben. Auch find’
ich in mir das Zutrauen, daß es nun unſerm al-
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