Spener, Philipp Jakob: Leichenpredigt auf den kurfürstlich-brandenburgischen Kammergerichtsadvokaten und Berliner Bürgermeister Martin Friedrich Elerdt (1644–1693). Frankfurt (Main), 1696.
2. Sie kommen aber in den frieden und zur ruhe/ da sie die
2. Sie kommen aber in den frieden und zur ruhe/ da sie die <TEI> <text> <body> <div type="fsSermon" n="1"> <div type="fsExordium" n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0021" n="173"/><lb/> den. 1. Mos. 2/ 15. Aber wie von jener betrachtung und lob die seele keine<lb/> unruhe und ermuͤdung empfunden haͤtte/ sondern lauter lieblichkeit/ so<lb/> wuͤrde auch der leib von jenem bau keine muͤdigkeit empfunden/ sondern<lb/> nur eine anmuhtige uͤbung daran gehabt haben; wie etwan<note xml:id="a93" next="#e93" type="editorial" n="93"/> jetzt/ da ei-<lb/> ner spatziren gehet/ oder vor die lust etwas thut/ das ihm nicht beschwer-<lb/> lich ist. Aber nach dem fall fuͤhlen wir/ daß unsere seele/ so lang sie in dem<lb/> leibe ist/ auch von den geistlichen uͤbungen/ betrachtungen/ gebet und der-<lb/> gleichen nach dem aͤusserlichen eine muͤdigkeit empfindet/ daher sie auch<lb/> nicht darinnen immer zu beharren vermag. Vielmehr fuͤhlet der leib von<lb/> der arbeit seine muͤdigkeit und verlust der kraͤfften/ weswegen <hi rendition="#fr">sich ein<lb/> tagloͤhner sehnet/ daß seine arbeit aus seye</hi>/ Job. 7/ 2. Daher<lb/> ist jetzt alles der menschen thun lauter muͤhe und arbeit/ wie im <hi rendition="#fr">Prediger<lb/> Salomonis</hi> offt geklaget wird. Auch bey den frommen/ ob sie wol in<lb/> dem gehorsam ihres Gottes ihre arbeit mit freuden thun/ nach dem in-<lb/> nerlichen menschen/ so hat dennoch darneben der aͤusserliche mensch in al-<lb/> ler arbeit seine beschwerde. Die selige aber/ ob sie wol in der ewigkeit auch<lb/> nicht gleichsam muͤssig seyn/ und wie der Vater und Sohn <hi rendition="#fr">allezeit wir-<lb/> cken</hi>/ Joh. 5/ 17. also auch sie in Gott mit erkaͤnntniß und unaufhoͤrli-<lb/> chem preiß<note xml:id="a94" next="#e94" type="editorial" n="94"/> stets wircken/ auf eine weise/ die uns unbegreiflich ist/ und<lb/> also nicht etwa nur so dahin schlaffen/ ist doch ihr ewiges wircken ohne<lb/> arbeit/ und also ruhen sie in demselben freylich von der arbeit. Sie ru-<lb/> hen auch <hi rendition="#fr">von allem leiden</hi> :<note xml:id="a95" next="#e95" type="editorial" n="95"/>Dann gewiß das leiden in der welt ist all-<lb/> hier allezeit mit beschwerde und unruhe/ und kommet deswegen auch den<lb/> glaubigen vor/ <hi rendition="#fr">nicht freude</hi>/ sondern <hi rendition="#fr">traurigkeit zu seyn</hi>/ Hebr. 12/<lb/> 11. Und ob schon daraus/ wo die glaͤubige dadurch geuͤbet sind/ noch eine<lb/><hi rendition="#fr">friedsame frucht der gerechtigkeit</hi><note xml:id="a96" next="#e96" type="editorial" n="96"/> folget/ ist doch dieselbe ruhe noch<lb/> unvollkommen : dorten aber hoͤret alles leiden und alles unruhige wesen<lb/> auff/ wann es im vollkommenstem und hoͤchsten verstand heissen wird/ Of-<lb/> fenb. 21/ 4. <hi rendition="#fr">Gott wird abwischen alle traͤhnen von ihren au-<lb/> gen/ und der tod wird nicht mehr seyn/ noch leid/ noch geschrey/<lb/> noch schmertzen wird mehr seyn.</hi> Das heisset ja recht/ sie ruhen<lb/> von aller ihrer arbeit/ die sie vorhin ausgestanden haben/ nach allen arten.</p><lb/> <p>2. Sie kommen aber <hi rendition="#fr">in den frieden und zur ruhe</hi><note xml:id="a97" next="#e97" type="editorial" n="97"/>/ da sie die<lb/> kuͤnfftige gerichte/ so die welt betroffen/ nicht mehr außstehen doͤrffen/<lb/> sondern eben deßwegen davor weggenommen worden sind. Dahin son-<lb/> derlich unsere worte die absicht haben : Und wir davon oben geredet ha-<lb/> ben. Es mag endlich die suͤndfluht<note xml:id="a98" next="#e98" type="editorial" n="98"/> kommen/ der liebe Mathusalem<note xml:id="a99" next="#e99" type="editorial" n="99"/><lb/> liegt in seinem grab/ und darf den jammer der so viel tausenden/ die durch<lb/> das wasser uͤmbkommen/ da wir leicht erachten koͤnnen/ wie erbaͤrmlich es<lb/><lb/> </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [173/0021]
den. 1. Mos. 2/ 15. Aber wie von jener betrachtung und lob die seele keine
unruhe und ermuͤdung empfunden haͤtte/ sondern lauter lieblichkeit/ so
wuͤrde auch der leib von jenem bau keine muͤdigkeit empfunden/ sondern
nur eine anmuhtige uͤbung daran gehabt haben; wie etwan jetzt/ da ei-
ner spatziren gehet/ oder vor die lust etwas thut/ das ihm nicht beschwer-
lich ist. Aber nach dem fall fuͤhlen wir/ daß unsere seele/ so lang sie in dem
leibe ist/ auch von den geistlichen uͤbungen/ betrachtungen/ gebet und der-
gleichen nach dem aͤusserlichen eine muͤdigkeit empfindet/ daher sie auch
nicht darinnen immer zu beharren vermag. Vielmehr fuͤhlet der leib von
der arbeit seine muͤdigkeit und verlust der kraͤfften/ weswegen sich ein
tagloͤhner sehnet/ daß seine arbeit aus seye/ Job. 7/ 2. Daher
ist jetzt alles der menschen thun lauter muͤhe und arbeit/ wie im Prediger
Salomonis offt geklaget wird. Auch bey den frommen/ ob sie wol in
dem gehorsam ihres Gottes ihre arbeit mit freuden thun/ nach dem in-
nerlichen menschen/ so hat dennoch darneben der aͤusserliche mensch in al-
ler arbeit seine beschwerde. Die selige aber/ ob sie wol in der ewigkeit auch
nicht gleichsam muͤssig seyn/ und wie der Vater und Sohn allezeit wir-
cken/ Joh. 5/ 17. also auch sie in Gott mit erkaͤnntniß und unaufhoͤrli-
chem preiß stets wircken/ auf eine weise/ die uns unbegreiflich ist/ und
also nicht etwa nur so dahin schlaffen/ ist doch ihr ewiges wircken ohne
arbeit/ und also ruhen sie in demselben freylich von der arbeit. Sie ru-
hen auch von allem leiden :Dann gewiß das leiden in der welt ist all-
hier allezeit mit beschwerde und unruhe/ und kommet deswegen auch den
glaubigen vor/ nicht freude/ sondern traurigkeit zu seyn/ Hebr. 12/
11. Und ob schon daraus/ wo die glaͤubige dadurch geuͤbet sind/ noch eine
friedsame frucht der gerechtigkeit folget/ ist doch dieselbe ruhe noch
unvollkommen : dorten aber hoͤret alles leiden und alles unruhige wesen
auff/ wann es im vollkommenstem und hoͤchsten verstand heissen wird/ Of-
fenb. 21/ 4. Gott wird abwischen alle traͤhnen von ihren au-
gen/ und der tod wird nicht mehr seyn/ noch leid/ noch geschrey/
noch schmertzen wird mehr seyn. Das heisset ja recht/ sie ruhen
von aller ihrer arbeit/ die sie vorhin ausgestanden haben/ nach allen arten.
2. Sie kommen aber in den frieden und zur ruhe/ da sie die
kuͤnfftige gerichte/ so die welt betroffen/ nicht mehr außstehen doͤrffen/
sondern eben deßwegen davor weggenommen worden sind. Dahin son-
derlich unsere worte die absicht haben : Und wir davon oben geredet ha-
ben. Es mag endlich die suͤndfluht kommen/ der liebe Mathusalem
liegt in seinem grab/ und darf den jammer der so viel tausenden/ die durch
das wasser uͤmbkommen/ da wir leicht erachten koͤnnen/ wie erbaͤrmlich es
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