Spener, Philipp Jakob: Leichenpredigt auf den kurfürstlich-brandenburgischen Kammergerichtsadvokaten und Berliner Bürgermeister Martin Friedrich Elerdt (1644–1693). Frankfurt (Main), 1696.
4. Gleichwol müssen wir solches nicht so annehmen/ ob wüsten 5. Was auch die leiber anlangt/ so ruhen sie im grabe/ und ob sie Eine solche bewandnüß hats mit jenem fried und ruhe/ so viel wir
4. Gleichwol muͤssen wir solches nicht so annehmen/ ob wuͤsten 5. Was auch die leiber anlangt/ so ruhen sie im grabe/ und ob sie Eine solche bewandnuͤß hats mit jenem fried und ruhe/ so viel wir <TEI> <text> <body> <div type="fsSermon" n="1"> <div type="fsExordium" n="2"> <div n="3"> <p> <hi rendition="#fr"><pb facs="#f0024" n="176"/><lb/> du darvon auch selbst nicht gewust hast; dann/ solte unser<lb/> Herr GOTT nicht mehr weise haben zu leben als diese zwey-<lb/> erley allein/ daß ein leben ohne leben und verstand seye.<note xml:id="a125" n="125" type="editorial" next="#e125"/>Also<lb/> kan die seele auch ihre eigene weise haben zu leben/ welche uͤber<lb/> unsern verstand ist.</hi> </p><lb/> <p>4. Gleichwol muͤssen wir solches nicht so annehmen/ ob wuͤsten<lb/> die seelen gar nichts/ wie ihnen waͤre/ (wie es scheinen moͤchte/ daß diese<lb/> wort mit sich braͤchten/) und auch einigen vaͤtern solche meinung (wie<lb/> recht oder nicht recht/ mache ich hier nicht aus/) zugeschrieben wird/ daß<lb/> sie gemeinet/ die seelen schlieffen biß an den juͤngsten tag/ also/ daß sie von<lb/> gar nicht wuͤsten. Sondern/ ob wir sagen moͤchten/ daß die unteren kraͤffte<lb/> der seele alsdann ruheten/ so ist doch die obere krafft/ so Lutherus den <hi rendition="#fr">geist</hi><lb/> nennet/ <hi rendition="#aq">T. 1. Alt. f. 758. b.</hi><note xml:id="a126" n="126" type="editorial" next="#e126"/>alsdann in keinem schlaff/ sondern Gott in<lb/> ihr/ und sie in Gott am geschaͤfftigsten. Es sind in diesem schlaff/ so<lb/> zu reden/ die aller suͤsseste traͤume/ da sie Gott sehen/ und seine freude be-<lb/> reits kosten. Dann daß es nicht ein blosser<note xml:id="a127" n="127" type="editorial" next="#e127"/>/ gleichsam tummer<note xml:id="a128" n="128" type="editorial" next="#e128"/>/ schlaff<lb/> seye/ sehen wir daraus/ dann Lazari seel <hi rendition="#fr">wird getroͤstet</hi>/ Luc. 16/ 25. da-<lb/> bey ist ja empfindlichkeit; und Paulus/ 2. Cor. 5/ 7. setzet unmittelbar<lb/> auff den <hi rendition="#fr">glauben</hi>/ der so lang waͤhret/ als lang wir in dem leibe sind/ und<lb/> von dem Herren wallen/<note xml:id="a129" n="129" type="editorial" next="#e129"/>das <hi rendition="#fr">schauen</hi>/ das also anfangt/ so bald die selige<lb/> bey dem Herren/ aus dieser huͤtte ausgegangen/ und in <hi rendition="#fr">das hauß/ so<lb/> nicht mit haͤnden gemacht/ das ewig im himmel/ und ein bau<lb/> von Gott erbauet ist</hi>/ v. 1. eingegangen sind : und wie solten sie bey<lb/> dem Herren seyn/ daß er sie seine sußigkeit nicht schmecken liesse? Daher ist<lb/> der seligen ruhe und schlaff ein solcher/ da sie ruhen/ von allem wiedri-<lb/> gen/ und sie keine sorge/ forcht/ traurigkeit betreffen kan; sie sind allem<lb/> diesem irrdischen entschlaffen/ aber ihre ruhe ist voll himmlischen trostes/<lb/> wonne/ empfindlichkeit der suͤssen liebe und freude ihres Gottes/ den sie<lb/> nunmehr sehen <hi rendition="#fr">:</hi> und also alle seligkeit haben/ welcher eine abgeschie-<lb/> dene seele faͤhig ist : Ob wol ihr verlangen noch bleibet/ wiederum mit dem<lb/> leibe vereiniget zu werden/ auff welches an jenem herrlichen tag freylich<lb/> die seligkeit und herrlichkeit derselben erst gantz vollkommen wird.</p><lb/> <p>5. Was auch die leiber anlangt/ so ruhen sie im grabe/ und ob sie<lb/> daselbs die verwesung/ als das letzte stuͤck des gerichts uͤber die suͤnde aus-<lb/> stehen/ fuͤhlen sie davon nichts/ und werden nur dadurch zur unverweßlich-<lb/> keit bereitet.<note xml:id="a130" n="130" type="editorial" next="#e130"/>So ist der Herr auch daselbs bey ihnen/ daß ihnen in solcher<lb/> ruhe nichts schaden solle.</p><lb/> <p>Eine solche bewandnuͤß hats mit jenem fried und ruhe/ so viel wir<lb/> noch in dieser schwachheit davon begreiffen moͤgen : dann es wird alles<lb/> noch viel vortreflicher in der that seyn/ als wir allhier davon reden koͤnnen.</p><lb/><lb/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [176/0024]
du darvon auch selbst nicht gewust hast; dann/ solte unser
Herr GOTT nicht mehr weise haben zu leben als diese zwey-
erley allein/ daß ein leben ohne leben und verstand seye.Also
kan die seele auch ihre eigene weise haben zu leben/ welche uͤber
unsern verstand ist.
4. Gleichwol muͤssen wir solches nicht so annehmen/ ob wuͤsten
die seelen gar nichts/ wie ihnen waͤre/ (wie es scheinen moͤchte/ daß diese
wort mit sich braͤchten/) und auch einigen vaͤtern solche meinung (wie
recht oder nicht recht/ mache ich hier nicht aus/) zugeschrieben wird/ daß
sie gemeinet/ die seelen schlieffen biß an den juͤngsten tag/ also/ daß sie von
gar nicht wuͤsten. Sondern/ ob wir sagen moͤchten/ daß die unteren kraͤffte
der seele alsdann ruheten/ so ist doch die obere krafft/ so Lutherus den geist
nennet/ T. 1. Alt. f. 758. b.alsdann in keinem schlaff/ sondern Gott in
ihr/ und sie in Gott am geschaͤfftigsten. Es sind in diesem schlaff/ so
zu reden/ die aller suͤsseste traͤume/ da sie Gott sehen/ und seine freude be-
reits kosten. Dann daß es nicht ein blosser/ gleichsam tummer/ schlaff
seye/ sehen wir daraus/ dann Lazari seel wird getroͤstet/ Luc. 16/ 25. da-
bey ist ja empfindlichkeit; und Paulus/ 2. Cor. 5/ 7. setzet unmittelbar
auff den glauben/ der so lang waͤhret/ als lang wir in dem leibe sind/ und
von dem Herren wallen/das schauen/ das also anfangt/ so bald die selige
bey dem Herren/ aus dieser huͤtte ausgegangen/ und in das hauß/ so
nicht mit haͤnden gemacht/ das ewig im himmel/ und ein bau
von Gott erbauet ist/ v. 1. eingegangen sind : und wie solten sie bey
dem Herren seyn/ daß er sie seine sußigkeit nicht schmecken liesse? Daher ist
der seligen ruhe und schlaff ein solcher/ da sie ruhen/ von allem wiedri-
gen/ und sie keine sorge/ forcht/ traurigkeit betreffen kan; sie sind allem
diesem irrdischen entschlaffen/ aber ihre ruhe ist voll himmlischen trostes/
wonne/ empfindlichkeit der suͤssen liebe und freude ihres Gottes/ den sie
nunmehr sehen : und also alle seligkeit haben/ welcher eine abgeschie-
dene seele faͤhig ist : Ob wol ihr verlangen noch bleibet/ wiederum mit dem
leibe vereiniget zu werden/ auff welches an jenem herrlichen tag freylich
die seligkeit und herrlichkeit derselben erst gantz vollkommen wird.
5. Was auch die leiber anlangt/ so ruhen sie im grabe/ und ob sie
daselbs die verwesung/ als das letzte stuͤck des gerichts uͤber die suͤnde aus-
stehen/ fuͤhlen sie davon nichts/ und werden nur dadurch zur unverweßlich-
keit bereitet.So ist der Herr auch daselbs bey ihnen/ daß ihnen in solcher
ruhe nichts schaden solle.
Eine solche bewandnuͤß hats mit jenem fried und ruhe/ so viel wir
noch in dieser schwachheit davon begreiffen moͤgen : dann es wird alles
noch viel vortreflicher in der that seyn/ als wir allhier davon reden koͤnnen.
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