Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klepperbein, Vertraugott: Den Todt im Leben Und das Leben im Tode. Schlichtingsheim (Oder), 1693.

Bild:
<< vorherige Seite

Abdanckungs-Rede.
horam vitae promittere potest, nemo de crastino habet noti-
tiam: Fugit aetas, fugit omnis terrena voluptas: Nihil habe-
mus nisi praesens, & id momentaneum est.
Die gegenwärti-
ge Herrligkeit ist unser. Die Zukünfftige stehet nicht in un-
ser Gewalt/ und alles beydes ist vergänglich/ weil sie in der
Welt.

Ein Hirte hat mit seiner Hütte/ keine gewisse Stätte
im Felde: Sondern er führet sie von einem Ort zum ande-
ren/ biß sie endlich gar in Stücken fället/ und er davon muß.
So sind wir Sterbliche auch; Wir haben hier keine bleiben-
de Städte/ sondern die zukünfftige suchen wir. Der Leib
schleppet die Seele/ die Seele den Leib/ wie eine Schnecke ihr
Hauß herumb/ so lange/ biß das Hauß und Hütte zubricht
und vergehet. Ach was ist doch die Welt-Freude? Flüchtig
und nichtig. Sie kommet lieblich hergegangen/ und lässet
uns betrübt von sich/ ja die allzu grosse Freude tödtet. Chi-
lon
von Sparta ist vor Freuden gestorben/ in dem er seinen
Sohn/ als einen Uberwinder umbfahen und küssen wollen.
Clidemus von Athen starb/ als er mit einer goldnen Krone
unverhofft gekrönet wurde. Plato ist durch einen freudigen
Traum; Und P. Crassus durchs Lachen gestorben. So töd-
tet auch die Freude/ da sonsten nur die Traurigkeit viel Leute
umbringen solte. Und was soll man wohl vor Freuden sich
träumen lassen/ und für Glücke sich einbilden da die Welt
vergänglich mit all ihrer Lust/ und wir selber verschwinden
müssen.

Hingegen lasset uns doch wohl erwegen/ was der ewige
Freuden-Himmel sey/ dahin die Gläubigen gelangen/ und
alldar ihr rechtes Leben anfahen. Es ist ja ein Hauß der

Freu-
E 2

Abdanckungs-Rede.
horam vitæ promittere poteſt, nemo de craſtino habet noti-
tiam: Fugit ætas, fugit omnis terrena voluptas: Nihil habe-
mus niſi præſens, & id momentaneum eſt.
Die gegenwaͤrti-
ge Herꝛligkeit iſt unſer. Die Zukuͤnfftige ſtehet nicht in un-
ſer Gewalt/ und alles beydes iſt vergaͤnglich/ weil ſie in der
Welt.

Ein Hirte hat mit ſeiner Huͤtte/ keine gewiſſe Staͤtte
im Felde: Sondern er fuͤhret ſie von einem Ort zum ande-
ren/ biß ſie endlich gar in Stuͤcken faͤllet/ und er davon muß.
So ſind wir Sterbliche auch; Wir haben hier keine bleiben-
de Staͤdte/ ſondern die zukuͤnfftige ſuchen wir. Der Leib
ſchleppet die Seele/ die Seele den Leib/ wie eine Schnecke ihr
Hauß herumb/ ſo lange/ biß das Hauß und Huͤtte zubricht
und vergehet. Ach was iſt doch die Welt-Freude? Fluͤchtig
und nichtig. Sie kommet lieblich hergegangen/ und laͤſſet
uns betruͤbt von ſich/ ja die allzu groſſe Freude toͤdtet. Chi-
lon
von Sparta iſt vor Freuden geſtorben/ in dem er ſeinen
Sohn/ als einen Uberwinder umbfahen und kuͤſſen wollen.
Clidemus von Athen ſtarb/ als er mit einer goldnen Krone
unverhofft gekroͤnet wurde. Plato iſt durch einen freudigen
Traum; Und P. Craſſus durchs Lachen geſtorben. So toͤd-
tet auch die Freude/ da ſonſten nur die Traurigkeit viel Leute
umbringen ſolte. Und was ſoll man wohl vor Freuden ſich
traͤumen laſſen/ und fuͤr Gluͤcke ſich einbilden da die Welt
vergaͤnglich mit all ihrer Luſt/ und wir ſelber verſchwinden
muͤſſen.

Hingegen laſſet uns doch wohl erwegen/ was der ewige
Freuden-Himmel ſey/ dahin die Glaͤubigen gelangen/ und
alldar ihr rechtes Leben anfahen. Es iſt ja ein Hauß der

Freu-
E 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsThanks" n="1">
        <p><pb facs="#f0035" n="35"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#b">Abdanckungs-Rede.</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">horam vitæ promittere pote&#x017F;t, nemo de cra&#x017F;tino habet noti-<lb/>
tiam: Fugit ætas, fugit omnis terrena voluptas: Nihil habe-<lb/>
mus ni&#x017F;i præ&#x017F;ens, &amp; id momentaneum e&#x017F;t.</hi> Die gegenwa&#x0364;rti-<lb/>
ge Her&#xA75B;ligkeit i&#x017F;t un&#x017F;er. Die Zuku&#x0364;nfftige &#x017F;tehet nicht in un-<lb/>
&#x017F;er Gewalt/ und alles beydes i&#x017F;t verga&#x0364;nglich/ weil &#x017F;ie in der<lb/>
Welt.</p><lb/>
        <p>Ein Hirte hat mit &#x017F;einer Hu&#x0364;tte/ keine gewi&#x017F;&#x017F;e Sta&#x0364;tte<lb/>
im Felde: Sondern er fu&#x0364;hret &#x017F;ie von einem Ort zum ande-<lb/>
ren/ biß &#x017F;ie endlich gar in Stu&#x0364;cken fa&#x0364;llet/ und er davon muß.<lb/>
So &#x017F;ind wir Sterbliche auch; Wir haben hier keine bleiben-<lb/>
de Sta&#x0364;dte/ &#x017F;ondern die zuku&#x0364;nfftige &#x017F;uchen wir. Der Leib<lb/>
&#x017F;chleppet die Seele/ die Seele den Leib/ wie eine Schnecke ihr<lb/>
Hauß herumb/ &#x017F;o lange/ biß das Hauß und Hu&#x0364;tte zubricht<lb/>
und vergehet. Ach was i&#x017F;t doch die Welt-Freude? Flu&#x0364;chtig<lb/>
und nichtig. Sie kommet lieblich hergegangen/ und la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et<lb/>
uns betru&#x0364;bt von &#x017F;ich/ ja die allzu gro&#x017F;&#x017F;e Freude to&#x0364;dtet. <hi rendition="#aq">Chi-<lb/>
lon</hi> von <hi rendition="#aq">Sparta</hi> i&#x017F;t vor Freuden ge&#x017F;torben/ in dem er &#x017F;einen<lb/>
Sohn/ als einen Uberwinder umbfahen und ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wollen.<lb/><hi rendition="#aq">Clidemus</hi> von <hi rendition="#aq">Athen</hi> &#x017F;tarb/ als er mit einer goldnen Krone<lb/>
unverhofft gekro&#x0364;net wurde. <hi rendition="#aq">Plato</hi> i&#x017F;t durch einen freudigen<lb/>
Traum; Und <hi rendition="#aq">P. Cra&#x017F;&#x017F;us</hi> durchs Lachen ge&#x017F;torben. So to&#x0364;d-<lb/>
tet auch die Freude/ da &#x017F;on&#x017F;ten nur die Traurigkeit viel Leute<lb/>
umbringen &#x017F;olte. Und was &#x017F;oll man wohl vor Freuden &#x017F;ich<lb/>
tra&#x0364;umen la&#x017F;&#x017F;en/ und fu&#x0364;r Glu&#x0364;cke &#x017F;ich einbilden da die Welt<lb/>
verga&#x0364;nglich mit all ihrer Lu&#x017F;t/ und wir &#x017F;elber ver&#x017F;chwinden<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Hingegen la&#x017F;&#x017F;et uns doch wohl erwegen/ was der ewige<lb/>
Freuden-Himmel &#x017F;ey/ dahin die Gla&#x0364;ubigen gelangen/ und<lb/>
alldar ihr rechtes Leben anfahen. Es i&#x017F;t ja ein Hauß der<lb/>
<fw type="sig" place="bottom">E 2</fw><fw type="catch" place="bottom">Freu-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0035] Abdanckungs-Rede. horam vitæ promittere poteſt, nemo de craſtino habet noti- tiam: Fugit ætas, fugit omnis terrena voluptas: Nihil habe- mus niſi præſens, & id momentaneum eſt. Die gegenwaͤrti- ge Herꝛligkeit iſt unſer. Die Zukuͤnfftige ſtehet nicht in un- ſer Gewalt/ und alles beydes iſt vergaͤnglich/ weil ſie in der Welt. Ein Hirte hat mit ſeiner Huͤtte/ keine gewiſſe Staͤtte im Felde: Sondern er fuͤhret ſie von einem Ort zum ande- ren/ biß ſie endlich gar in Stuͤcken faͤllet/ und er davon muß. So ſind wir Sterbliche auch; Wir haben hier keine bleiben- de Staͤdte/ ſondern die zukuͤnfftige ſuchen wir. Der Leib ſchleppet die Seele/ die Seele den Leib/ wie eine Schnecke ihr Hauß herumb/ ſo lange/ biß das Hauß und Huͤtte zubricht und vergehet. Ach was iſt doch die Welt-Freude? Fluͤchtig und nichtig. Sie kommet lieblich hergegangen/ und laͤſſet uns betruͤbt von ſich/ ja die allzu groſſe Freude toͤdtet. Chi- lon von Sparta iſt vor Freuden geſtorben/ in dem er ſeinen Sohn/ als einen Uberwinder umbfahen und kuͤſſen wollen. Clidemus von Athen ſtarb/ als er mit einer goldnen Krone unverhofft gekroͤnet wurde. Plato iſt durch einen freudigen Traum; Und P. Craſſus durchs Lachen geſtorben. So toͤd- tet auch die Freude/ da ſonſten nur die Traurigkeit viel Leute umbringen ſolte. Und was ſoll man wohl vor Freuden ſich traͤumen laſſen/ und fuͤr Gluͤcke ſich einbilden da die Welt vergaͤnglich mit all ihrer Luſt/ und wir ſelber verſchwinden muͤſſen. Hingegen laſſet uns doch wohl erwegen/ was der ewige Freuden-Himmel ſey/ dahin die Glaͤubigen gelangen/ und alldar ihr rechtes Leben anfahen. Es iſt ja ein Hauß der Freu- E 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/359522
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/359522/35
Zitationshilfe: Klepperbein, Vertraugott: Den Todt im Leben Und das Leben im Tode. Schlichtingsheim (Oder), 1693, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/359522/35>, abgerufen am 03.12.2024.