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Titus, Andrea: Glaube/ Liebe/ Hoffnung/ Gedult/ Als 4. Haupt-Tugenden Eines Christen. Schlichtingsheim, [1704].

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Abdanckungs-Rede.
Ehren-Thron verwandelt worden. Sie geneust vor dem
Stuhl des Lamms der holdseeligsten Gesellschafft aller Heiligen
Engel/ nachdem das ruhmwürdigste Chor der schönsten vier
Haupt-Tugenden/ von welchen Sie auf der Welt umbgeben
war/ Jhren Abtritt genommen. Denn/ nachdem Sie durch
den zeitlichen Tod alle Trübseeligkeit mit der seeligsten Ewig-
keit verwechselt/ so hat Sie der praesentz der in unsrem Grab-
und Denckmahl aufgeführten Tugenden nicht mehr vonnö-
then/ ausser der Liebe. Nicht vonnöthen hat Sie der Gedult:
Denn was solte im Himmel für Trübsal seyn? Nicht vonnö-
then hat Sie der Hoffnung/ als welche Jhr Absehen auf ein
zukünfftiges Gutt hat: Jm Himmel aber ist kein Guttes zu-
künfftig/ sondern alles gegenwärtig. Nicht vonnöthen hat
Sie des Glaubens: Denn jetzt wandelt Sie im Schauen und
siehet den DreyEinigen GOtt von Angesicht zu Angesicht.
Der Glaube ist der Jacobs-Stab/ dessen wir auf der Pilgrim-
schafft dieses Lebens nicht entbehren können; sobald wir aber
an die Thür des Himmels kommen/ so setzen wir den Wan-
derstab nieder. Nur die eintzige Liebe ist es/ welche mit der
Wolseeligen Frauen von Kreckwitz
in das Himmlische Je-
rusalem eingegangen/ und Sie zur Hochzeit des Lamms beglei-
tet/ auch ewiglich unter den Christlichen Tugenden bleibet. O
seelige Seele! Jn diesem Jammerthal weinete Sie offt/ weil Sie
GOtt und den Nechsten nicht noch lieber haben konte; jetzo
aber ist der Rauch ihrer Seuffzer und Begierden in vollkom-
mene Liebes-Flammen außgeschlagen/ damit Sie zuföderst
GOtt das höchste Gutt/ und denn auch Jhre Himmlische Mit-
Bürger ohn aufhören umbfänget. Erwegen Sie nun diß/
HochAdelicher Herr Wittwer recht Christlich/ so werden
Sie damit allen Jhren Schmertzen mercklich dämpffen/ und

ver-

Abdanckungs-Rede.
Ehren-Thron verwandelt worden. Sie geneuſt vor dem
Stuhl des Lam̃s der holdſeeligſten Geſellſchafft aller Heiligen
Engel/ nachdem das ruhmwuͤrdigſte Chor der ſchoͤnſten vier
Haupt-Tugenden/ von welchen Sie auf der Welt umbgeben
war/ Jhren Abtritt genommen. Denn/ nachdem Sie durch
den zeitlichen Tod alle Truͤbſeeligkeit mit der ſeeligſten Ewig-
keit verwechſelt/ ſo hat Sie der præſentz der in unſrem Grab-
und Denckmahl aufgefuͤhrten Tugenden nicht mehr vonnoͤ-
then/ auſſer der Liebe. Nicht vonnoͤthen hat Sie der Gedult:
Denn was ſolte im Himmel fuͤr Truͤbſal ſeyn? Nicht vonnoͤ-
then hat Sie der Hoffnung/ als welche Jhr Abſehen auf ein
zukuͤnfftiges Gutt hat: Jm Himmel aber iſt kein Guttes zu-
kuͤnfftig/ ſondern alles gegenwaͤrtig. Nicht vonnoͤthen hat
Sie des Glaubens: Deñ jetzt wandelt Sie im Schauen und
ſiehet den DreyEinigen GOtt von Angeſicht zu Angeſicht.
Der Glaube iſt der Jacobs-Stab/ deſſen wir auf der Pilgrim-
ſchafft dieſes Lebens nicht entbehren koͤnnen; ſobald wir aber
an die Thuͤr des Himmels kommen/ ſo ſetzen wir den Wan-
derſtab nieder. Nur die eintzige Liebe iſt es/ welche mit der
Wolſeeligen Frauen von Kreckwitz
in das Him̃liſche Je-
ruſalem eingegangen/ und Sie zur Hochzeit des Lam̃s beglei-
tet/ auch ewiglich unter den Chriſtlichen Tugenden bleibet. O
ſeelige Seele! Jn dieſem Jam̃erthal weinete Sie offt/ weil Sie
GOtt und den Nechſten nicht noch lieber haben konte; jetzo
aber iſt der Rauch ihrer Seuffzer und Begierden in vollkom-
mene Liebes-Flammen außgeſchlagen/ damit Sie zufoͤderſt
GOtt das hoͤchſte Gutt/ und denn auch Jhre Him̃liſche Mit-
Buͤrger ohn aufhoͤren umbfaͤnget. Erwegen Sie nun diß/
HochAdelicher Herꝛ Wittwer recht Chriſtlich/ ſo werden
Sie damit allen Jhren Schmertzen mercklich daͤmpffen/ und

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[19/0019] Abdanckungs-Rede. Ehren-Thron verwandelt worden. Sie geneuſt vor dem Stuhl des Lam̃s der holdſeeligſten Geſellſchafft aller Heiligen Engel/ nachdem das ruhmwuͤrdigſte Chor der ſchoͤnſten vier Haupt-Tugenden/ von welchen Sie auf der Welt umbgeben war/ Jhren Abtritt genommen. Denn/ nachdem Sie durch den zeitlichen Tod alle Truͤbſeeligkeit mit der ſeeligſten Ewig- keit verwechſelt/ ſo hat Sie der præſentz der in unſrem Grab- und Denckmahl aufgefuͤhrten Tugenden nicht mehr vonnoͤ- then/ auſſer der Liebe. Nicht vonnoͤthen hat Sie der Gedult: Denn was ſolte im Himmel fuͤr Truͤbſal ſeyn? Nicht vonnoͤ- then hat Sie der Hoffnung/ als welche Jhr Abſehen auf ein zukuͤnfftiges Gutt hat: Jm Himmel aber iſt kein Guttes zu- kuͤnfftig/ ſondern alles gegenwaͤrtig. Nicht vonnoͤthen hat Sie des Glaubens: Deñ jetzt wandelt Sie im Schauen und ſiehet den DreyEinigen GOtt von Angeſicht zu Angeſicht. Der Glaube iſt der Jacobs-Stab/ deſſen wir auf der Pilgrim- ſchafft dieſes Lebens nicht entbehren koͤnnen; ſobald wir aber an die Thuͤr des Himmels kommen/ ſo ſetzen wir den Wan- derſtab nieder. Nur die eintzige Liebe iſt es/ welche mit der Wolſeeligen Frauen von Kreckwitz in das Him̃liſche Je- ruſalem eingegangen/ und Sie zur Hochzeit des Lam̃s beglei- tet/ auch ewiglich unter den Chriſtlichen Tugenden bleibet. O ſeelige Seele! Jn dieſem Jam̃erthal weinete Sie offt/ weil Sie GOtt und den Nechſten nicht noch lieber haben konte; jetzo aber iſt der Rauch ihrer Seuffzer und Begierden in vollkom- mene Liebes-Flammen außgeſchlagen/ damit Sie zufoͤderſt GOtt das hoͤchſte Gutt/ und denn auch Jhre Him̃liſche Mit- Buͤrger ohn aufhoͤren umbfaͤnget. Erwegen Sie nun diß/ HochAdelicher Herꝛ Wittwer recht Chriſtlich/ ſo werden Sie damit allen Jhren Schmertzen mercklich daͤmpffen/ und ver-

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Zitationshilfe: Titus, Andrea: Glaube/ Liebe/ Hoffnung/ Gedult/ Als 4. Haupt-Tugenden Eines Christen. Schlichtingsheim, [1704], S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/392456/19>, abgerufen am 21.11.2024.