Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1839.daß ich nur nach ihr geblickt; und sie vergalt Liebe um Liebe Ich aber -- o welche schreckliche Stunden -- schrecklich! Zu andern Zeiten log ich mir selber vom nahe bevorste- Die Eltern waren gute, ehrbare, alte Leute, die ihr ein- daß ich nur nach ihr geblickt; und ſie vergalt Liebe um Liebe Ich aber — o welche ſchreckliche Stunden — ſchrecklich! Zu andern Zeiten log ich mir ſelber vom nahe bevorſte- Die Eltern waren gute, ehrbare, alte Leute, die ihr ein- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0048" n="30"/> daß ich nur nach ihr geblickt; und ſie vergalt Liebe um Liebe<lb/> mit der vollen jugendlichen Kraft eines unſchuldigen Herzens.<lb/> Sie liebte wie ein Weib, ganz hin ſich opfernd; ſelbſt ver-<lb/> geſſen, hingegeben den nur meinend, der ihr Leben war, un-<lb/> bekümmert, ſolle ſie ſelbſt zu Grunde gehen, das heißt, ſie<lb/> liebte wirklich. —</p><lb/> <p>Ich aber — o welche ſchreckliche Stunden — ſchrecklich!<lb/> und würdig dennoch, daß ich ſie zurückwünſche — hab’ ich<lb/> oft an <hi rendition="#g">Bendel</hi>’s Bruſt verweint, als nach dem erſten bewußt-<lb/> loſen Rauſch ich mich beſonnen, mich ſelbſt ſcharf angeſchaut,<lb/> der ich, ohne Schatten, mit tückiſcher Selbſtſucht dieſen Engel<lb/> verderbend, die reine Seele an mich gelogen und geſtohlen!<lb/> Dann beſchloß ich, mich ihr ſelber zu verrathen; dann gelobt’<lb/> ich mit theuren Eidſchwüren, mich von ihr zu reißen und zu<lb/> entfliehen; dann brach ich wieder in Thränen aus und verab-<lb/> redete mit <hi rendition="#g">Bendel</hi>’n, wie ich ſie auf den Abend im Förſter-<lb/> garten beſuchen wolle. —</p><lb/> <p>Zu andern Zeiten log ich mir ſelber vom nahe bevorſte-<lb/> henden Beſuch des grauen Unbekannten große Hoffnungen vor,<lb/> und weinte wieder, wenn ich daran zu glauben vergebens ver-<lb/> ſucht hatte. Ich hatte den Tag ausgerechnet, wo ich den Furcht-<lb/> baren wieder zu ſehen erwartete; denn er hatte geſagt, in<lb/> Jahr und Tag, und ich glaubte an ſein Wort.</p><lb/> <p>Die Eltern waren gute, ehrbare, alte Leute, die ihr ein-<lb/> ziges Kind ſehr liebten, das ganze Verhältniß überraſchte ſie,<lb/> als es ſchon beſtand, und ſie wußten nicht, was ſie dabei thun<lb/> ſollten. Sie hatten früher nicht geträumt, der <hi rendition="#g">Graf Peter</hi><lb/> könne nur an ihr Kind denken, nun liebte er ſie gar und ward<lb/> wieder geliebt. — Die Mutter war wohl eitel genug, an die<lb/> Möglichkeit einer Verbindung zu denken, und darauf hinzuar-<lb/> beiten; der geſunde Menſchenverſtand des Alten gab ſolchen<lb/> überſpannten Vorſtellungen nicht Raum. Beide waren über-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [30/0048]
daß ich nur nach ihr geblickt; und ſie vergalt Liebe um Liebe
mit der vollen jugendlichen Kraft eines unſchuldigen Herzens.
Sie liebte wie ein Weib, ganz hin ſich opfernd; ſelbſt ver-
geſſen, hingegeben den nur meinend, der ihr Leben war, un-
bekümmert, ſolle ſie ſelbſt zu Grunde gehen, das heißt, ſie
liebte wirklich. —
Ich aber — o welche ſchreckliche Stunden — ſchrecklich!
und würdig dennoch, daß ich ſie zurückwünſche — hab’ ich
oft an Bendel’s Bruſt verweint, als nach dem erſten bewußt-
loſen Rauſch ich mich beſonnen, mich ſelbſt ſcharf angeſchaut,
der ich, ohne Schatten, mit tückiſcher Selbſtſucht dieſen Engel
verderbend, die reine Seele an mich gelogen und geſtohlen!
Dann beſchloß ich, mich ihr ſelber zu verrathen; dann gelobt’
ich mit theuren Eidſchwüren, mich von ihr zu reißen und zu
entfliehen; dann brach ich wieder in Thränen aus und verab-
redete mit Bendel’n, wie ich ſie auf den Abend im Förſter-
garten beſuchen wolle. —
Zu andern Zeiten log ich mir ſelber vom nahe bevorſte-
henden Beſuch des grauen Unbekannten große Hoffnungen vor,
und weinte wieder, wenn ich daran zu glauben vergebens ver-
ſucht hatte. Ich hatte den Tag ausgerechnet, wo ich den Furcht-
baren wieder zu ſehen erwartete; denn er hatte geſagt, in
Jahr und Tag, und ich glaubte an ſein Wort.
Die Eltern waren gute, ehrbare, alte Leute, die ihr ein-
ziges Kind ſehr liebten, das ganze Verhältniß überraſchte ſie,
als es ſchon beſtand, und ſie wußten nicht, was ſie dabei thun
ſollten. Sie hatten früher nicht geträumt, der Graf Peter
könne nur an ihr Kind denken, nun liebte er ſie gar und ward
wieder geliebt. — Die Mutter war wohl eitel genug, an die
Möglichkeit einer Verbindung zu denken, und darauf hinzuar-
beiten; der geſunde Menſchenverſtand des Alten gab ſolchen
überſpannten Vorſtellungen nicht Raum. Beide waren über-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |