Adler, Emma: Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789–1795. Wien, 1906.Kindheit geschuldet ist, die häuslichen Sorgen, die süssen Pflichten der Mutterschaft, das sind deine Arbeiten. Aber deine Beschäftigungen verdienen eine Belohnung, wohlan! Du sollst sie haben; du wirst die Göttin des häuslichen Tempels sein, du wirst über Alles, was dich umgibt, mit dem unbesiegbaren Zauber der Schönheit, Anmut und der Tugend herrschen! Unvorsichtige Weiber, die Ihr Männer werden wollt! Seid Ihr bei der Teilung nicht gut genug fortgekommen? Was braucht Ihr mehr?" Chaumette schloss seine Rede mit dem Antrag, die Frauen nicht mehr in den Generalrat der Kommune zuzulassen; der Antrag wurde mit grosser Majorität angenommen. Es verging kaum ein Tag, an dem Rose Lacombe ihre Verbündeten nicht zu einer Zusammenrottung anfeuerte, sei es im Palais Royal, sei es in den Beinhäusern. Eine jener Zusammenkünfte war so zahlreich besucht, so ungestüm und wild, dass sie die Aufmerksamkeit des Wohlfahrtsausschusses erregte. Im Konvent ergriff Amar das Wort, um darüber folgendes zu sagen: "Ich setze Sie von einer Zusammenrottung in Kenntnis, an der mehr denn 6000 Weiber, angeblich Jakobinerinnen einer vorgeblich revolutionären Gesellschaft, teilgenommen haben. Sollen Frauen überhaupt politische Rechte ausüben und sich in die Regierungsangelegenheiten einmischen?" "Die politischen Rechte des Bürgers bestehen darin, mittelst prüfender Erwägungen Entschlüsse, die dem Staatsinteresse dienen, zu fassen und der Tyrannei zu widerstehen. Haben die Frauen die moralische und physische Kraft, die die Ausübung der einen wie der andern Pflicht erfordert? Die allgemeine Ansicht weist diesen Gedanken zurück. Sollen sich die Frauen in politischen Vereinen versammeln? Können sich die Frauen all' den damit verbundenen nützlichen und gleichzeitig mühseligen Aufgaben widmen? Entschieden nicht in Anbetracht der geringeren Kraft und des Baues ihres Körpers und zufolge ihrer Bestimmung. Ohne Zweifel ist es nötig, dass sie sich selbst Kindheit geschuldet ist, die häuslichen Sorgen, die süssen Pflichten der Mutterschaft, das sind deine Arbeiten. Aber deine Beschäftigungen verdienen eine Belohnung, wohlan! Du sollst sie haben; du wirst die Göttin des häuslichen Tempels sein, du wirst über Alles, was dich umgibt, mit dem unbesiegbaren Zauber der Schönheit, Anmut und der Tugend herrschen! Unvorsichtige Weiber, die Ihr Männer werden wollt! Seid Ihr bei der Teilung nicht gut genug fortgekommen? Was braucht Ihr mehr?“ Chaumette schloss seine Rede mit dem Antrag, die Frauen nicht mehr in den Generalrat der Kommune zuzulassen; der Antrag wurde mit grosser Majorität angenommen. Es verging kaum ein Tag, an dem Rose Lacombe ihre Verbündeten nicht zu einer Zusammenrottung anfeuerte, sei es im Palais Royal, sei es in den Beinhäusern. Eine jener Zusammenkünfte war so zahlreich besucht, so ungestüm und wild, dass sie die Aufmerksamkeit des Wohlfahrtsausschusses erregte. Im Konvent ergriff Amar das Wort, um darüber folgendes zu sagen: „Ich setze Sie von einer Zusammenrottung in Kenntnis, an der mehr denn 6000 Weiber, angeblich Jakobinerinnen einer vorgeblich revolutionären Gesellschaft, teilgenommen haben. Sollen Frauen überhaupt politische Rechte ausüben und sich in die Regierungsangelegenheiten einmischen?“ „Die politischen Rechte des Bürgers bestehen darin, mittelst prüfender Erwägungen Entschlüsse, die dem Staatsinteresse dienen, zu fassen und der Tyrannei zu widerstehen. Haben die Frauen die moralische und physische Kraft, die die Ausübung der einen wie der andern Pflicht erfordert? Die allgemeine Ansicht weist diesen Gedanken zurück. Sollen sich die Frauen in politischen Vereinen versammeln? Können sich die Frauen all’ den damit verbundenen nützlichen und gleichzeitig mühseligen Aufgaben widmen? Entschieden nicht in Anbetracht der geringeren Kraft und des Baues ihres Körpers und zufolge ihrer Bestimmung. Ohne Zweifel ist es nötig, dass sie sich selbst <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0223" n="202"/> Kindheit geschuldet ist, die häuslichen Sorgen, die süssen Pflichten der Mutterschaft, das sind deine Arbeiten. Aber deine Beschäftigungen verdienen eine Belohnung, wohlan! Du sollst sie haben; du wirst die Göttin des häuslichen Tempels sein, du wirst über Alles, was dich umgibt, mit dem unbesiegbaren Zauber der Schönheit, Anmut und der <choice><sic>Tngend</sic><corr>Tugend</corr></choice> herrschen! Unvorsichtige Weiber, die Ihr Männer werden wollt! Seid Ihr bei der Teilung nicht gut genug fortgekommen? Was braucht Ihr mehr?“ Chaumette schloss seine Rede mit dem Antrag, die Frauen nicht mehr in den Generalrat der Kommune zuzulassen; der Antrag wurde mit grosser Majorität angenommen.</p> <p>Es verging kaum ein Tag, an dem Rose Lacombe ihre Verbündeten nicht zu einer Zusammenrottung anfeuerte, sei es im Palais Royal, sei es in den Beinhäusern. Eine jener Zusammenkünfte war so zahlreich besucht, so ungestüm und wild, dass sie die Aufmerksamkeit des Wohlfahrtsausschusses erregte. Im Konvent ergriff Amar das Wort, um darüber folgendes zu sagen: „Ich setze Sie von einer Zusammenrottung in Kenntnis, an der mehr denn 6000 Weiber, angeblich Jakobinerinnen einer vorgeblich revolutionären Gesellschaft, teilgenommen haben. Sollen Frauen überhaupt politische Rechte ausüben und sich in die Regierungsangelegenheiten einmischen?“</p> <p>„Die politischen Rechte des Bürgers bestehen darin, mittelst prüfender Erwägungen Entschlüsse, die dem Staatsinteresse dienen, zu fassen und der Tyrannei zu widerstehen. Haben die Frauen die moralische und physische Kraft, die die Ausübung der einen wie der andern Pflicht erfordert? Die allgemeine Ansicht weist diesen Gedanken zurück. Sollen sich die Frauen in politischen Vereinen versammeln? Können sich die Frauen all’ den damit verbundenen nützlichen und gleichzeitig mühseligen Aufgaben widmen? Entschieden nicht in Anbetracht der geringeren Kraft und des Baues ihres Körpers und zufolge ihrer Bestimmung. Ohne Zweifel ist es nötig, dass sie sich selbst </p> </div> </body> </text> </TEI> [202/0223]
Kindheit geschuldet ist, die häuslichen Sorgen, die süssen Pflichten der Mutterschaft, das sind deine Arbeiten. Aber deine Beschäftigungen verdienen eine Belohnung, wohlan! Du sollst sie haben; du wirst die Göttin des häuslichen Tempels sein, du wirst über Alles, was dich umgibt, mit dem unbesiegbaren Zauber der Schönheit, Anmut und der Tugend herrschen! Unvorsichtige Weiber, die Ihr Männer werden wollt! Seid Ihr bei der Teilung nicht gut genug fortgekommen? Was braucht Ihr mehr?“ Chaumette schloss seine Rede mit dem Antrag, die Frauen nicht mehr in den Generalrat der Kommune zuzulassen; der Antrag wurde mit grosser Majorität angenommen.
Es verging kaum ein Tag, an dem Rose Lacombe ihre Verbündeten nicht zu einer Zusammenrottung anfeuerte, sei es im Palais Royal, sei es in den Beinhäusern. Eine jener Zusammenkünfte war so zahlreich besucht, so ungestüm und wild, dass sie die Aufmerksamkeit des Wohlfahrtsausschusses erregte. Im Konvent ergriff Amar das Wort, um darüber folgendes zu sagen: „Ich setze Sie von einer Zusammenrottung in Kenntnis, an der mehr denn 6000 Weiber, angeblich Jakobinerinnen einer vorgeblich revolutionären Gesellschaft, teilgenommen haben. Sollen Frauen überhaupt politische Rechte ausüben und sich in die Regierungsangelegenheiten einmischen?“
„Die politischen Rechte des Bürgers bestehen darin, mittelst prüfender Erwägungen Entschlüsse, die dem Staatsinteresse dienen, zu fassen und der Tyrannei zu widerstehen. Haben die Frauen die moralische und physische Kraft, die die Ausübung der einen wie der andern Pflicht erfordert? Die allgemeine Ansicht weist diesen Gedanken zurück. Sollen sich die Frauen in politischen Vereinen versammeln? Können sich die Frauen all’ den damit verbundenen nützlichen und gleichzeitig mühseligen Aufgaben widmen? Entschieden nicht in Anbetracht der geringeren Kraft und des Baues ihres Körpers und zufolge ihrer Bestimmung. Ohne Zweifel ist es nötig, dass sie sich selbst
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